René Benko: Das Ende eines Luxuslebens

Es war nur eine Frage der Zeit. Schon seit Monaten rückten ihm die Ermittler immer näher, vorige Woche ließen sie ihn vorläufig festnehmen.

Seit der spektakulären Pleite seines Signa-Konzerns Ende 2023 wird gegen den Österreicher in seiner Heimat, in Deutschland, Liechtenstein und Italien ermittelt. Die Liste der Vorwürfe ist lang: von Geldwäsche und Betrug bis zu Insolvenzverschleppung, Untreue und Etablierung eines „Geldkarussells“. Kurz vor Weihnachten verhängte die italienische Justiz einen ersten Haftbefehl. Das tangierte ihn in Österreich vorerst nicht weiter. Am Donnerstagmorgen aber klingelten Polizisten der „Soko Signa“ an der Tür von Benkos Villa in Innsbruck und nahmen den Bauunternehmer, bekannt als „der Wunderwuzzi“, fest.

Das ist der vorläufige Tiefpunkt der imposanten Karriere des René Benko, der in einfachen Verhältnissen aufwuchs und trotz Schulabbruch von klein auf ganz groß dachte. Schon als Jugendlicher baute er Dachböden zu Luxuswohnungen aus, brauste mit einem geliehenen Ferrari zu den Kunden, um ihnen zu imponieren, und überzeugte mit viel Charme, Witz und Fachwissen ältere Förderer, ihm seine millionenschweren Geschäfte zu finanzieren. Mit 19 Jahren war er dann bereits Millionär in Österreichs alter Währung, dem Schilling.

Der Traum ging immer weiter. Benko baute ganze Innenstadt-Karrees um, schuf in Innsbruck das legendäre Kaufhaus Tyrol, engagierte für die Pläne niemand Geringeren als den britischen Stararchitekten David Chipperfield. „Mein Gesellenstück“, wie er es nannte. Er sammelte prestigeträchtige Immobilien quer durch Europa: das KaDeWe in Berlin, das Kaufhaus Oberpollinger in München, das britische Nobel-Kaufhaus Selfridges in London, Wiens exklusives Einkaufsviertel „Goldenes Quartier“. Schließlich wagte er den Sprung nach Amerika, erwarb das schillernde Chrysler-Building in New York.

Die Reste eines Imperiums

In Deutschland wurde er vor allem als „Kaufhauskönig“ berühmt. Er fusionierte Galeria Kaufhof mit den Resten von Karstadt, die er für einen Euro erworben hatte, zu Europas größter Warenhaus-Kette. Damit schien ihm gelungen zu sein, was niemand vor ihm geschafft hatte. Scheinbar mühelos jonglierte er mit Milliardenbeträgen, um Dutzende Projekte gleichzeitig voranzutreiben, überzeugte immer wieder neue Investoren, bei ihm einzusteigen, darunter Figuren wie der israelische Diamantenhändler Beny Steinmetz, der 2021 wegen Korruption zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Auf der anderen Seite stiegen auch grundsolide, namhafte Investoren wie Klaus-Michael Kühne, Torsten Toeller von der Handelskette Fressnapf, Roland Berger, Ernst Tanner von der Schokoladenfabrik Lindt, Hans-Peter Haselsteiner vom Baukonzern Strabag oder Theo Müller bei ihm ein, mit immer höheren Millionen-Beträgen.

Doch dann verschluckte er sich. Es kam Corona. Es kam die Zinswende. Es kam die Rezession mit einer heftigen Krise in der Baubranche. Andere Bauunternehmer schalteten ein, zwei Gänge herunter, stampften Bauvorhaben ein. Benko baute unverdrossen weiter, als könnten ihm die Krisen nichts anhaben. Immer höher, immer größer baute er. Noch Anfang 2023 startete er in Hamburg mit der Errichtung des Elbtowers, 245 Meter hoch sollte der Wolkenkratzer werden, wieder nach Plänen von David Chipperfield. Bei 110 Metern allerdings war Schluss, das Projekt insolvent. Was aus der halb fertigen Bauruine jetzt wird, ob sich ein waghalsiger Investor findet, um den Tower zu vollenden, wird derzeit verhandelt.

Die Reste des Benko-Imperiums harren allerorten ihres Schicksals. Einzelne Häuser wurden von den Insolvenzverwaltern bereits verkauft. Andere Baustellen stehen still. Die Forderungen der Gläubiger an Benko belaufen sich auf rund 2,4 Milliarden Euro. Es ist die größte Pleite in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte. Benko selbst beantragte im März 2024 Insolvenz als Einzelunternehmer.

Trotzdem lebte er weiter in Prunk und Protz, als sei nichts gewesen. Offiziell bleiben ihm seit der Insolvenz 3700 Euro Monatsverdienst. Vor Kurzem noch war er indes mit Sohn, einem Hotelier und einem Lokalpolitiker auf einer lustigen Jagdgesellschaft unterwegs, eine seiner kostspieligen Leidenschaften. Einen Hirsch haben sie erlegt, stolz posierten sie um das tote Tier, das Foto wurde der Presse zugespielt und sorgte für einen Skandal, der mit dem Rücktritt des Politikers endete.

