Uniper testet Wasserstoffspeicher in Ostfriesland: Test für jedes dasjenige Wundergas

Die Höhle ist riesig, und in ihr will Uniper eine seiner größten technischen Aufgaben stemmen. Denn hier wird der Energiekonzern in absehbarer Zeit testweise grünen Wasserstoff speichern. An diesem Montag stellte das Unternehmen, das sich aktuell fast komplett in Staatshand befindet, eine unterirdische Pilotanlage in einem ostfriesischen Salzstock vor. „Mit einem Volumen von rund 500.000 Normkubikmetern grünem Wasserstoff wird dieser Speicher einer der ersten seiner Art sein“, sagte der Vorstandsvorsitzende von Uniper, Michael Lewis, am Montag vor Pressevertretern und dem niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies (SPD). Er sprach von „echter Pionierarbeit“.

Obwohl das Projekt nur ein Test ist, könnte es entscheidend für die Energiewende sein, deren wunder Punkt fehlende Lagerstätten sind. Während sogenannter Dunkelflauten etwa könnte gespeicherter Wasserstoff rückverstromt werden. Auch die Industrie braucht die grünen Moleküle dringend. „Wasserstoffspeicher sollen im künftigen Energiesystem mehrere wichtige Funktionen erfüllen“, sagt Jan Hendrik Kopp, der sich am Energiewirtschaftlichen Institut (EWI) in Köln intensiv mit dem Gas befasst. „Erstens sollen sie Angebot und Nachfrage ausgleichen. Zweitens können sie dafür genutzt werden, andere Kapazitäten im Energiesystem effizienter zu dimensionieren, zum Beispiel Pipelines oder Importterminals. Und drittens tragen sie dazu bei, beispielsweise Industrie und Kraftwerke zuverlässig mit Wasserstoff zu versorgen.“

Test über zwei Jahre

Zwei Jahre lang möchte Uniper nun im niedersächsischen Krummhörn auf Basis einer sowieso schon vorhandenen Bohrung unter realen Bedingungen untersuchen, wie die technischen Geräte und das Material mit Wasserstoff zurechtkommen. Das soll in einer sogenannten Salzkaverne passieren, das ist eine Formation aus Salzstein, die das Unternehmen zu einer Art Höhle umgebaut hat, um sie mit Wasserstoff befüllen und diesen darin lagern zu können. Viele Fragen sind dabei noch offen, wie Lewis auch in seiner Eröffnungsrede sagte. Zum Beispiel die Frage, welche Qualität der gespeicherte Wasserstoff haben wird, aber auch Fragen rund um Thermodynamik und Gebirgsmechanik.

In der Nähe der Kaverne soll das geplante Wasserstoffkernnetz vorbeiführen und den Weitertransport des Gases ermöglichen. Uniper investiert in das Projekt einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag, das niedersächsische Umweltministerium fördert den Speicher mit rund 2,4 Millionen Euro. In rund einem Monat soll er den entscheidenden Dichtheitstest durchlaufen, kündigte Michal Lewis bei der Eröffnung der Anlage an.

Zum ersten Mal befüllt werden soll die Kaverne im kommenden Jahr. Es werde erwartet, dass bis dahin eine noch ausstehende Genehmigung erteilt sei, heißt es von Uniper. Nach Angaben des technischen Leiters der Uniper-Gasspeichersparte, Frank Holschumacher, wird für die Befüllung grüner Wasserstoff verschiedener Hersteller verwendet, der mit Tankwagen angeliefert werden soll. Im kommenden Jahr will Uniper auch eine Demonstrationsanlage mit gespeichertem Wasserstoff betreiben und verschiedene Ein- und Ausspeicherzyklen testen.

