US-Wahlkampf: Harris‘ Kampf gegen die „Bidenflation“

Was sind eigentlich Kamala Harris‚ Pläne, würde sie im November zur Präsidentin der USA gewählt? Das fragte sich die US-amerikanische Öffentlichkeit, seit sie nach dem Rückzug Joe Bidens ihre Bereitschaft zur Kandidatur verkündet hatte. Bei Auftritten in den ersten 28 Tagen ihrer Kampagne hatte Harris aber lediglich Andeutungen gemacht. Bis jetzt. 

Am Freitag stellte die Präsidentschaftskandidatin der Demokraten erstmals konkrete Maßnahmen vor. Der Ort, den sie dafür wählte, war Raleigh in North Carolina, ein Bundesstaat, den 2020 Donald Trump gewonnen hatte und von dem die Demokraten nun hoffen, dass ihn Harris dieses Mal gewinnt.

Bewusst setzt Harris‘ Kampagne auf Wirtschaftspolitik als Thema Nummer eins. Das deckt sich mit den meisten Umfragen, in denen potenzielle Wähler wieder und wieder angeben, die Wirtschaft sei für sie die entscheidende Wahlgrundlage. Das Problem für Harris: Sie muss sich – zumindest ein Stück weit – von der Regierung distanzieren, deren Teil sie ja immer noch ist. Ihre Kampagne hat im Gegensatz zu der von Joe Biden aber offenbar eingesehen, dass es nicht hilft, die guten Statistiken zur Konjunkturentwicklung (zu der nach wie vor eine niedrige Arbeitslosigkeit, robustes Wachstum und eine nachlassende Inflation gehören) immer wieder herunterzubeten. Bei zu vielen Menschen im Land kommt das nicht an, auch weil sie ihre eigene persönliche Lage ganz anders empfinden. Auch das lässt für viele die Zeit vor der Pandemie im Rückblick entspannter und ökonomisch sicherer wirken – eine Zeit, in der Donald Trump im Weißen Haus saß.

Um also diesem Gefühl beizukommen, scheut Harris nicht vor ein paar Ideen zurück, die bis vor Kurzem geradezu als unamerikanisch galten. Sie übernimmt dafür sogar Vorschläge ihres Konkurrenten Donald Trump.

Harris will Inflation von Lebensmittelpreisen stoppen

Unter anderem will sie neue Bundesgesetze gegen Wucherpreise bei Lebensmitteln und anderen Alltagsprodukten. Schon länger wirft die Regierung von Biden und Harris Konsumgüterherstellern, Supermarktketten und Großschlachtereien vor, die in den vergangenen Jahrzehnten verstärkte Marktkonzentration zu nutzen, um Preise anzuziehen und Margen zu erhöhen. Die Störungen bei den Lieferketten während der Pandemie und beim Wiederanspringen der Wirtschaft seien oft nur vorgeschoben gewesen, behaupten sie. Untersuchungen von Verbraucherschützern zeigen, dass die Gewinne von Unternehmen in diesen Branchen nach der Pandemie deutlich gestiegen sind.

Wie ein solches Verbot exzessiver Preiserhöhungen allerdings genau aussehen soll, das ist noch unklar. Zwar gibt es in 34 Bundesstaaten bereits Bestimmungen gegen Wucherpreise, sie beziehen sich jedoch auf Notlagen. Auch bei Medikamenten, die gegenüber dem Rest der Industrieländer fast dreimal so teuer sind, will Harris Grenzen für die Hersteller setzen. So soll zum Beispiel die unter ihrer und Bidens Regierung eingeführte Obergrenze für Insulin von 35 Dollar pro Monat nicht nur für Patienten im Rentenalter gelten, sondern für alle Diabetiker im Land. Eingriffe in die Preisgestaltung von Unternehmen zu normalen Zeiten sind unter Ökonomen umstritten.

Doch unter aktuellen Voraussetzungen scheinen solche Eingriffe unter den Wählerinnen und Wählern immer beliebter. Das zeigt eine Umfrage von Blueprint, einer den Demokraten nahestehenden Forschungsinitiative. Der nach befürworten 81 Prozent der Befragten – über alle Parteipräferenzen hinweg – Strafen für Unternehmen, die Preise unnötig erhöhten, um Inflation zu bekämpfen.

Für Harris bietet der Vorstoß die Möglichkeit, sich von den als „Bidenflation“ verunglimpften Preissteigerungen der vergangenen Jahre zu distanzieren. Noch wichtiger: Statt so etwas Gesichtsloses wie Inflation zu bekämpfen, kann sie gierige Konzernlenker als Verursacher vorführen. Donald Trump reagierte prompt und erklärte, Harris sei eine Kommunistin und die Vorschläge würden zu Hyperinflation und Hunger führen.

Ihre Pläne gegen Wohnraumknappheit

Weniger überraschend sind Harris‘ Vorschläge, um Wohnungsknappheit zu bekämpfen. In ihrer ersten Amtsperiode will sie durch Steueranreize drei Millionen neue und bezahlbare Wohnungen bauen lassen. In dem Zeitraum ist das ambitioniert – und würde gleichzeitig nicht ausreichen.

Tatsächlich fehlen in den USA rund 4,5 Millionen Wohnungen, unter anderem weil nach der Finanzkrise 2008 über Jahre kaum neue Einheiten gebaut wurden. Die Zunahme an Wohnraum hält nicht mit dem Bevölkerungswachstum mit.