Thyssenkrupp: „Existenzbedrohend“ – Chef warnt vor dem Stahl-Untergang – WELT

Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez sieht die Stahlsparte seines Konzerns als Belastung und kündigt harte Einschnitte für das Segment an. „Der Stahl ist der Ursprung unseres Konzerns. Er hat eine stolze Vergangenheit – aber auch eine sehr unsichere Zukunft“, sagte der Manager vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf (WPV). „Die Lage ist kritisch und ohne entschlossenes Gegensteuern kann sie schnell existenzbedrohend werden.“

Auch Thyssenkrupp insgesamt befinde sich durch die Probleme im Stahl in stürmischer See – „mit allen damit verbundenen Gefahren“, wie Lopez sagte. „Wir müssen wieder in ruhiges Fahrwasser kommen, zumal schon viel zu lange gewartet wurde.“ Dabei helfen soll ein Teilverkauf der Stahlsparte an die EP Corporate Group (EPCG) des tschechischen Milliardärs Daniel Křetínský. Zunächst werden 20 Prozent der Anteile abgegeben, das hat der Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG kürzlich gegen die Stimmen der Arbeitnehmer entschieden. Entscheidend war dabei das Doppelstimmrecht des Vorsitzenden Siegfried Russwurm.

Später dann soll EPCG noch weitere 30 Prozent erwerben und mit Thyssenkrupp ein gleichberechtigtes 50/50-Joiunt-Venture gründen. Wohl auch, um die Stahl-Tochter, die nach Lopez‘ Worten seit dem Geschäftsjahr 2018/2019 rund drei Milliarden Euro an Free Cashflow verbrannt hat, nicht mehr in der Bilanz zu haben. Jedenfalls soll Steel Europe nach dem Teilverkauf an Křetínský nur noch als Beteiligung führen.

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Dass der Investoreneinstieg konfrontativ gegenüber dem Betriebsrat und der IG Metall beschlossen wurde, verteidigt Lopez mit Zeitdruck. „Wir brauchen eine nachhaltige Lösung – nicht irgendwann, sondern jetzt. Von allein wird die Situation nicht besser, im Gegenteil.“ Denn es gehe nicht um eine zwischenzeitliche Konjunkturflaute. „Wir haben in dem Bereich handfeste strukturelle Probleme.“ Und der Faktor Zeit spiele eine entscheidende Rolle. „Denn wenn wir jetzt nichts tun, riskieren wir weitaus mehr.“

Der Vorstand von Steel Europa um seinen Vorsitzenden Bernhard Osburg ist derweil angehalten, einen neuen Businessplan für den Bereich mit aktuell rund 27.000 Mitarbeitern zu erstellen. Wann das Ergebnis präsentiert wird, ist allerdings noch unklar. Lopez spricht stets von „so schnell wie möglich“. Klar ist aber, dass dieser Plan erhebliche Einschnitte umfassen wird. „Es geht um eine sehr große Veränderung“, betont der Thyssenkrupp-Chef, der vor fast genau einem Jahr Martina Merz an der Spitze des M-Dax-Unternehmens abgelöst hat.

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Angekündigt ist bislang nur eine deutliche Reduzierung der Produktionskapazitäten im Stammwerk in Duisburg. Ausgelegt ist Deutschlands größtes Stahlwerk für ein Produktionsvolumen von rund 11,5 Millionen Tonnen. Künftig sollen dort nur noch Anlagen mit einer Kapazität von rund neun Millionen Tonnen stehen.

Im Zuge dessen wird es dann auch zu einem „noch nicht bezifferbaren Abbau von Arbeitsplätzen“ geben, wie Thyssenkrupp Steel Europe bereits vor einigen Wochen mitgeteilt hat. „Der Plan wird die gesamte Zukunft des Stahls umreißen“, nennt Lopez seine Erwartungshaltung. Dabei gehe es sowohl um Kapazitäten und die Frage, auf welche Produkte und Kundengruppen man zukünftig fokussiert, als auch um die grüne Transformation.

Er könne die Sorgen der Beschäftigten gut verstehen. Thyssenkrupp sei aber noch mehr als Stahl. „Wir reden über einen Industriekonzern mit vielen verschiedenen Geschäftsfeldern und rund 100.000 Mitarbeitern. Davon arbeiten fast drei Viertel außerhalb des Stahlbereichs.“ Das Stahlgeschäft dürfe daher die anderen Geschäfte des Konzerns nicht weiter belasten. „Es muss sich, wie alle anderen Segmente auch, aus eigener Kraft tragen.“

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Einschnitte drohen aber auch in anderen Bereichen. Dort ist die Performance nämlich auch schlechter als nötig. „Hinter der Strahlkraft unserer Marke steht leider keine entsprechende finanzielle Leistungsstärke“, sagt Lopez. „Unsere Finanzen sind nicht da, wo sie sein sollten. In fast allen Geschäften liegen wir unter Wettbewerbsniveau.“

Das Sparprogramm Apex soll deswegen nochmal ausgeweitet werden. Bislang wurden über 4800 Maßnahmen identifiziert, die ein Ebit-Potenzial in Höhe von 1,8 Milliarden Euro bringen. Das aber reicht nach den Worten von Lopez nicht aus. „Da muss draufgesattelt werden.“

Source: welt.de