Waffen an Russland: Südafrikas Schritt zu weit beim Flirt mit Putin – WELT

Der US-Diplomat wählte drastische Worte, um seinen schwerwiegenden Anschuldigungen Nachdruck zu verleihen. Er würde „sein Leben darauf wetten“, dass Südafrika Waffen und Munition an Russland geliefert hat, gab Reuben Brigety, der US-Botschafter in Südafrika, vor Journalisten zu Protokoll. Er war nach seiner Einschätzung zur Stichhaltigkeit entsprechender Informationen gebeten worden, die dem amerikanischen Geheimdienst seinen Angaben zufolge vorliegen.

Südafrika wird von Washington offiziell als „strategischer Partner“ geführt. Aber der Vorwurf besitzt Sprengkraft für die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern. Und er dürfte Stoßwellen in den afrikanischen Ländern auslösen, deren Regierungen sich bei Abstimmungen der UN-Vollversammlung zu Russland rund zur Hälfte enthalten haben. Im Februar, als es um die Forderung nach einem russischen Truppenabzug ging, waren es 14. Eritrea und Mali stimmten sogar dagegen.

Südafrika hat das Terrain der Neutralität nun verlassen. So ist zumindest Botschafter Brigety zu verstehen, der allerdings keine Belege für seine schweren Vorwürfe bietet. Konkret geht es um einen Vorfall im Dezember 2022, als das russische Frachtschiff „Lady R“ abends im Militärhafen von Simon’s Town nahe Kapstadt anlegte, noch in der Nacht wurden emsig Waren entladen.

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Bereits damals war die Empörung des Westens groß, weil die „Lady R“ von den USA sanktioniert ist und es keine Begründung gab, warum sie am größten Stützpunkt der südafrikanischen Marine anlegen durfte.

Wochen später teilte Verteidigungsministerin Thandi Modise vage mit, es habe sich um eine „alte Waffenlieferung“ gehandelt. An Südafrika wohlgemerkt, von einer Beladung mit südafrikanischen Waffen oder Munition war keine Rede. Die Bestellung sei zudem lange vor dem Ukraine-Krieg aufgegeben worden.

Vor der „Lady R“ hatte Südafrika bereits der Superyacht des Kreml-nahen Oligarchen Alexej Mordaschow erlaubt, in Kapstadt anzulegen – obwohl der Multimilliardär auch auf der US-Sanktionsliste steht. Mordaschow steuerte schließlich doch nicht Südafrika an. Im Februar gab es dann eine zehntägige Militärübung mit Russland vor der Küste Durbans, zeitgleich mit dem ersten Jahrestag der Ukraine-Invasion.

Waffentransporter brachte angeblich „diplomatische Post“

Völlig absurd wurde es dann im April, als ein russisches Militärflugzeug vom Typ Iljuschin Il-76, das Washington wegen Waffentransporten ebenfalls auf ihre Sanktionsliste gesetzt hatten, auf der Militärbasis in Pretoria landen durfte. Es habe sich um eine Lieferung „diplomatischer Post“ gehandelt, versuchte Pretoria seine westlichen Partner zu beruhigen – mit wenig Erfolg.

Denn wenige Tage später brach eine hochrangige Regierungsdelegation nach Washington auf, darunter Sydney Mufamadi, der Sicherheitsberater von Präsident Cyril Ramaphosa. Ihre Aufgabe: den russischen Einfluss in Südafrika herunterzuspielen. Man sei neutral, so das offizielle Narrativ.

Die Militärübung mit Russland verteidigt das Land mit dem Hinweis, dass man im vergangenen Jahr ja auch eine Militärübung mit den USA gemacht habe. Und, so die Anweisung an die Delegation: Verhindern, dass die von den Republikanern in den Senat eingebrachte Resolution Erfolg hat, die ein Ende der Zollbefreiung für die meisten südafrikanischen Produkte vorsieht. Im Jahr 2025 läuft das Freihandelsabkommen AGOA aus.

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Die Mission ist krachend gescheitert. Noch während Mufamadi im Flugzeug saß, trat Brigety mit seinen Vorwürfen vor die Presse. Nach seiner Landung schimpfte Mufamadi, man habe doch vereinbart, den Vorgang nach Austausch der Geheimdienstinformationen aufzuarbeiten, stattdessen gebe es nun „Megafon-Diplomatie“ der Amerikaner. Botschafter Brigety wurde vom südafrikanischen Außenministerium einbestellt.

