Türkei: Tausende vormachen gegen Absetzung von türkischem Oppositionschef

In der türkischen Hauptstadt
Ankara haben Zehntausende Menschen gegen die drohende Absetzung
des Chefs der größten Oppositionspartei demonstriert
. Sie
forderten den Rücktritt von Präsident Recep Tayyip Erdoğan, wie auf Live-Aufnahmen zu erkennen war. Viele schwenkten
türkische Flaggen sowie Transparente mit Slogans der Republikanischen Volkspartei (CHP). 

Am Montag wird ein
Gericht entscheiden, ob Özgür Özel als CHP-Chef abgesetzt werden soll. Die
Anklage wirft der CHP Verfahrensfehler bei der Wahl Özels vor
zwei Jahren vor. Sollte das Gericht die Wahl Özels annullieren,
könnte es einen Treuhänder ernennen, um die CHP zu leiten. Der frühere Parteichef Kemal Kılıçdaroğlu könnte so wieder eingesetzt werden, der
bei der Präsidentenwahl gegen Erdoğan verloren hatte.

„Was hier geschieht, ist ein Putsch“

Özel warf bei der Kundgebung der Regierung vor,
demokratische Regeln zu missachten, um sich nach den Siegen der
Opposition bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr an der
Macht zu halten. Er forderte zudem vorgezogene Parlamentswahlen.
„Dieser Fall ist politisch. Die Anschuldigungen sind
Verleumdung“, sagte Özel. „Was hier geschieht, ist ein Putsch.
Wir werden Widerstand leisten.“

Hunderte Mitglieder der CHP wurden bereits wegen angeblicher
Korruption und Verbindungen zum Terrorismus in Untersuchungshaft
genommen. Unter ihnen ist auch der wichtigste politische Gegner von Präsident Erdoğan, der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu. Dessen Verhaftung im März hatte die größten Proteste
im Land seit einem Jahrzehnt ausgelöst. 

Zuletzt hatte ein Gericht in Ankara die Absetzung der Istanbuler Führungsspitze der CHP rückgängig gemacht. Mit dem
Richterspruch sei eine anderslautende Entscheidung eines Istanbuler
Gerichts aus der vergangenen Woche „definitiv aufgehoben worden“, hatte Özel gesagt. 

Demonstranten bejubeln inhaftierten Oppositionellen İmamoğlu

In einem Brief aus dem
Gefängnis, der bei der Kundgebung verlesen wurde, schrieb İmamoğlu, die Regierung versuche, den Ausgang der nächsten Wahl
vorwegzunehmen, indem sie legitime Konkurrenten ins Abseits
stelle. „Die Ära des ‚Ich‘ in diesem Land wird enden, und die
Ära des ‚Wir‘ wird beginnen“, hieß es in dem Schreiben. Die Demonstrierenden applaudierten und riefen „Präsident İmamoğlu“.

Regierungstreue Vertreter der türkischen Justiz gehen seit Monaten
verstärkt gegen die CHP vor, die bei den Kommunalwahlen im vergangenen
Jahr deutlich vor Erdoğans AKP gelandet war.