Urteil gegen David Bendels: Niemand muss nett zu Nancy Faeser sein
David Bendels ist kein Mann, den ich zum Abendessen einladen würde. Der Chefredakteur des rechtspopulistischen Onlinemagazins Deutschland-Kurier trat als Student in die CDU ein und ist seitdem immer weiter nach rechts abgedriftet. Mit dem „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ schuf er eine NGO, deren Hauptzweck die publizistische Unterstützung der AfD war. Es mutet wie ein schlechter Witz an, dass nun ein Urteil gegen Bendels gerade seinen Kritikern Anlass geben muss, sich um die Rechtsstaatlichkeit und die Freiheiten der Bürger in Deutschland Sorgen zu machen.
Am 7. April verurteilte das Amtsgericht Bamberg Bendels zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt wurde. Grund war ein Bild von Nancy Faeser, das Bendels auf dem X-Kanal seines Deutschland-Kuriers gepostet hatte. Im Bild hält die Bundesinnenministerin ein Schild mit der Aufschrift: „Ich hasse die Meinungsfreiheit“. Es handelt sich um die Verfremdung eines vom Innenministerium zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus geposteten Fotos. In Wirklichkeit stand auf dem Schild nämlich: „We Remember.“
Gerade dieses Foto derart umzufunktionieren, ist geschmacklos und provozierend. Der Innenministerin eines demokratischen Staates zu unterstellen, sie hasse die Meinungsfreiheit, ist dumm und gemein. Aber strafbar? Zum Glück sind weder Geschmacklosigkeit noch Dummheit, Gemeinheit noch Provokation strafbar. Sie sind, ob man das gut findet oder nicht, seit jeher Teil des politischen Geschäfts.
Nehmen wir nur die Angriffe der CDU und CSU gegen den SPD-Mann Willy Brandt im Bundestagswahlkampf 1961. Da giftete Bundeskanzler Konrad Adenauer gegen „Herrn Brandt alias Frahm“, eine Anspielung darauf, dass Brandt als unehelicher Sohn einer Verkäuferin im schwedischen Exil seinen Namen geändert hatte. Der CSU-Chef und Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß machte das Exil selbst zum Problem: „Was haben Sie zwölf Jahre lang draußen gemacht? Wir wissen, was wir drinnen gemacht haben.“ Der CSU-Bundestagsabgeordnete Richard Jaeger schreckte nicht davor zurück, den SPD-Chef mit dem Chef der NSDAP zu vergleichen und meinte, es „gelüste“ Brandt, „wie weiland Adolf Hitler, dessen Familienname eigentlich Schicklgruber war, unter einem fremden Namen in die Weltgeschichte einzugehen“.
Das Gericht hat falsch geurteilt
Keine dieser widerlichen Schmähungen wurde gerichtlich geahndet. Und das Wahlvolk blieb letztlich davon unbeeindruckt: Brandt wurde 1969 Bundeskanzler.
Dass Sozialdemokraten ein gestörtes Verhältnis zur Freiheit hätten, wie das gefälschte Faeser-Bild suggeriert, gehört seit jeher ins Schmäh-Arsenal ihrer Kritiker. Beginnend etwa mit Karl Marx, der in seiner Kritik des Gothaer Programms der Sozialdemokratie schrieb, es sei „durch und durch vom Untertanenglauben der Lassalleschen Sekte an den Staat verpestet“. Man könnte also sagen, dass Bendels im marxschen Geist der Innenministerin einen „Untertanenglauben“ unterstellt.
Ist das nun eine „Verleumdung“ im Sinne des Paragrafen 187 Strafgesetzbuch? Dort heißt es: „Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Der Spiegel kommentiert: „Tatsächlich hat das Gericht also vergleichsweise milde geurteilt.“ Nein. Das Gericht hat falsch geurteilt. Denn Bendels unterstellt keine „unwahre Tatsache“ über die Innenministerin; er stellt eine Vermutung über ihre politischen Beweggründe – über ihren „Untertanenglauben“ – an.
Und das ist gegenüber Personen des öffentlichen Lebens erlaubt und muss erlaubt bleiben, auch wenn sich Nancy Faeser, die von der Polizei auf das Foto aufmerksam gemacht wurde und Strafantrag stellte, dadurch geschmäht oder verleumdet fühlt.