#TexasText/Jamal Tuschick – Jamal Tuschick – Operettenhafte Großartigkeit
„Auf unseren Reisen durch die Welt stießen wir immer wieder auf Leichen im Besichtigungsangebot.“ Gabriele Koubek
*
„Im Kampf der Generationen verbünden sich die Enkel mit den Greisen.“ Jean-Paul Sartre
Trabantenhaft kreist Keno um Anton. Der Alte und sein Enkel existieren in einer Symbiose. Abgesehen von Ehefrau Betty gibt es nur eine Person, die Anton so nahekommt: Lieblingstochter Veronika.
Veronika ist ihrem Vater genauso ergeben wie Keno. Bis heute wagt es die promovierte Hausfrau noch nicht einmal heimlich, die operettenhafte Großartigkeit des kaum alphabetisierten Patriarchen lächerlich zu finden. Ein Aberglaube verbietet es ihr, Dinge auch nur zu erwägen, die der väterlichen Macht und Magie einen Verlust zufügen könnten.
„Ole O‘Cangaceiro / Wir reiten Tag und Nacht / Und wir hören in den Stürmen / Wie die ganze Hölle lacht.“ Helmut Zacharias
Täglich schlingert Veronika über ein territoriales Minenfeld. Die permanenten Machtergreifungen des Vaters geben ihren Manövern immer noch die Richtung vor. Als Mädchen trug Veronika die Uniformen seiner Leidenschaften. Sie changierte in den niedlichen und den zünftigen Varianten. Der Pflug von einem Mann, ewig in Breeches, wünschte sich die sportlichste seiner Töchter grenzenlos tüchtig. Veronika spielte den fehlenden Stammhalter. Wie irre uns das heute vorkommt. Ein Mann mit sieben Töchtern beklagt einen Mangel, der sich darin erschöpft, keinen Sohn zu haben.
Mit Veronika ging Anton zum teuersten Ausstatter und ins beste Fachgeschäft. Stets bemühte sich die Eigentümer persönlich um den hohen Besuch. Der gelernte Elektriker Anton bläute dem Stammhalterersatz ein erfundenes Standesbewusstsein ein. Er nahm Veronika mit, wenn einer seiner Pächter schlachtete. Die Bauern stießen mit Wein aus Flaschen ohne Etikette an. Eine genossenschaftliche Abfüllanlage stand neben der Raiffeisen-Filiale.
Die Lagerfeuer- und Bratapfelabende; Kommunionen von Rauch und Nachttau … und dem brünstigen Gerede der Zureiter, Hoferben und selbstständigen Handwerkern, die um die herangewachsenen Schwestern mal mehr und mal weniger willkommen herumscharwenzelten, bevor die Jungakademiker des Enzkreises Witterung aufnahmen und die Werbung auf ein anderes Niveau hoben. Fast alle Töchter des westfälischen Sturkopfs Anton sind mit württembergischen Leistungsträgern der ersten Kategorie verheiratet. Nur Kenos graustichige Mutter blieb ledig.