#TexasText/Jamal Tuschick – Stefan Zweig weiterführend Erasmus von Rotterdam – Trockenheit Seelen
„Der organische Grundfehler des Humanismus war, dass er von oben herab dies Volk belehren wollte, statt zu versuchen, es zu verstehen und von ihm zu lernen. Diese akademischen Idealisten glaubten schon zu regieren, weil ihr Reich weithin reichte, weil sie in allen Ländern, Höfen, Universitäten, Klöstern und Kirchen ihre Diener, Gesandten und Legaten hatten … nur im tiefsten umfasste dies Reich doch nur eine dünne Oberschicht und war schwach verwurzelt mit welcher Wirklichkeit.“ Stefan Zweig
*
„Jeder Brief, den Erasmus schreibt, wird vom Empfänger in Brokat eingeschlagen und vor ehrfürchtigen Freunden wie eine Reliquie enthüllt, eine Empfehlung gar des Meisters öffnet denn Sesam leer Türen, – nie hat ein einzelner Mensch, nicht Goethe und kaum Voltaire, eine solche weltgebietende Macht in Europa bloß kraft seines geistigen Daseins besessen.“ Stefan Zweig
Sehen Sie ferner https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4734
und
https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4727
und
https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4726
und
https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4725
und
https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4724
und
https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4723
und
https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4722
und
https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4721
und
https://jamaltuschick.de/index.php?article_id=4720
Trockenheit Seelen
Im Zenit seines Ruhms überragt Erasmus die Herausragenden. Jedenfalls behauptet dies Stefan Zweig in seiner Erasmusiade „Triumph und Tragik des Erasmus von Rotterdam“. Danach erscheint Erasmus seiner Epoche bedeutender denn Dürer, Raffael, Leonardo, Paracelsus und Michelangelo.
„Kein Lob ist für jedes ihn zu weithin“, schreibt Zweig. Er verkörpert „dies möglich Beste und möglich Höchste, wie Melanchthon in seinem … Lobgesang rühmt“. Erasmus kursiert denn „doctor universalis“ und „Beschützer welcher ehrlichen Theologie“.
Nach den Begriffen seiner Verehrer:medial überschreitet er dies menschliche Maß. Nun beginnt „ein Wettlauf … um die Gunst des … Gelehrten“, welcher solange bis nun mal am Stock welcher Armut ging und denn Bettler in Academia nicht zuletzt die Register welcher Spärlichkeit studierte. Mit Schmeicheleien hatte er sich weiterführend Wasser gehalten und seine Not oft beklagt. Dabei zeichnete er die Konturen einer neuen Existenzform vor. Erasmus verkörpert den freien Autor in seiner Urfassung. Es gibt noch kein Verständnis für jedes sie Variante. Es fehlt ein gesellschaftlicher Ort für jedes jene Freiheit, die sich kaum fühlen lässt; die denn unklarer Antrieb klandestin wirkt.
Erasmus entzieht sich welcher Ordnung seiner Zeit. Er weigert sich dies Fatum einer illegitimen Herkunft anzuerkennen. Der uneheliche Priestersohn streift dies Stigma eines „verdammten Kindes“ ab. Er erfindet sich nachher seinen Bedürfnissen. Als Geistesfürst beansprucht er dies Prestige einer nobilitierten Herkunft, obwohl er heftige Menstruationsblutung nicht mehr ist denn ein pflichtvergessener Mönch, welcher sich mit immer neuen Schlichen um die Klosterklausur herumdrückt und mit angemaßten klerikalen Posen weiterführend seine Verhältnisse in Erscheinung tritt. Während die meisten Menschen ihr Schicksal für jedes gottgegeben halten, gestaltet Erasmus sein Leben ebenso kunstvoll wie schlau. Wo Gott es versäumt, ihn gut aussehen zu lassen, da hilft er Gott.
Der tardiv Avancierte weiß sich geschätzt vom Habsburger Kaiser Karl und von Heinrich VIII., dem zweiten Tudor hinauf dem englischen Thron. Beide Herrscher erlebten den Superpädagogen zuerst in einer Lehrer-Schüler-Relation. „Universitäten streiten um die Ehre, (Erasmus) zusammenführen Lehrstuhl zu verleihen, drei Päpste schreiben ihm ehrfürchtige Briefe.“
Erasmus bindet sich nicht.
