Wärmewende: Kommunen noch ohne Strategie
Ein wichtiger Schlüssel zur deutschen Klimaneutralität bis 2045 liegt in der Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung. Heiz- und Prozesswärme machen die Hälfte der gesamten Endenergie aus und stammen zu 80 Prozent aus fossilen Quellen. Zum Vergleich: In der Stromproduktion beträgt der Anteil erneuerbarer Energien mehr als 50 Prozent. Noch heizt jeder zweite der 41 Millionen deutschen Haushalte mit Gas, jeder vierte mit Öl. Um das zu ändern, ruht eine große Hoffnung – neben den Wärmepumpen – auf der Fernwärme. Sie erreicht derzeit 14 Prozent der Wohnungen, rund 6 Millionen Einheiten, und könnte sich einer Prognos-Studie zufolge bis 2045 auf 14 Millionen mehr als verdoppeln.
Die nötigen Anstrengungen dafür sind jedoch gewaltig, denn bis dahin müssen 100 Prozent der Wärme aus erneuerbaren Quellen stammen, bisher sind es nur 20 Prozent. Für den Ausbau der Wärmenetze, der Speicher und der klimaverträglichen Erzeugung sind bis 2030 Prognos zufolge Investitionen von fast 44 Milliarden Euro erforderlich, bis 2045 sogar mehr als 74 Milliarden Euro. Grundlage für die Offensive ist das Wärmeplanungsgesetz (WPG) der Bundesregierung, das seit Januar in Kraft ist. Es verpflichtet Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern, bis Ende Juni 2026 kommunale Wärmepläne zu erstellen, um die Fernwärme voranzubringen; kleinere Gebietskörperschaften haben zwei Jahre länger Zeit. Die Neuregelung hängt eng mit dem Gebäudeenergie- oder Heizungsgesetz zusammen: Bis die kommunale Wärmeplanung nicht abgeschlossen ist, dürfen Hauseigentümer nicht gezwungen werden, die Heizung in ihren Bestandsimmobilien auf erneuerbare Energien umzustellen. Vor dem verpflichtenden Heizungstausch steht also die verpflichtende Kommunalplanung, damit die Haushalte rechtzeitig sehen, ob sie an die Fernwärme angeschlossen werden können.
Planung braucht Fachkräfte
Die Universität Leipzig hat jetzt in Erfahrung gebracht, wie gut die Wärmewende in den Gemeinden vorankommt. Unterstützt vom Verband Kommunaler Unternehmen VKU, dem Städtetag und dem Städte- und Gemeindebund, hat das Leipziger Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft (Kowid) 600 Kommunen und 100 Energieversorgungsunternehmen – oft kommunale Stadtwerke – befragt. Dabei zeigte sich, dass bei der Wärmwende, wie so oft, drei Ressourcen knapp sind: Personal, Geld und Zeit. 16 Prozent der Kommunen haben kein ausgeglichenes Budget und unterliegen daher der Haushaltssicherung, weitere 42 Prozent berichten von einer angespannten Finanzlage. Zwei Drittel setzen daher für die Wärmeumstellung auf Fördermittel, 22 Prozent wollen eigenes Haushaltsgeld einsetzen, 2 Prozent Schulden aufnehmen. Die Studienverfasser beziffern allein die Planungskosten bis 2028 für die Gemeinden auf 520 Millionen Euro, davon 165 Millionen Euro für das Personal. Das entspricht in etwa der Bundesunterstützung von 500 Millionen Euro für die Erstellung der Wärmepläne, die den Ländern über einen erhöhten Anteil an der Umsatzsteuer zukommen sollen.
Für die Planung muss jede Kommune im Durchschnitt zwei neue Vollzeitstellen einrichten, in einzelnen Fällen sind bis zu 20 zusätzliche Mitarbeiter nötig. Zwar messen zwei Drittel der Kommunen der Wärmeplanung einen hohen Stellenwert zu, aber 83 Prozent verfügen acht Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes noch über keinerlei Wärmestrategie. Immerhin 51 Prozent betreiben schon ein Wärmenetz, 33 Prozent planen ein solches, aber nur 6 Prozent aufgrund des neuen Gesetzes.
Über ähnliche Hemmnisse berichten die Energieversorgungsunternehmen. Drei Viertel gaben an, dass es in ihrem Versorgungsgebiet bisher keine Wärmeplanung gebe. Insgesamt beziffern sie ihre Aufwendungen bis 2028 für die kommunale Wärmewende auf fast 11 Milliarden Euro. „Damit würden die antwortenden Unternehmen die Kosten der Umsetzung des Wärmeplanungsgesetzes deutlich höher einschätzen als jene im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung“, sagt Studienleiter Oliver Rottmann. Zur Finanzierung wollen 93 Prozent Fördergeld, 84 Prozent Kredite und 80 Prozent Eigenmittel nutzen. Fast 40 Prozent planen aber auch, die Verbraucherpreise zu erhöhen, um damit 14 Prozent der Gesamtkosten wieder einzuspielen. Der Umfang der Erhöhung wurde allerdings nicht ermittelt.