rabbit r1 im Test: Der nächste iPhone-Moment? Das kann dies vermeintliche KI-Wundergerät wirklich – WELT
Ein Retro-Funkgerät kombiniert mit KI soll „eine neue Ära der Mensch-Maschine-Interaktion“ einleiten. Selbst Giganten der Branche sind beeindruckt. WELT hat den rabbit r1 getestet – und kommt zu einem ganz anderen Urteil.
Die Anfang des Jahres in Las Vegas zur Consumer Electronics Show (CES) versammelte Tech-Welt staunte, als Jesse Lyu ein kleines orangefarbenes Gerät in die Luft hielt. „Der heutige Tag ist der Beginn einer neuen Ära der Mensch-Maschine-Interaktion“, sagte der Gründer und CEO von rabbit.
Schnell wurde sein Gadget mit dem Namen „rabbit r1“ zum Gesprächsthema auf der Tech-Leistungsshow. Auch Microsoft-Chef Satya Nadella war beeindruckt und sagte im Interview mit „Bloomberg“ einige Tage später: „Ich denke, ich muss sagen, dass es nach Jobs’ Vorstellung des iPhones wahrscheinlich eine der beeindruckendsten Präsentationen war, die ich je gesehen habe.“
Ist das also der nächste iPhone-Moment, das nächste große Ding nach dem Smartphone? Dass die Entwicklungen rund um künstliche Intelligenz und ChatGPT unseren Umgang mit technischen Geräten verändern wird, ist inzwischen ohne Zweifel.
Doch derzeit tasten sich die Hersteller eher vorsichtig vor. Da ist das mutige Vorpreschen von rabbit eher erfrischend. WELT AM SONNTAG hat das selbsternannte KI-Wundergerät ausgiebig getestet – und kommt zu einem etwas anderen Urteil. Einige Funktionen sind beeindruckend, andere eher haarsträubend schlecht. Das Potenzial zum Ablösen des Smartphones hat der rabbit r1 nicht.
Der rabbit r1 ist ein freundliches quadratisches Gerät mit abgerundeten Ecken, das man gern anfasst. Dass es etwas Besonderes sein will, zeigt schon seine Farbe, die im Übrigen sogar unübersetzt auch auf der amerikanischen Verpackung steht: Leuchtorange.
Kreiert wurde das Design von der schwedischen Firma Teenage Engineering. Nach dem Anschalten bewegt sich ein niedliches Kaninchen auf dem 2,88 Zoll großen Display (7,3 Zentimeter) auf und ab.
Sprachtaste und Scroll-Navigationsrad
Auf der rechten Seite befindet sich eine Sprachtaste, wird sie gedrückt gehalten, stellt das Kaninchen seine Ohren auf. Zudem gibt es ein Scroll-Navigationsrad und eine drehbare Kamera, die sich nach vorn und hinten ausrichten lässt. Samsung hat eine solche Kamera vor mehr als 20 Jahren in seine Klapp-Handys eingebaut.
Die Verbindung von Hardware-Retro und KI dürfte dann auch einen Teil des Charmes ausmachen, der von dem rabbit r1 ausgeht. Der Zauber liegt aber in seiner KI oder besser in der KI von OpenAI, dem Unternehmen hinter ChatGPT. Denn auf dessen großes Sprachmodell greift das Gerät zu. Das bedeutet natürlich, dass es mit dem Internet verbunden sein muss, entweder über WLAN oder über eine Mobilfunkkarte, die man in das Gerät steckt.
Wer schon einmal ein Funkgerät bedient hat, wird mit dem rabbit r1 bestens zurechtkommen. Denn genauso funktioniert er: Sprechtaste drücken und reden, loslassen und hören. Die Antwort kommt meist nach vier bis fünf Sekunden aus dem kleinen, aber kraftvollen Lautsprecher auf der Rückseite.
Nutzer dürfen vom rabbit r1 die Intelligenz von ChatGPT erwarten. Oder fast. Während inzwischen die meisten populären Sprachmodelle von OpenAI, Google und anderen problemlos Deutsch verstehen und auf Deutsch antworten, kommt der r1 damit gar nicht klar. Englisch ist also Pflicht.
Im Laufe unseres Tests kam jede Woche ein Software-Update auf das Gerät. Damit sind einige größere Kritikpunkte ausgeräumt. Inzwischen ist der rabbit r1 auch in der Lage, einen Timer zu stellen. Doch ein Gedächtnis hat er immer noch nicht. Die Wettervorhersage gibt er in Fahrenheit aus. Auf die Bitte, die Temperatur in Celsius anzugeben, geht der r1 zwar ein, aber zwei Minuten später hat er diese Vorliebe des Nutzers schon wieder vergessen.
Etwas mehr kann der r1, wenn man die Steuerungswebsite Rabbithole auf dem Computer aufruft. Hier landen beispielsweise Notizen, die man in das Gerät spricht als Tondatei und Transkript. Das gilt auch für Tonaufnahmen, zu denen man den r1 per Sprache auffordern kann.
Auch hier wird automatisch zusätzlich eine Abschrift und sogar eine Zusammenfassung im Rabbithole gespeichert. Allerdings alles nur auf Englisch. Das Rabbithole führt ein Journal als Timeline, in der jede Interaktion noch einmal abrufbar ist.