Der Grund für Brigetys Vorgehen ist offensichtlich. Am Donnerstagabend sollte Ramaphosa die schlichte Frage der Opposition beantworten, ob es Waffenexporte gab. In einem funktionierenden Staat kann die Antwort nur „Ja“ oder „Nein“ bedeuten, sie müssen schließlich von dem für Waffenexporte zuständigen Ausschuss NCACC bewilligt werden.

Und in einem funktionierenden Staat wäre es auch unvorstellbar, dass eine Entscheidung dieses geopolitischen Ausmaßes ohne Einverständnis des Präsidenten getroffen wird – schließlich würde man sich zu Outlaw-Staaten gesellen, die mutmaßlich Waffen an Putin liefern: Iran, Belarus, Nordkorea. Ein Vorwurf also, der einer klaren Antwort bedarf.

Verschleierung statt Aufklärung

Doch stattdessen reagierte Ramaphosa mit einer Verschleierungstaktik, mit der die Regierungspartei so ziemlich alle Skandale abbügelt: Man werde eine Untersuchung „unter Vorsitz eines Richters im Ruhestand“ einleiten, gab er bekannt.

Das dauert in Südafrika erfahrungsgemäß seine Zeit. Bisweilen Jahre. Am Freitag aber reagierte der NCACC-Vorsitzende Mondli Gungubele. Er sagte dem Radiosender „702“, man habe „keine Waffen an Russland bewilligt“. Sollte es eine entsprechende Beladung des Frachters gegeben haben, sei sie illegal erfolgt.

Hanns Bühler, Büroleiter der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung im südlichen Afrika, analysiert den wachsenden Kreml-Einfluss in Südafrika seit Jahren – und ihn überrascht die Entwicklung nicht. „Die Nähe des ANC und dessen Regierung zu Russland wurde in den letzten Monaten immer deutlicher“, sagt Bühler.

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Einflusssphäre

Die Indizienkette sei lang: prorussische Pressemitteilungen des ANC, Entsendungen von Vertretern der ANC-Jugendorganisation als Beobachter zu den völkerrechtswidrigen Scheinreferenden in der Ostukraine, bis hin zur Annahme von Parteispenden durch russische Oligarchen. „Die von der südafrikanischen Regierung gern betonte Neutralität passt so gar nicht mit deren Handlungen überein“, konstatiert Bühler.

Das Vorgehen Südafrikas, das sich als Wortführer in Afrika versteht, entspricht tatsächlich weder seiner Verfassung noch den wirtschaftlichen Interessen. Der Rand sackte am Donnerstag auf ein Rekordtief ab.

China ist der größte bilaterale Handelspartner, doch das Exportvolumen nach Fernost ist nur wenig höher als das in die USA, auch Länder wie Deutschland, Japan und England liegen nicht weit zurück. Als Staatenbund ist die Europäische Union noch vor China der wichtigste Handelspartner. Russland taucht in den Top-15 nicht auf.

Hinzu kommt, dass Südafrika erheblich mehr in die USA exportiert als es von dort importiert – bei China ist es umgekehrt. Billig-Importe haben Industrien wie die Textilbranche erstickt, die einst Jobmotor war. Die arbeitsintensive verarbeitende Industrie, darunter deutsche Autokonzerne, produziert in Südafrika auch wegen des zollfreien Marktzugangs in die USA.

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Südafrika

Viel brisanter hätte der Zeitpunkt des Eklats nicht sein können. Südafrika hat aktuell den Vorsitz der BRICS-Gruppe, der Brasilien, Russland, Indien, China und eben Südafrika angehören. Im August findet das Jahrestreffen in Durban statt. Auf der Gästeliste: Wladimir Putin.

Gegen ihn hat der Internationale Strafgerichtshof einen Haftbefehl erlassen, und Südafrika wäre als Unterzeichner des Rom-Statuts zu seiner Verhaftung verpflichtet. Ein kaum vorstellbares Szenario.

Als Notlösung vorstellbar wäre eine virtuelle Gipfel-Teilnahme Putins. Aber falls er auf einem persönlichen Erscheinen besteht und dann unbehelligt ein- und ausreisen kann, wäre die nächste Eskalationsstufe der Beziehungen mit dem Westen erreicht.

Source: welt.de