„Theodoros“ von Mircea Cărtărescu: Hier reimen die Engel

An Kühnheit fehlt es Mircea Cărtărescu nicht. Im Roman Solenoid von 2019 hatte er, auf der Basis des realen Elends in den letzten Jahren Ceauşescus, ein magisch-traumhaftes Rumänien entworfen, in dem vierdimensionale Würfel und eine große Zisterne vorkamen, in die durch geheimnisvolle Apparate alle Schmerzen von den Zahnarztstühlen Bukarests abgesaugt wurden. Es war ein verblüffender, ein aberwitziger Entwurf gewesen; ging aber von persönlichen Erfahrungen des Autors aus.

Nun, in Theodoros, erweitert er das Gesichtsfeld in Raum und Zeit. Cărtărescus neuer Roman berichtet, halb historisch, halb phantasmagorisch, vom Leben eines Mannes, der von bescheidensten Ursprüngen in der Walachei aufsteigt, erst zum gefürchteten Piratenkapitän in der Ägäis und endlich zum Kaiser von Abessinien, dem Kernland des heutigen Äthiopien. Den weiten Rahmen der Vorgänge bildet die christlich-orthodoxe Welt an der Peripherie des Osmanischen Reichs, das damals schon zu zerfallen begann. In seiner „Schlussbemerkung“ verrät Cărtărescu, dass dieses Buch stets sein eigentliches Wunschkind gewesen sei, an dessen Entstehung er leider lange gehindert wurde, mit der „faszinierenden Perspektive einer kontrafaktualen, fiktionalen, mythischen und archetypischen Geschichte“: Mit Fanfarenstößen entlässt er sein Werk in die Welt.