Regierungsbildung in Frankreich: Macrons politische Verantwortungslosigkeit

Frankreich ist dabei, in weiteres politisches Chaos zu geraten, nachdem Emmanuel Macron sich geweigert hat, eine Premierministerin der linken Koalition zu ernennen. Die Neue Volksfront hatte bei den vorgezogenen Neuwahlen im vergangenen Monat die meisten Parlamentssitze gewonnen. Der Präsident schien bisher zu hoffen, dass Konsultationen den politischen Stillstand überwinden ließen, der durch die Wahl verursacht wurde. Die Assemblée Nationale ist seither in drei ungefähr gleich große Blöcke – links, Mitte und ganz rechts – gespalten, von denen keiner über die Mehrheit der Sitze verfügt.

Nach zweitägigen Gesprächen mit Partei- und Parlamentsführern, um die Pattsituation zu überwinden und ihm die Ernennung eines Premierministers mit parteiübergreifender Unterstützung zu ermöglichen, stößt nun Macrons Entscheidung, die Kandidatin der Neuen Volksfront nicht zu nominieren, auf Empörung, Wut und die Drohung, darauf mit einem Amtsenthebungsverfahren zu reagieren. In einer am 26. August veröffentlichten Erklärung bezeichnete der Elysée-Palast die bisherigen Diskussionen als „fair, aufrichtig und nützlich“. Jedoch hätten sie zu keiner praktikablen Lösung geführt.

NFP verweigert sich weiteren Gesprächen

Eine von der linken Neuen Volksfront (NFP), bestehend aus der Partei La France Insoumise (LFI), den Sozialisten, den Grünen des EELV und den Kommunisten, gebildete Regierung würde zu einem sofortigen Nein-Votum und zum Zusammenbruch dieser Regierung führen, begründete Macron seine Entscheidung. „Ein solches Kabinett hätte sofort eine Mehrheit von mehr als 350 Abgeordneten gegen sich und wäre effektiv am Handeln gehindert“, fügte Macron hinzu. „Angesichts der Meinungen von befragten politischen Entscheidungsträgern ist es wegen der institutionellen Stabilität unseres Landes nicht sinnvoll, diese Option zu verfolgen.“ Seine Verantwortung, fügte Macron hinzu, bestehe darin, sicherzustellen, „dass das Land weder blockiert noch geschwächt wird“.

Es soll nun zunächst eine weitere Runde von Konsultationen mit Parteiführern und erfahrenen Politikern geben. Doch hat die Neue Volksfront bereits erklärt, sie werde nicht an weiteren Gesprächen teilnehmen, wenn so mit dem Wahlergebnis vom 7. Juli umgegangen werde. Die Ad-hoc-Allianz hatte sich in der zweiten Runde der Parlamentswahlen gegen die Bedrohung durch den Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen durchgesetzt. Sie gewann die meisten Sitze in der Nationalversammlung und hat erklärt, dass jede neue Premierministerin oder jeder Premierminister aus ihren Reihen kommen sollte. Sie hat Lucie Castets, eine 37-jährige Wirtschaftswissenschaftlerin und Finanzdirektorin im Pariser Rathaus, als Kandidatin vorgeschlagen.

Nach Macron Einlassungen warf ihm der LFI-Vorsitzende Jean-Luc Mélenchon vor, „eine außergewöhnlich ernste Situation“ geschaffen zu haben. Die Reaktion der Bevölkerung und der Politik müsse „schnell und entschieden sein“, so Mélenchon, dessen Partei zu Demonstrationen aufrief, mit denen der Präsident aufgefordert werden solle, „die Demokratie zu respektieren“. Außerdem werde LFI einen Antrag auf Amtsenthebung gegen Macron stellen. Jeder Versuch, eine andere Premierministerin als Lucie Castets zu installieren, werde „Gegenstand eines Misstrauensantrags sein“. Marine Tondelier, Generalsekretärin der Grünen, ergänzte, das Vorgehen des Präsidenten sei „eine Schande und eine gefährliche demokratische Verantwortungslosigkeit“.

Macron will dennoch weiter versuchen, einen Premierminister zu finden, der parteiübergreifende Unterstützung auf sich vereinen kann.