Uniper sieht sich als Vorreiter

Sollte sich die Wasserstoffspeicherung nach der zweijährigen Testphase wirtschaftlich lohnen, will Uniper die Kaverne für eine kommerzielle Nutzung vergrößern. Das sogenannte Aussolen wird laut Holschumacher voraussichtlich drei bis fünf Jahre dauern. Die nutzbare Menge liege dann bei 250 Gigawattstunden Wasserstoff. Für das Aussolen dieser neuen Kaverne rechnet er mit Kosten in Höhe von 350 Millionen bis 500 Millionen Euro. Uniper ist schon heute Deutschlands größter Erdgasspeicherbetreiber und sieht sich als eines der Vorreiterunternehmen beim Aufbau einer europäischen Wasserstoffwirtschaft. Der Energiekonzern plant in anderen Ländern große Projekte – aber auch in Deutschland, nicht weit von Krummhörn entfernt. In Wilhelmshaven etwa baut Uniper einen großen Elektrolyseur zur Erzeugung von Wasserstoff mit einer Kapazität von einem Gigawatt. Er soll Ende dieses Jahrzehnts fertig werden.

Ebenfalls in Wilhelmshaven will Uniper ein Terminal errichten, um importiertes grünes Ammoniak in Empfang zu nehmen. Grünes Ammoniak kann zu grünem Wasserstoff umgewandelt werden. Generell soll der Großteil des Wasserstoffs in den kommenden Jahren aus dem Ausland kommen. Wie viele Speicher in Zukunft genau benötigt werden, ist in der Forschung noch nicht ganz klar. Das Bundeswirtschaftsministerium weist für Europa einen Bedarf von 7 bis 13 Terawattstunden im Jahr 2030 und 243 bis 412 Terawattstunden im Jahr 2045 aus – die Spannweiten sind also noch sehr groß. Zum Vergleich: In Deutschland lassen sich heute 286 Terawattstunden Erdgas speichern. Allerdings verfügt wohl nur ein kleiner Teil der Erdgaskavernen über das Potential, für die Speicherung von Wasserstoff umgerüstet werden zu können.

Deshalb müssen viele Untertagespeicher in den kommenden Jahren neu gebaut werden. Grundsätzlich geht das in Kavernen – wie bei Uniper in Ostfriesland – oder in porösem Gestein. Letzteres testet Uniper seit einigen Monaten im bayerischen Bierwang. „Während bei Porenspeichern noch weiterer Forschungsbedarf besteht, zeigt die Forschung, dass sich Salzkavernen für die Speicherung von Wasserstoff eignen“, sagt Kopp. Bei den Kavernenspeichern werden die riesigen Hohlräume, in denen das Gas hinterher gespeichert wird, künstlich in Salzstöcke gespült. Gerade in Nord- und Mitteldeutschland ist das geologische Potential dafür groß, mehr als 40 Prozent der potentiellen Lagerstätten in Europa befinden sich hierzulande.

So erprobt auch der Energieversorger EWE den Betrieb eines solchen Kavernenspeichers schon seit 2019 in Rüdersdorf bei Berlin. Auch RWE experimentiert im westfälischen Gronau-Epe mit der Umrüstung einer Kaverne, die 2026 in Betrieb genommen werden soll. „Salzkavernen haben den Vorteil, dass sie gasundurchlässig sind, sodass der Wasserstoff nicht in andere Gesteinsschichten entweichen kann“, sagt Kopp. „Die Salzstruktur hat kein erhöhtes Risiko für Verunreinigungen des Wasserstoffs. Außerdem eignen sich Kavernen für schnelles Ein- und Ausspeichern von Wasserstoff.“ Eine Schwierigkeit könne aber die Entsorgung der Salzsole sein, die bei der Herstellung der Kaverne entsteht.

Das Bundeswirtschaftsministerium will bis zum Jahresende eine Strategie für den Umgang mit Wasserstoffspeichern vorgelegt haben. Die Branche erhofft sich davon Hinweise, wie Planungs- und Genehmigungsverfahren künftig beschleunigt werden können. Derzeit dauert die Umwidmung eines Gasspeichers auf Wasserstoff mehr als sechs, der Neubau sogar zehn Jahre, schätzt der Speicherverband Ines.