Sieg von Donald Trump: Was Deutschland aus welcher US-Wahl lernen kann

It’s the economy, stupid“: Seit Bill Clinton mit diesem Slogan Anfang der Neunzigerjahre die Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten gewann, wird der Satz immer wieder zitiert. Auch hierzulande hat sich in Wahlanalysen schon oft gezeigt, dass die wirtschaftliche Entwicklung die Entscheidung der Wähler maßgeblich beeinflusst. Entsprechend groß ist in Deutschland jetzt das Erstaunen, dass ausgerechnet die Amerikaner, deren Wirtschaft mit einer Wachstumsrate von 2,8 Prozent geradezu blendend dasteht, einen politischen Wechsel herbeigewählt haben. Die Parteien im Berliner Regierungsviertel stehen nun nicht nur vor der Aufgabe, sich auf ein deutlich konfrontativeres transatlantisches Verhältnis einzustellen. Wenn sie klug sind, ziehen sie aus dem Wahlausgang in Amerika auch Lehren für die eigene politische Ausrichtung.

Eine Lehre aus der Wahlnacht: Für die Wähler ist offenkundig nicht so sehr entscheidend, wie sich das Bruttoinlandsprodukt entwickelt, welche Wachstumsrate am Ende einer Legislaturperiode auf dem Papier steht. Vielmehr leiten sie ihre Entscheidung daraus ab, wie sich ihr Lebensstandard entwickelt hat, ob es ihnen besser geht als vor vier Jahren und wie ihre Erwartungen für die Zukunft sind.

„Olaf, mach Döner wieder drei Euro“

Wie sehr die Höhe der Lebenshaltungskosten Wähler umtreibt, hat sich hierzulande im Frühjahr vor der Europawahl gezeigt. Aus sozialen Netzwerken wie Tiktok erreichte damals die Debatte über die Dönerpreise die Bundespolitik: „Olaf, mach Döner wieder drei Euro.“ Dass ein Döner vielerorts nicht mehr drei, vier oder fünf Euro kostet, sondern sieben oder acht, prägt die Wahrnehmung besonders junger Wähler mehr als die Preise statistisch ausgewogener Warenkörbe. Prompt verteilte der damalige SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert an Wahlständen subventionierte Döner. Dass die Politik für viele Preistreiber mitverantwortlich ist, etwa durch die erzwungene Erhöhung des Mindestlohns und die durch die deutsche Energiepolitik vergleichsweise hohen Strompreise, erwähnten die Sozialdemokraten lieber nicht.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ließ in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit aus, um darauf hinzuweisen, dass durch die zum Teil kräftigen Lohnerhöhungen und die gesunkene Inflationsrate viele Menschen wieder mehr Geld in der Tasche hätten – Geld, das sie eigentlich ausgeben könnten. Tatsächlich sparen die Bürger aber wieder mehr. Angesichts der vielen schlechten Nachrichten aus der Industrie wächst sowohl die Sorge um die Zukunft des Standorts als auch die um den eigenen Arbeitsplatz. Die Zahl der Arbeitslosen ist zwar noch ein Stück von der symbolisch wichtigen Marke von drei Millionen entfernt. Die sonst übliche Herbstbelebung auf dem Arbeitsmarkt fällt bislang aber aus.

In Umfragen gaben zuletzt zwei Drittel der Amerikaner an, dass sich ihr Land in die falsche Richtung entwickele. Mit den Konzepten der Ampelkoalition gegen die diversen Krisenherde sind laut Forsa sogar 85 Prozent der Bürger unzufrieden. Die SPD versucht sich zwar an einer Kurskorrektur. Nachdem in der Wahl zum Europaparlament die AfD die beliebteste Partei in der Gruppe der Arbeiter war, gefolgt von der CDU, rückten die Sozialdemokraten von ihrem Fokus auf das Bürgergeld ab. Nun positionieren sie sich als Retter der Industriearbeitsplätze, sei es bei der Meyer Werft oder Volkswagen. Den Umfragen zufolge überzeugt das die Wähler aber noch nicht.

Das könnte auch daran liegen, dass das von vielen Menschen empfundene Politikversagen weit mehr als nur die Indus­triepolitik berührt. Während man heute sein Geschlecht ändern und sich schneller einbürgern lassen kann, sind viele Alltagsprobleme der Menschen weiter ungelöst: die Wohnungsknappheit in den Ballungszentren, das lange Warten auf Arzttermine, der Unterrichtsausfall an den Schulen, die unzuverlässige Bahn, die langen Staus. Zugleich muss in kaum einem anderen Land ein Durchschnittsarbeitnehmer so viel von seinem Einkommen an Steuern und Sozialabgaben an den Staat abführen: laut den Zahlen der OECD beinahe die Hälfte. Vom Anspruch der Grünen: „Für ein Land, das einfach funktioniert“, ist Deutschland weit entfernt – auch weil die hohen Ausgaben für die Flüchtlinge und die Unterstützung der Ukraine finanziell wie personell viele Kapazitäten binden.

Nach dem Wahlausgang in Amerika steht zu erwarten, dass im Bundestagswahlkampf mehr über Steuersenkungen gesprochen werden dürfte (von der CDU) und weniger über den Klimaschutz (von den Grünen). An die von der FDP aufgeworfene Grundsatzfrage, ob Deutschland unbedingt fünf Jahre früher klimaneutral werden muss als die EU, schließt sich eine andere an: Wie viel Ehrgeiz sollte die EU noch auf das Erreichen des Ziels Klimaneutralität 2050 verwenden, wenn dem künftigen amerikanischen Präsidenten der Klimaschutz weitgehend egal ist? Für den designierten Kanzlerkandidaten der Grünen kommt der Wahlausgang in Amerika denkbar ungelegen. Habecks Team hatte gehofft, an die „good vibes“ von Kamala Harris anknüpfen zu können. Daraus wird nun erst einmal nichts.