Suhrkamp Verlag: Z. Hd. Suhrkamp beginnt eine neue Zeitrechnung
Im vornehmen Berliner Stadtteil Nikolassee, an einem auenartigen Park, genannt Rehwiese, steht eine Villa von einschüchternder Imposanz. In ihr lebt Ulla Unseld-Berkéwicz, die Witwe des legendären Suhrkamp-Verlegers Siegfried Unseld. Manchmal, zu besonders feierlichen Anlässen, nutzt auch der Verlag die Prachtimmobilie und lädt Journalisten, Autoren und Freunde des Hauses dorthin ein. Ein solcher Anlass war vor zwei Wochen der 100. Geburtstag von Siegfried Unseld, der den Verlag zu einem kulturgeschichtlichen Monument der alten Bundesrepublik gemacht hatte und dessen Mythos bis heute fortlebt (Unseld selbst starb bereits 2002). Über Jahrzehnte gab es einfach keine vornehmere Institution als den Suhrkamp Verlag – von Max Frisch bis Hans Magnus Enzensberger, von Jürgen Habermas bis Peter Sloterdijk, von Niklas Luhmann bis Norbert Elias, von Gershom Scholem bis Amos Oz wurde hier alles verlegt, was zur intellektuellen Avantgarde gehörte. So links der Verlag in der überwiegenden Mehrzahl seiner Autoren war, so furchterregend elitär war er zur gleichen Zeit (in einem kleinen geschichtlichen Zeitfenster waren links und elitär tatsächlich einmal Synonyme). Noch bis in die Gegenwart hinein ist von diesem Air, das manche als erhaben, manche als prätentiös empfanden, etwas zu spüren.