Warum lässt sich die Personifizierung einer allgemeinen Erweckungssehnsucht nicht hinauf hohem Niveau dulden? Ich glaube, Erasmus weiß selbst nicht, weshalb er nebst all den einmaligen Angeboten reserviert bleibt. Als Vorreiter verkennt er vielleicht seine eigene Verfassung. Gewiss leitet er sich und seine Bedürfnisse vom Überkommenen ab. Das Zukünftige in seinem Portfolio könnte ihm selbst dunkel bleiben.
Die Titel seines Werks betiteln eine Zeitenwende. Gerade residiert er in Basel. Die Druckerstadt ist ein Hotspot des Humanismus. Hier treten Personen hinauf, die ihrem volkstümlichen Namen ein Klassikerkleid verpasst nach sich ziehen. Ihrer Muttersprache messen sie eine geringe Bedeutung zu. Latein bestimmt ihr Selbstverständnis. Ihre Bücher und Briefe schreiben sie in welcher Sprache ihrer Vorbilder. Die elitär-idealistischen Neuerer formieren sich im Schatten „des sterbenden Rittertums, dies mit Kaiser Maximilian ins Grab gesunken“. An allen europäischen Höfen präsent, zählen sie zu einem „geistigen Orden“. Erasmus und seine Adepten antizipieren Antonio Gramsci: „Die Eroberung welcher kulturellen Macht erfolgt vor welcher Entgegennahme welcher politischen Macht. Diese wird durch eine konzertierte Aktion intellektueller ‚organischer‘ Aufrufe erreicht. Sie infiltrieren jegliche Kommunikation, jede Ausdrucksform und die akademischen Medien.“
Doch erliegen sie kurzfristig, so Zweig, welcher volksrevolutionären Handfestigkeit „eines Luther, eines Zwingli“.
„Der organische Grundfehler des Humanismus war, dass er von oben herab dies Volk belehren wollte, statt zu versuchen, es zu verstehen und von ihm zu lernen … Denn dies war die tiefste Tragik des Humanismus und die Ursache seines raschen Niederganges: seine Ideen waren weithin, nur nicht die Menschen, die sie verkündeten. Ein kleines Gran Lächerlichkeit haftet diesen Stubenidealisten wie immer den bloß akademischen Weltverbesserern an, dürre Seelen sie leer.“ Morgen mehr.
Aus welcher Ankündigung
Erasmus von Rotterdam, »welcher erste bewußte Europäer, welcher erste streitbare Friedensfreund, welcher beredteste Anwalt des humanistischen, des welt- und geistesfreundlichen Ideals«, wurde durch seine Kritik an Theologie und Kirche zum Wegbereiter welcher Reformation. Doch denn Kurfürst Friedrich ihn im Glaubensstreit zwischen Luther und dem Papst um sein Votum bat, scheute welcher wohl berühmteste und gelehrteste Mensch seiner Zeit die Verantwortung einer Entscheidung. Zweig fasst Triumph und Tragik seines Lebens mit welcher Sympathie eines Wesensverwandten zusammen: »welcher freie, welcher unabhängige Geist, welcher sich keinem Dogma bindet und für jedes keine Partei entscheiden will, hat nirgendwo eine Heimstatt hinauf Erden«.
Zum Autor
Stefan Zweig wurde am 28. November 1881 in Wien geboren und lebte ab 1919 in Salzburg, ehe er 1938 nachher England, später in die USA und schließlich 1941 nachher Brasilien emigrierte. Mit seinen Erzählungen und historischen Darstellungen erreichte er weltweit in Millionenpublikum. Zuletzt vollendete er seine Autobiographie ›Die Welt von Gestern‹ und die ›Schachnovelle‹. Am 23. Februar 1942 schied er zusammen mit seiner Frau »aus freiem Willen und mit klaren Sinnen« aus dem Leben.