Benko residiert, obwohl offiziell nicht solvent, weiter in seiner prächtigen Villa in Innsbruck. Mutter Ingeborg zahlt die 235.000 Euro Miete im Monat für das Anwesen, das von einer Benko-Stiftung gehalten wird. Er lässt sich von dort regelmäßig im schwarzen SUV mit getönten Scheiben ins Büro kutschieren. Und dann tauchte noch ein Bild aus dem vorigen Sommer auf, auf dem Benko auf einer Boots-Spritztour auf dem Gardasee zu sehen ist. Sehr zum Verdruss seines Insolvenzverwalters Andreas Grabenweger: Das blaue Malibu-Sportboot, dessen Wert schon geschätzt worden war, hätte Benko in der Insolvenz gar nicht mehr nutzen dürfen. „Ich finde diesen Protz ungeheuerlich“, sagte Grabenweger.

Benko agiert, als ob ihn das ganze Schlamassel um ihn herum gar nicht betrifft. Bis zur Festnahme am Donnerstagmorgen.

Österreichs Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) begründete diesen Schritt mit dem „dringenden Tatverdacht“ bei mehreren Straftaten. So soll Benko Vermögenswerte verschoben und dadurch dem Zugriff der Behörden, der Insolvenzverwalter und der Gläubiger entzogen haben. Sie sprechen auch von der Täuschung von Mitgesellschaftern durch ein „Geldkarussell“. Dabei soll er die Investments einiger Gesellschafter für eine Kapitalerhöhung über verschlungene Überweisungspfade schlussendlich als seinen eigenen Beitrag zu der Kapitalerhöhung ausgegeben haben. Außerdem bestünden Verdunkelungsgefahr sowie das Risiko der Begehung neuer Taten.

Konkret werden die Ermittler nur in einem Fall, der angesichts der Größenordnung, um die es bei der Signa-Pleite geht, eher mickrig daherkommt. So soll Benko nachträglich eine Rechnung hergestellt „und damit Beweismittel gefälscht haben“, glauben die Wiener Ermittler. Dabei geht es wohl um drei „hochpreisige Schusswaffen“, konkreter um wertvolle Jagdgewehre, die er damit vor den Gläubigern habe sichern wollen.

Am Freitag hat das Landesgericht für Strafsachen in Wien entschieden, dass Benko weiter in U-Haft bleiben muss. Bisher hat Benko hat alle Anschuldigungen zurückgewiesen und die Vorwürfe als „haltlos“ bezeichnet. Sein Anwalt war am Freitag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. „Auf eine Beschwerde an das Oberlandesgericht Wien wurde verzichtet“, gab eine Sprecherin des Gerichts bekannt.

Ominöses Schattenreich

Die Ermittler haben wohl über Monate hinweg die Telefongespräche des 47-Jährigen abgehört, seinen Schriftverkehr und die Aussagen ehemaliger Geschäftspartner ausgewertet. Zudem hat es diverse Hausdurchsuchungen gegeben, zuletzt am Donnerstag. Dabei wird auch dem Verdacht nachgegangen, ob Benko mehrere Luxusvillen am Gardasee und etliche andere Immobilien vor der Pleite in Privatstiftungen verschoben hat.

Die Spur führt zu einem ominösen Schattenreich von Benko, seinen diversen Stiftungen. Offiziell hat bei der Laura Privatstiftung seine Mutter das Sagen. Benko saß hier mal im Beirat, mehr nicht. Die Ermittler aber sind der Meinung, dass Benko die Fäden als „faktischer Machthaber“ und wirtschaftlicher Berechtigter trotzdem in der Hand hält. Das habe er aus Sicht der Ermittler im Rahmen seiner persönlichen Insolvenz verheimlicht und damit die wahren Vermögenswerte verschleiert. Benkos Mutter, eine pensionierte Kindergärtnerin, sei nur vorgeschoben, also eine „Stroh-Mama“. Ermittler und Insolvenzverwalter würden allzu gerne einen Blick in die Stiftung werfen, was sich hier alles angesammelt hat. Nur am Rande sei erwähnt: Offiziell hat Benko auch in der Signa-Gruppe selbst seit Jahren keine Führungsfunktion mehr ausgeübt, auf dem Papier hatte er dort rein gar nichts zu sagen. Geschäftspartner und Manager berichten anderes.

Aber zurück zur Laura Stiftung. Interessant ist, wer neben Benkos Mutter hier das Sagen hat. So wurde nach der Insolvenz Benkos Pilot im Juni 2024 in den Vorstand der Stiftung berufen. Was nun genau dessen Qualifikation für den Job ausmacht? Der Mann hat Benko jahrelang im Privatjet durch die Gegend geflogen. Wie es indes um seine Kenntnisse im Stiftungswesen bestellt ist, ist nicht bekannt. Loyalität zahlt sich aus, heißt es. Vielleicht ist es so einfach.

Und noch ein weiterer Name im Vorstand der Laura Privatstiftung lässt aufhorchen: der des Südtiroler Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers Heinz Peter Hager. Hager war unter anderem Benkos Mann in Italien. Ebenjener Mann, der zusammen mit Benko im Mittelpunkt der italienischen Ermittlungen steht.

René Benko und Hager, seine rechte Hand in Südtirol, hätten eine „mafiaähnliche kriminelle Verbindung“ gegründet und „ungebührlichen Einfluss“ auf Behörden genommen, hieß es im Dezember zur Begründung des Haftbefehls. Die Vorwürfe: Bestechung, Manipulation von Ausschreibungen, Korruption und Betrug. Etliche Personen, darunter eine Bürgermeisterin am Gardasee sowie Heinz Peter Hager, wurden vorübergehend unter Hausarrest gestellt.

Benko selbst weilte zu dem Zeitpunkt in Österreich. Er wurde von der Polizei vernommen, durfte aber auf freiem Fuß bleiben, da die Österreicher den Haftbefehl aus Italien gegen einen Landsmann nicht umsetzen, wenn das entsprechende Verfahren auch in Österreich geführt werden kann.