Ukrainekrieg: Südkorea erwägt erstmals Waffenlieferungen an die Ukraine
Angesichts der Berichte, wonach Nordkorea Tausende Soldaten nach Russland entsenden wolle, damit sie im Ukrainekrieg eingesetzt werden können, überdenkt Südkorea seine Unterstützungspolitik für die Ukraine. Erstmals könnte die Regierung in Seoul Waffen an die Ukraine liefern, berichten die Nachrichtenagenturen Reuters und Yonhap unter Verweis auf Regierungs- und Sicherheitskreise.
„Wir
würden als Teil der schrittweisen Szenarien die Lieferung von Waffen zu
Verteidigungszwecken in Betracht ziehen“, sagte ein Vertreter des
südkoreanischen Präsidentenamts der Nachrichtenagentur Reuters. „Und wenn es
den Anschein hat, dass sie zu weit gehen, könnten wir auch einen
offensiven Einsatz in Betracht ziehen.“
Südkorea hat bisher keine Waffen geliefert, 2023 allerdings Hunderttausende
Artilleriegranaten in die USA geschickt – die dafür wiederum eigene
Munition im gleichen Umfang der Ukraine überließen. Direkt an die
Ukraine lieferte Südkorea bislang nicht tödliches Material, etwa
Ausrüstung zur Minenräumung. Wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtet, prüft die Regierung in Seoul nun zunächst, Flugabwehrsysteme zu liefern.
Auch Personal wolle Südkorea möglicherweise entsenden, berichtet Yonhap weiter: Eine Gruppe aus Militärs und Geheimdienstlern
solle „Taktiken und Kampffähigkeit“ von nordkoreanischen Spezialkräften,
die aufseiten Russlands kämpfen könnten, studieren. Zudem könnten
Angehörige der Mission nordkoreanische Soldaten, sollten sie in
ukrainische Kriegsgefangenschaft geraten, befragen.
Nordkorea soll bis zu 12.000 Soldaten stellen wollen
Die Ukraine warnt seit Anfang Oktober davor, Nordkorea wolle Russland nach monatelangen Waffen- und Munitionslieferungen in großem Umfang nun auch mit Truppen unterstützen. Vergangenen Freitag bestätigte der südkoreanische Geheimdienst die ukrainische Anschuldigung. Demnach soll Russland bereits mehr als 1.500 Soldaten der nordkoreanischen Spezialkräfte mit Kriegsschiffen auf russisches Gebiet gebracht haben.
Die Ukraine und Südkorea gehen davon aus, dass der Norden Russland mit etwa 12.000 Soldaten unterstützen wolle. Ihre Anschuldigungen belegen sie mit Satellitenbildern, die russische Kriegsschiffe beim mutmaßlichen Transport der Soldaten nach Russland zeigten, sowie Fotos nordkoreanischer Militärs, die in Russland entstanden sein sollen.
Zudem veröffentlichte die Ukraine ein Video, das aus Russland stammen soll und in dem gezeigt wird, wie die mutmaßlichen Nordkoreaner russische Militäruniformen erhalten. Auch Südkoreas Geheimdienst teilte mit, dass die Soldaten aus dem Norden als Truppen aus den fernöstlichen Gebieten Russlands ausgegeben werden sollten. In einem anderen Video, das mutmaßlich auf einem russischen Militärstandort in der Nähe der nordkoreanischen Grenze aufgenommen wurde, soll laut Medienberichten nordkoreanischer Dialekt unter den darin aufgenommenen Soldaten zu hören sein.
Russland und Nordkorea dementieren, USA und Nato besorgt
Das Außenministerium in Seoul berief am Montag Russlands Botschafter ein, um Protest gegen den mutmaßlichen Einsatz der Nordkoreaner auszudrücken. Dieser bestätigte die Anschuldigungen nicht, sondern sagte lediglich, die Zusammenarbeit Russlands mit Nordkorea sei nicht gegen Südkorea gerichtet.
Auch Nordkorea dementierte die Berichte aus Südkorea und der Ukraine. Es handle sich um „unbegründete Gerüchte“, sagte der
nordkoreanische Vertreter bei den Vereinten Nationen in New York. Die
Anschuldigungen zielten demnach darauf ab, „dem Ansehen der
Demokratischen Volksrepublik Korea zu schaden und die legitimen und
freundschaftlichen Beziehungen zwischen zwei souveränen Staaten zu
untergraben“, sagte er. Damit dürfte die im Sommer geschlossene
Vereinbarung über eine militärische Zusammenarbeit Nordkoreas und Russlands gemeint sein.
Der Nato-Generalsekretär Mark Rutte und der UN-Botschafter der USA haben angesichts der Berichte ihre Besorgnis über eine weitere Eskalation des Krieges ausgedrückt. Allerdings hätten bisher weder die Nato noch die USA die Anschuldigungen mit eigenen geheimdienstlichen Erkenntnissen bestätigen können.
Was jetzt? – Der Nachrichtenpodcast:
Russland und Nordkorea: Waffenbrüder in der Ukraine?
Ukraine erwartet Einsatz nordkoreanischer Verbände ab November
Der US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW), der den Kriegsverlauf in der Ukraine täglich analysiert, konnte die Anschuldigungen zunächst ebenfalls nicht selbst verifizieren. Allerdings teilte er mit, keinen Grund für Zweifel an ihnen zu sehen. Das ukrainische Militär hatte seinerseits bereits Anfang Oktober berichtet, mehrere nordkoreanische Soldaten bei einem Angriff in der Ostukraine getötet zu haben. Für diese Angaben gibt es bislang aber keinen unabhängigen Beleg. Der ukrainische Militärgeheimdienst HUR geht davon aus, dass Tausende nordkoreanische Soldaten bereits ab November im Krieg eingesetzt werden könnten.
Falls sich die Berichte zweifelsfrei bestätigen sollten, wäre es das erste Mal, dass ein Drittstaat mit der Entsendung eigener Truppen direkt am Krieg teilnimmt. Waffen liefert Nordkorea hingegen schon seit Monaten: Das russische Militär setzte bei Angriffen auf die Ukraine nordkoreanische ballistische Raketen ein, zudem stammt inzwischen ein beträchtlicher Teil der von Russland verfeuerten Artilleriemunition aus nordkoreanischen Beständen.
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Angesichts der Berichte, wonach Nordkorea Tausende Soldaten nach Russland entsenden wolle, damit sie im Ukrainekrieg eingesetzt werden können, überdenkt Südkorea seine Unterstützungspolitik für die Ukraine. Erstmals könnte die Regierung in Seoul Waffen an die Ukraine liefern, berichten die Nachrichtenagenturen Reuters und Yonhap unter Verweis auf Regierungs- und Sicherheitskreise.
„Wir
würden als Teil der schrittweisen Szenarien die Lieferung von Waffen zu
Verteidigungszwecken in Betracht ziehen“, sagte ein Vertreter des
südkoreanischen Präsidentenamts der Nachrichtenagentur Reuters. „Und wenn es
den Anschein hat, dass sie zu weit gehen, könnten wir auch einen
offensiven Einsatz in Betracht ziehen.“