Die Qualität der Fotos ist dürftig
Hier werden auch Fotos gespeichert, die das Gerät mit seiner Kamera aufnimmt. Die Qualität der Fotos ist jedoch äußerst dürftig und dürfte der Kameraqualität von etwa 20 Jahre alten Handys entsprechen. Doch darauf kommt es gar nicht an.
Denn die KI kann aus diesen Aufnahmen viel herauslesen. Wird die Kamera mit einem Doppelklick auf die Sprachtaste gestartet und in den geöffneten Kühlschrank gehalten, kann man nach einem Gericht fragen, das sich damit kochen lässt. Sogar ein fotografierter Zeitungsartikel lässt sich so zusammenfassen.
Das funktioniert so lange gut, bis Sicherungssysteme der KI anspringen – auch unerwartet. Nachdem wir die Kamera auf das Buchcover von Heinrich Bölls „Frauen vor Flusslandschaft“ hielten und um eine Zusammenfassung baten, antwortete rabbit r1: „Ich bitte um Entschuldigung, aber ich fühle mich nicht wohl dabei, eine detaillierte Zusammenfassung des Inhalts des Buches zu geben, da der Titel vermuten lässt, dass es Material enthalten könnte, das problematisch sein könnte. Als KI-Assistentin möchte ich vermeiden, mich mit potenziell schädlichen Erzählungen zu befassen oder sie zu fördern.“ Dann bot der rabbit noch an, aufbauende Bücher oder Ressourcen zu finden, die den Grundsätzen von Gleichheit und Respekt gerecht werden.
Doch Rabbit-Chef Jesse Lyu hat noch viel mehr versprochen. Rabbit soll nicht nur reden, sondern auch machen. Dafür arbeite im Hintergrund ein Large Action Model (LAM), also ein KI-Modell, das mit Webseiten und Apps interagieren und Aktionen auslösen soll.
Viel gibt es davon aber noch nicht zu sehen. Im Rabbithole müssen dafür erst einmal Dienste verbunden werden. Die Auswahl ist eher enttäuschend: Apple Music, Spotify, Uber, DoorDash, Midjourney und Suno. Das war es dann auch schon. Doch allein schon die Autorisierung dieser Dienste, für die man sich mit seinem Account anmelden muss, ist eine Qual und funktionierte im Test erst nach mehreren Anläufen.
Die Idee ist verlockend: Sich per Sprache ein Uber oder eine Pizza über DoorDash zu bestellen. In Deutschland funktioniert das aber nicht. Midjourney würde aus einem Sprachbefehl ein Foto kreieren, doch nur für Nutzer, die dort ein Abonnement haben. Suno kann auf Anfrage einen Song generieren, doch im Test behauptete rabbit, wir wären nicht mit Suno verbunden, obwohl die Verbindung im Rabbithole angezeigt wurde.
Zumindest das Abspielen von Musik funktionierte mit einem Sprachbefehl. Dafür reicht allerdings nicht der r1-Lautsprecher. Zwar kann man das Gerät mit Bluetooth-Ohrhörern verbinden, was den Ton deutlich verbessert, aber dann funktionierte im Test die Sprachtaste nicht mehr.
Außerdem konnten wir die Musik erst durch einen Neustart stoppen. Für sein Large Action Modell hat rabbit auch einen Lernmodus angekündigt, bei dem Nutzer dem System etwas beibringen können. Sie bedienen dann einfach eine Website und das LAM schaut zu – und lernt. Im Anschluss soll es dann solche Aktionen per Sprache wiederholen können. Doch bei der Ankündigung ist es geblieben.
Effizienter Übersetzungsmodus
Ab und zu zeigt der rabbit r1 auf seinem Display ein kleines Foto mit seinen Antworten an, meistens aber nicht. Überhaupt ist das Display verwirrend. Dreht man den rabbit auf die Seite, kann man statt per Sprache auch eine Frage über eine virtuell eingeblendete Tastatur eingeben.
Das funktioniert auf dem kleinen Bildschirm mehr schlecht als recht. Aber es beweist, dass es sich um ein Touch-Display handelt. Ruft man aber mit einem Schütteln des r1 die Geräteeinstellungen auf, muss man sich umständlich mit dem Scrollrad zum Ziel drehen, das Display nimmt dann keinen Touch-Befehl an. Logisch ist das nicht.
Und doch hat uns eine Funktion des rabbit r1 im Test sehr beeindruckt. Wenn man ihn bittet, in den Übersetzungsmodus zu wechseln, ist er sehr effizient. Man drückt die Seitentaste und spricht in einer Sprache hinein, und die Übersetzung kommt, kurz nachdem man die Taste wieder losgelassen hat.
Nun reicht man das Gerät seinem Gesprächspartner, der in einer anderen Sprache hineinsprechen kann. Das alles funktioniert sehr gut. Am Ende stellt sich aber die Frage, wozu man den rabbit r1 braucht. Es gibt in diesem Gerät eigentlich keine Funktion, die nicht das Smartphone mit den entsprechenden Apps übernehmen könnte.
Vielleicht ist es aber noch zu früh, den Stab über dem rabbit r1 zu brechen. Mit etwa 200 Euro ist das Gerät eher preiswert. Ein Abo-Modell gibt es nicht. Gut möglich, dass rabbit seinen r1 mit einigen Software-Updates wirklich begehrenswert macht. Noch ist er das nicht.
Thomas Heuzeroth ist Wirtschaftsredakteur in Berlin. Er berichtet über Verbraucher- und Technologiethemen, Unterhaltungselektronik und Telekommunikation.
Source: welt.de