Vorschlag pro Milliardenpaket: Was Sie jenseits dies Finanzpaket von Union und SPD wissen zu tun sein

Nach nur dreitägigen Sondierungsgesprächen haben sich Union und SPD auf hohe Zusatzausgaben für Verteidigung und Infrastruktur geeinigt. Es geht um Hunderte Milliarden Euro. Auch die Länder sollen mehr Spielraum für Ausgaben bekommen. Die nötigen Grundgesetzänderungen soll noch der alte Bundestag beschließen. Wir erklären, was sich ändert, wenn die Reform tatsächlich beschlossen wird.

Wieviel Geld kann Deutschland künftig für die Verteidigung ausgeben?

Union und SPD haben eine Formulierung gewählt, die im Grunde alles an Ausgaben zulässt, die eine neue Koalition zur Stärkung der Bundeswehr als notwendig erachtet. Verteidigungspolitische Ausgaben sollen nur mit einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts im Rahmen der Schuldenregel berücksichtigt werden. Damit ist der Himmel nach oben offen. Die Bundesregierung kann zwei, drei, vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts oder noch mehr für neue Waffen, Aufklärung, digitale Abschirmung und militärisches Personal ausgeben.

Im sogenannten Einzelplan 14, das ist der für das Verteidigungsministerium, stehen in der Finanzplanung für dieses Jahr 53 Milliarden Euro. Ebenso für die nächsten beiden Jahre. Das Bruttoinlandsprodukt liegt bei ungefähr 4500 Milliarden Euro, ein Prozent davon sind 45 Milliarden Euro. Mit der geplanten Neuregelung machen Union und SPD kurzerhand acht Milliarden Euro für andere Dinge locker, weil dieses Geld nicht mehr der Schuldengrenze unterliegt.

Zur möglichen Größenordnung der zusätzlichen Verschuldung, die allein mit dieser Öffnung der Regel im Grundgesetz verbunden ist: Jeder BIP-Punkt an zusätzlichen Verteidigungsausgaben führt zu 45 Milliarden Euro mehr Schulden. Bei 3,5 Prozent des BIP für die Verteidigung, einer Zahl die aktuell diskutiert wird, kämen 2,5 Prozent an Schulden hinzu. Das sind 112,5 Milliarden Euro.

Was wird aus dem „Sondervermögen“ für Infrastruktur bezahlt?

Der Begriff „Sondervermögen“ bedeutet, dass eine neue Kreditermächtigung neben die Schuldenregel ins Grundgesetz geschrieben wird. Vorbild ist das bestehende Sondervermögen für die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro. Doch nun ist ein Vielfaches davon vorgesehen. Geplanter Umfang des neuen Sonderschuldentopfes: insgesamt 500 Milliarden Euro über zehn Jahre.

Die Mittel sollen für Investitionen in die Infrastruktur genutzt werden dürfen. Konkret genannt werden in diesem Zusammenhang: „Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung“.

Wie profitieren die Bundesländer von der Reform?

Die Länder, deren Zustimmung mit verfassungsändernder Mehrheit im Bundesrat gebraucht wird, profitieren doppelt: Zum einen sollen sie 100 Milliarden Euro aus dem oben beschriebenen Infrastruktur-Sondervermögen erhalten, zum anderen wird auch für sie die Schuldenbremse gelockert. Ihnen soll (wie bisher dem Bund) eine jährliche Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ermöglicht werden. Das wären aktuell knapp 16 Milliarden Euro im Jahr, mit denen sich die 16 Länder als Gesamtheit zusätzlich verschulden dürften.

Haben Union und SPD denn im Bundestag eine Mehrheit für ihre Pläne?

Union und SPD brauchen für ihre verfassungsändernden Vorhaben sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit. Da sie über diese in beiden Gremien nicht verfügen, benötigen sie Stimmen aus anderen Parteien. Im Bundestag kommen dafür Grüne und FDP infrage, die FDP allerdings nur in der endenden Legislaturperiode, da sie im nächsten Bundestag nicht mehr vertreten sein wird. AfD und Linkspartei sind gegen die angestrebten Milliardenausgaben für die Rüstung. Im derzeitigen Bundestag verfügen SPD und CDU/CSU zusammen über 403 der 733 Stimmen. Eine Zweidrittelmehrheit liegt bei 489 Stimmen. Merz und Klingbeil müssen also noch mindestens 86 Stimmen von Grünen und/oder FDP bekommen. Die Grünen haben 117 Abgeordnete in diesem Bundestag, die FDP 90.

Sitzverteilung im Deutschen Bundestag

Künftiger Bundestag

Aktueller Bundestag

Allerdings gibt es bereits Kritik aus beiden Parteien an den Plänen von Union und SPD. Die Grünen sind insbesondere erbost, nicht vor der Ankündigung zurate gezogen worden zu sein. Die FDP äußert sehr grundsätzliche Kritik an der geplanten Verschuldung. Dem nächsten Bundestag, der sich bis zum 25. März konstituieren muss, gehört die FDP nicht mehr an. Dort stünden allenfalls die Grünen bereit, das würde für eine Zweidrittelmehrheit mit Union und SPD nicht ausreichen.

Und im Bundesrat?

