Schutz jüdischen Lebens: Ein großer Schlamassel?
Um die Resolution des Bundestags zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland ist lange gerungen worden – die beteiligten Fraktionen waren sich uneins, und viele Intellektuelle mischten sich ein, von Armin Nassehi über Daniel Cohn-Bendit bis zu Luisa Neubauer. Sie wollen die Resolution, wie sie jetzt zur Abstimmung kommt, unter allen Umständen verhindern, weil sie in ihren Augen die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit bedrohe und zur Gesinnungsschnüffelei einlade. Außerdem sei sie in Hinterzimmern zustande gekommen, ein Armutszeugnis unserer Demokratie!
Dass man eine politische Frage unterschiedlich bewertet, ist die normalste Sache der Welt. Wenn aber der moralische Lautstärkeregler hemmungslos nach oben gedreht wird (Kunstfreiheit! Demokratie!), dann liegt der Verdacht nahe, dass es eigentlich nur um unterschiedliche politische Positionen geht, die man aber so direkt nicht aussprechen will, weshalb man sich hinter demokratietheoretischen Prunkwörtern versteckt. Denn dass der Bundestag keine antisemitische Kunst wie einst auf der Documenta fördern will, lässt sich ihm ja eigentlich schlecht vorwerfen.
Worum drucksen die Kritiker also herum? Ihnen schmeckt es nicht, dass die Resolution keineswegs ausschließlich, aber eben doch explizit die Einwanderung aus muslimischen Ländern für den Anstieg antisemitischer Vorfälle in Deutschland mitverantwortlich macht. Aber lieber sagt man: Hier würden Minderheiten gegeneinander ausgespielt. Besser man schaue sich den Aufstieg der AfD an.
Die Kritiker treibt die Sorge um, dass in der öffentlichen Kulturförderung palästinensische Positionen nicht mehr vorkommen könnten. Diese Sorge ist verständlich, aber man wird ihr nicht gerecht, indem man die Meinungsfreiheit in Stellung bringt. Der Geist dieser Resolution zensiert nicht die Kunst, jeder kann weiterhin machen, was er will – nur behält sich der Staat vor, bestimmte Projekte nicht länger zu fördern. Völlig zu Recht, denn das Parlament ist den Bürgern rechenschaftspflichtig, wofür es das Geld der Steuerzahler hergibt. Alles andere wäre verantwortungslos.
Auch der Vorwurf der Gesinnungsschnüffelei wird durch Wiederholung nicht wahrer. Nirgends ist im Resolutionsentwurf davon die Rede, der Verfassungschutz solle jene Künstler überprüfen, die sich um staatliche Förderung bewerben. Das wäre tatsächlich ein guter Grund zu scharfem Protest.
Zugegeben, die Kultureinrichtungen stehen jetzt unter höherem Druck, das aber muss nicht schlecht sein. Sie müssen künftig Kampfeslust beweisen und auch mal Gegenwind ertragen. Zugleich dürfen sie die Politik daran erinnern, dass es bei allen Konfliktfällen nicht um die Gesinnung der Künstler, sondern immer nur um das Werk gehen darf.
Umgekehrt wird die Resolution nicht die verquere Hoffnung mancher ihrer Unterstützer erfüllen, dass nun Vorfälle wie während der Berlinale 2024 künftig verhindert werden könnten. Da hatten sich auf der Bühne einige preisgekrönte Filmkünstler zu Palästina bekannt. Auch da mag es zur Sache unterschiedliche Ansichten geben, dass aber Künstler, freie Bürger wie wir alle, auf der Bühne die Gelegenheit nutzen, ihren Standpunkt zu verkünden, auch wenn er von der Staatsräson abweicht – das kann zum Glück keine Resolution der Welt verhindern.
Wer weiß, vielleicht ist es sogar ein Energetisierungsschub, wenn die Kunst aus der fatalen Staatsnähe der vergangenen Jahre, in denen sich alle unter dem Banner von Diversity und Postkolonialismus versammelten, vertrieben wird. Es gibt jetzt wieder Reibungspunkte. Und die Streitlust könnte neu erwachsen.
Um die Resolution des Bundestags zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland ist lange gerungen worden – die beteiligten Fraktionen waren sich uneins, und viele Intellektuelle mischten sich ein, von Armin Nassehi über Daniel Cohn-Bendit bis zu Luisa Neubauer. Sie wollen die Resolution, wie sie jetzt zur Abstimmung kommt, unter allen Umständen verhindern, weil sie in ihren Augen die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit bedrohe und zur Gesinnungsschnüffelei einlade. Außerdem sei sie in Hinterzimmern zustande gekommen, ein Armutszeugnis unserer Demokratie!