SPD-Linke: Mit ein paar Milliarden ist die SPD nicht zu sichern

Die SPD-Linke hat sich also vorgenommen, die ohnehin schon schwierigen Haushaltsverhandlungen der Ampelregierung zu torpedieren. Das ist ihr gutes Recht, klug ist es nicht.  

Wie so oft, wenn die Partei unzufrieden ist, soll ihr eine Basisabstimmung zu neuem Selbstbewusstsein helfen: Am Freitagabend hat die Gruppe Forum DL21 ein sogenanntes Mitgliederbegehren beim Parteivorstand eingereicht, unterstützt von den Jusos und den SPD-Senioren. Das Ziel: Die Parteibasis soll ihren eigenen Kanzler dazu zwingen, im Haushalt 2025 auf keinen Fall die Ausgaben für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie, Bildung, Demokratie und Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen. Für die Wohnungspolitik, in die Infrastruktur, Kommunen und in den Klimaschutz soll die Ampel, so wollen es die Initiatoren, sogar mehr Geld ausgeben als bisher. 

Das ist das Gegenteil von dem, worum Scholz, sein strenger FDP-Finanzminister Christian Lindner und der grüne Vizekanzler Robert Habeck ringen. In ihren nächtelangen Verhandlungen geht es bekanntlich um einen harten Sparetat, denn im Haushalt für 2025 fehlen bis zu 40 Milliarden Euro. Und die Verhandlungen kommen offenbar so schlecht voran, dass jetzt schon gestreut wird, dass man doch nicht Anfang Juli fertig werden könnte.

„Schmeißt die FDP raus!“, wäre ehrlicher gewesen

Sicher ganz bewusst ist daher auch das Timing des SPD-Mitgliederbegehrens gewählt. Das Ergebnis der parteiinternen Abstimmung könnte genau in die heiße Phase der Haushaltsverhandlungen platzen, die sich im Herbst – sollten die Minister sich noch auf einen Etatentwurf einigen – in den Bundestag verlagern. Und wenn die SPD-Linke bis dahin wirklich die Kriterien für ein Mitgliederbegehren erfüllt und ihr dann die Mitglieder auch mehrheitlich folgen (wofür einiges spricht, weil vor allem die Jusos gut vernetzt sind), würden die Verhandlungsspielräume von Scholz und dem Parteivorstand weiter eingeschränkt.

Und nicht nur die: Ein solcher Entscheid würde es der SPD-Fraktion faktisch verbieten, einem Sparhaushalt zuzustimmen. Mehrausgaben gehen 2025 aber nur, wenn die Schuldenbremse aufgeweicht wird. FDP-Chef Christian Lindner ist strikt dagegen. 

Die SPD-Linke hätte ihr Begehren also nicht unbedingt mit „Unsere Demokratie nicht wegkürzen“ überschreiben sollen: „Schmeißt die FDP raus!“ wäre der ehrlichere Titel gewesen. 

In der SPD halten manche den Koalitionsbruch oder Neuwahlen inzwischen für den einzigen Weg, um aus der Umfragekrise zu kommen. Wenn die SPD der FDP die Tür weist und dann endlich sichtbar mehr Sozialpolitik macht, so die Überlegung, werden auch die Wählerinnen und Wähler zurückkommen. Doch das ist reichlich naiv. 

Die Krise der Sozialdemokratie geht viel tiefer. Natürlich, vielen Wählern gilt die SPD als zu pragmatisch und ignorant gegenüber den wahren Problemen im Land – doch das wird sich auch nicht ändern, wenn sie in den Verhandlungen ein wenig mehr Bürgergeld für alle und eine hohe Kindergrundsicherung herausschlägt. Es gibt kaum mehr Vertrauen in das aktuelle Spitzenpersonal. Da ist ja nicht nur der unbeliebte Kanzler, auch die Parteichefs Saskia Esken und Lars Klingbeil wirken wahlweise blass oder inhaltlich beliebig. Und der einst so schlagkräftige Anführer früherer Basisaufstände gegen die große Koalition, Kevin Kühnert, hat sich aus Sicht vieler in seinem Job als Generalsekretär vom Establishment einnorden lassen. Der SPD fehlt eine charismatische Führungsfigur, die die Vertrauenskrise abschütteln könnte. Da würden auch ein paar Milliarden Euro Mehrausgaben nicht helfen. 

Von sozialer Gerechtigkeit reden auch die Populisten gern

Hinzu kommt der Hype um die neue Partei von Sahra Wagenknecht: Noch jede sozialpolitische Forderung der SPD wird von Wagenknecht höchstpersönlich genüsslich übertrumpft. Mehr noch: Sie wildert damit und ihrer Forderung nach Friedensverhandlungen für die Ukraine erstaunlich erfolgreich im Lager ehemaliger Sozialdemokraten. Wagenknecht war zudem nie in Regierungsverantwortung, daher kommt sie mit ihrer Oppositionsfolklore durch; ihre Scharfzüngigkeit geriert verlässlichen Applaus, ein durchgerechnetes Konzept verlangt von ihr fast niemand.

Die SPD hingegen misst sich an der Umsetzbarkeit ihrer Vorschläge, intern nennen sie es „staatspolitische Verantwortung“. Natürlich sollte die Kanzlerpartei in den Haushaltsverhandlungen das Schlimmste – also sehr starke Sozialkürzungen – verhindern.  Mehr wird aber wohl nicht drin sein. 

Wer glaubt, die SPD mit diesem Mitgliederbegehren aus der Ampel zu führen und dann bei Neuwahlen als Partei der sozialen Gerechtigkeit wiederaufzuerstehen, der betreibt Harakiri. In unzufriedenen Zeiten wie diesen droht bei solchen Manövern vor allem der Populismus zu triumphieren. Zumal die Konflikte, die die SPD mit sich und ihrem Kanzler hat, jetzt noch offener daliegen als vorher. Und auf neuen Streit haben die Menschen nach bald drei Jahren Ampelmurks, pardon: wirklich keinen Bock mehr. Sie wollen, dass die Probleme gelöst werden.