Im Bundesrat ist es ebenfalls kompliziert. Die 16 Länder haben zusammengenommen 69 Stimmen. Die Zweidrittelmehrheit liegt also bei 46. Mit den Stimmen aus Ländern, in denen Linkspartei, BSW oder die Freien Wähler mitregieren, können Merz und Klingbeil nicht rechnen. Es gilt die Regel, dass ein Land einem Vorhaben dann nicht zustimmt, wenn ein Koalitionspartner das nicht will. Würden alle Länder mitmachen, in denen ausschließlich CDU, CSU, SPD, Grüne oder FDP regieren, kämen 49 Stimmen zusammen, also drei mehr als die Zweidrittelmehrheit. Würde die FDP sich verweigern, fielen die Stimmen aus Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz weg. Eine Zweidrittelmehrheit käme dann nicht zustande.

Wie läuft das nun im Bundestag ab?

Die Abstimmungen werden wohl folgendermaßen ablaufen, wie die F.A.Z. aus Parlamentskreisen erfuhr: Am Donnerstag kommt der Ältestenrat (des alten Bundestags) zusammen, um wie immer über die Tagesordnung der Parlamentssitzung zu beraten. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat wird Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) vermutlich den Bundestag einberufen, gleichzeitig liegt dann schon eine Tagesordnung vor. Die wird mit einfacher Mehrheit beschlossen – AfD und FDP könnten also etwa dagegen stimmen, ohne dass es Konsequenzen hätte.

Am 13. März, nächste Woche Donnerstag, kommt der Bundestag dann vermutlich zur ersten Lesung zusammen. Am 14. März, nächste Woche Freitag, könnten die zuständigen Ausschüsse abschließend über die grundgesetzändernden Gesetze beraten. Am 17. März, dem darauffolgenden Montag, könnten dann die 2. und 3. Lesung stattfinden, die Gesetze also verabschiedet werden. Am Freitag, 21. März, könnte der Bundesrat abstimmen.

Wird jetzt gar nicht mehr bei Ausgaben gespart?

Friedrich Merz hatte im Wahlkampf mehrfach gesagt, dass Deutschland kein Einnahmen- sondern ein Ausgabenproblem habe, dass also gespart werden müsse. Davon war beim Auftritt der Sondierer am Dienstagabend plötzlich keine Rede mehr. Wobei CDU-Chef Merz festhielt: Man werde nun, abseits der vereinbarten Investitionsprogramme, mit der SPD weiter über die Begrenzung der irregulären Migration, die innere Sicherheit und das Bürgergeld sprechen.

Das gibt einen Hinweis darauf, wo die Union ran will: an die Ausgaben für Soziales. Sie machen einen großen Teil des Haushalts aus, Potential gibt es da also. Die SPD will Kürzungen bei Sozialem aber verhindern.

Allerdings sind die Verhandler noch nicht soweit. Es gibt noch nicht einmal ein offizielles Papier, auf dem Vereinbarungen festgehalten wären. Man hatte die Verhandlungen über die Investitionen, wie es hieß, „vor die Klammer gezogen“, also als erstes geklärt. Die SPD dürfte ahnen, dass sie Merz nun auch entgegenkommen müssen wird, so wie er es bei den Investitionen tat. Das Sondervermögen Infrastruktur dürfte für die SPD noch einen spürbaren Preis bekommen.

Käme Deutschland mit diesem Plan an den EU-Schuldenregeln vorbei?

Die EU-Budgetregeln sind für die Berliner Pläne wahrscheinlich gar kein Hindernis. Sicher gilt das für die erheblich steigenden Verteidigungsausgaben, für die die neue Koalition die Schuldenbremse außer Kraft setzen will. EU-Kommissionspräsidentin hat schon auf der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigt, sie wolle die „nationale Ausweichklausel“ im EU-Stabilitätspakt ziehen, um Verteidigungsinvestitionen vom Pakt auszunehmen.

Die Klausel erlaubt es einem Mitgliedstaat, von dem mit der Kommission vereinbarten Nettoausgabenpfad für die kommenden Jahre nach oben abzuweichen. Voraussetzung für die Anwendung der nationalen Ausweichklausel ist das Vorliegen „außergewöhnlicher Umstände“, die sich der Kontrolle des Mitgliedstaats entziehen und erhebliche Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen des Mitgliedstaats haben. Die Kommission interpretiert den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine generell und vor allem den absehbaren Wegfall der US-Sicherheitsgarantien als solche außergewöhnlichen Umstände.

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Etwas weniger eindeutig ist die Lage beim geplanten deutschen Infrastrukturfonds. Ob er auch unter die Brüsseler Ausweichklausel fiele und deshalb durchgewunken würde, ist nicht per se gesagt. Entscheidend wäre wohl, inwieweit die geplanten Investitionen im weiteren Sinne einen Bezug zu Verteidigungsinvestitionen hätte. Von der Leyen hat in der Anwendung des Pakts „größtmögliche Flexibilität“ angekündigt. Sie hat das allerdings auf die Verteidigungsausgaben bezogen. Die Kommission würde sicher nicht zögern, Investitionen in Straßen, Eisenbahnlinien, Brücken, Energieleitungen oder Krankenhäuser zu billigen, weil diese einen Verteidigungsbezug haben (können). Für andere Vorhaben wäre es vermutlich weniger eindeutig.

Die Mitgliedstaaten müssen ein Aussetzen des EU-Stabilitätspakt für Verteidigungsausgaben noch billigen. Die meisten unterstützen aber von der Leyens Vorhaben. Die Kommissionschefin wird es ihnen auf dem EU-Sondergipfel an diesem Donnerstag vorschlagen, und aus den meisten Ländern wird Zustimmung erwartet. Ein Aussetzen des Regelwerks könnte schon in der kommenden Woche von den EU-Finanzministern beschlossen werden.