Früherer Bundeskanzler: Helmut Kohl ließ offenbar Zitate zur deutschen Einheit streichen

Der frühere Bundeskanzler
Helmut Kohl hat einem Medienbericht zufolge noch während seiner Regierungszeit dafür gesorgt,
dass Zitate aus Verhandlungen über die deutsche Einheit 1990 nicht
veröffentlicht wurden. Das geht aus einem Bericht des Spiegels hervor, der sich auf Akten des Bundesarchivs beruft. Es geht um Fehleinschätzungen
und kritische Urteile Kohls in Gesprächen mit ausländischen Politikern.

Die bislang
unbekannten Zitate stammen aus Dokumenten, die Kohl vor der Bundestagswahl 1998
in einer „Sonderedition Deutsche Einheit“ der Bundesregierung
veröffentlichen ließ. Sie enthielt Hunderte Schlüsseldokumente zur Einheit und
sorgte weltweit für Aufsehen. Allerdings wurden laut Spiegel in
mehreren Dutzend Fällen einzelne Wörter, Sätze oder auch längere Passagen aus
den Papieren ausdrücklich „nicht freigegeben“.

Kohl schloss Unabhängigkeit der Ukraine aus

Kohl hatte demnach über den tschechoslowakischen Präsidenten Václav Havel gesagt, dieser verstehe
„von Politik im Detail nichts“ und solle als Staatschef der Tschechoslowakei
besser nur eine „Übergangszeit“ amtieren. Doch Havel wurde nach dem Zerfall der
Tschechoslowakei 1993 auch noch Präsident Tschechiens und residierte bis 2003
auf der Prager Burg – da war Kohl längst abgewählt.

Auch im Fall der Ukraine, die 1990 noch zur Sowjetunion zählte, lag Kohl
daneben. Die Ukraine sei „ein Herzstück des Landes“, seine
Unabhängigkeit sei ausgeschlossen, sagte Kohl damals zu
Frankreichs Staatspräsidenten François Mitterrand. Knapp zwei Jahre
später war die Sowjetunion zerfallen, und die Ukraine hatte ihre
Souveränität erlangt.

Im Einheitsjahr sorgte auch das Verhältnis zwischen Deutschland und Polen für Schwierigkeiten. Kohl hatte der katholischen Kirche Polens und ihrem Primas
Jozef Glemp vorgeworfen, Stimmung gegen die Einheit
und die deutsche Minderheit in Polen zu machen. Glemp und die
Bischöfe spielten eine „ungute Rolle“, sagte der Kanzler laut Bericht. Kohl hat nach eigenen Angaben sogar Papst Johannes Paul II. darauf angesprochen. In der Sonderedition findet sich dem Bericht zufolge dazu nichts, „die entsprechenden Passagen blieben vertraulich“.

Kohl war von 1982 bis 1998 der sechste Bundeskanzler der Bundesrepublik. 2017 ist er gestorben.