Thyssenkrupp in welcher Krise: Riesiger Druck hinaus Stahlsparte

Der Streit zwischen der Thyssenkrupp AG und den Stahl-Arbeitnehmern ist vor der anstehenden Aufsichtsratssitzung der Stahlsparte des Industriekonzerns weiter eskaliert. Am Dienstag, nur zwei Tage vor der Sitzung, verschickten die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat eine „gemeinsame Erklärung“, in der sie ihre „Sorge“ äußern, dass die Arbeitnehmerseite die Stimmung übermäßig anstachele.

In der Sitzung am Donnerstag soll eigentlich eine Zwischenfinanzierungsvereinbarung für den Stahlbereich verabschiedet werden, doch derzeit ist unklar, ob es dazu kommen wird oder ob es ausschließlich um den sich immer weiter drehenden Streit zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft und zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbank gehen wird. Die Auseinandersetzung dreht sich unter anderem um einen Businessplan, der den kränkelnden Stahl wieder profitabel machen soll und um die finanzielle Mitgift des Konzerns an seine Tochtergesellschaft im Zuge ihrer Verselbständigung.

Von persönlichen Anfeindungen ist die Rede

In dem Statement aller zehn Anteilseignervertreter der Thyssenkrupp AG heißt es, man verurteile insbesondere „die emotionale Aufladung und teils gezielt verletzende Verunglimpfungen und persönliche Anfeindungen. Wir fordern die Verantwortlichen auf, die Situation nicht weiter aufzuheizen, jegliche Gefahren für die Sicherheit von Menschen und Anlagen zu vermeiden und die Mitarbeitenden nicht in völlig unangemessener Weise zu verunsichern, indem der Eindruck massenhaft drohender individueller Arbeitsplatzverluste vermittelt wird.“

Unterschrieben ist das Papier von allen 10 Anteilseignervertretern, darunter sind auch der Aufsichtsratsvorsitzende Siegfried Russwurm und Ursula Gather, Chefin der Krupp-Stiftung – der größten Einzelaktionärin der Thyssenkrupp AG.

Verkehrschaos vor dem Stahlwerk

Zuvor hatten Arbeitnehmervertreter abermals sogenannte mobile Betriebsratsbüros vor Werkstoren von Thyssenkrupp Steel in Duisburg angeboten – schon zum zweiten Mal.

Der Andrang dort war anscheinend so groß, dass er einer Demonstration gleichkam, wie sich auf der Internetseite der Duisburger Verkehrsgesellschaft nachlesen ließ, die angesichts der chaotischen Verkehrslage eine Straßenbahnlinie zeitweise unterbrechen musste.

Weil die Thyssenkrupp AG weitere Proteste in Verbindung mit der Sitzung am Donnerstag befürchtet und sich um die Sicherheit der Teilnehmer vor der Zentrale in Duisburg sorgt, überlegen die Thyssenkrupp-Vorstände Miguel López, Volkmar Dinstuhl und Jens Schulte, an dem Treffen nur virtuell teilzunehmen, sagte ein Thyssenkrupp-Sprecher der F.A.Z.

Die Thyssenkrupp AG versucht im Zuge der Verselbständigung ihrer Stahl-Tochtergesellschaft zu einer Einigung mit der Sparte über eine Sanierung zu gelangen, die den Stahl wieder langfristig profitabel macht. Weil die Einigung zunächst nicht gelang, sollen nun Wirtschaftsprüfer ein unabhängiges Gutachten erstellen. Konzernchef Miguel Lopez will die Produktionskapazitäten wegen der schwachen Nachfrage reduzieren und das Stahlgeschäft in ein 50:50-Joint Venture mit der Energieholding des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky auslagern.

Die Stahlsparte benötige rasch unvermeidliche Restrukturierungen, heißt es weiter in dem Schreiben. „Die Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat unterstützen den Vorstand der Thyssenkrupp AG unter Führung von Miguel Lopez voll und ganz in seinem darauf ausgerichteten Handeln.“

Debatte über Kapazitätsreduktion

Die IG Metall fürchtet eine weitere Kapazitätssenkung der Stahlproduktion und damit verbundene massive Arbeitsplatzverluste. Sie kolportierte zuletzt, dass rund 10.000 Stellen auf dem Spiel stünden, wenn die Produktion noch weiter gesenkt würde.

In der Diskussion ist derzeit eine Kapazitätsreduktion auf 9 bis 9,5 Millionen Tonnen Stahl jährlich. Aus technischen Gründen, so argumentieren die Arbeitnehmervertreter würde eine noch weitere Senkung der Kapazitäten zu einer „Halbierung“ der Stahlproduktion führen, da sich Hochöfen nicht einfach teilweise abschalten ließen, sondern ganz oder gar nicht betrieben werden könnten. Die Thyssenkrupp AG hatte darauf zuletzt geantwortet: „Eine konzernseitige Planungsvorgabe zum Betriebspunkt gab und gibt es nicht.“ Beschwichtigen konnte das die Arbeitnehmervertreter kaum.

Die Gewerkschaft wies am Dienstag die Vorwürfe der Anteilseigner klar zurück. „Die Erklärung ist der offensichtliche Versuch, Ursache und Wirkung umzudrehen und sich vor der Verantwortung wegzuducken“, schrieb Jürgen Kerner, Zweiter Vorsitzender der IG Metall und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Thyssenkrupp AG, in einem seinerseits verschickten Statement. „Das ist billig und stillos. Nicht wer ,Feuer‘ ruft, ist für den Brand verantwortlich, sondern wer das Feuer legt.“

Kerner bezeichnete die im Schreiben der Aufsichtsräte erwähnten „Gefahren für die Sicherheit von Menschen und Anlagen“ als „herbeiphantasiert“ und nannte das „ungeheuerlich“. Richtig sei, dass die Beschäftigten „zutiefst verunsichert“ seien. „Die Arbeitnehmerseite hat eine nötige Restrukturierung nie in Frage gestellt“, heißt es weiter.