ProQuote: Der Frauenanteil in journalistischen Führungspositionen sinkt

Die PowerPoint-Präsentation beginnt mit den medial weitverbreiteten Gruselfotos aus CDU-Investitionsgipfel und CDU-Koalitionsausschuss, in denen Frauen entweder als sonderbare Rarität ausgestellt werden oder gar nicht erst auftauchen; ein direkter Vergleich zwischen dem Frauenanteil im Bundestag und dem in deutschen Redaktionen dient also als Aufmacher, um über die Quotenverteilung der Führungspositionen im Journalismus zu sprechen.

„Die Macht der Zahlen sprechen lassen“ – nach diesem Motto wird die Pressekonferenz zur Studie „Frauenmachtanteile im Journalismus 2025“ eingeleitet. Der gemeinnützige Verein ProQuote Medien setzt sich seit 2012 für eine geschlechterparitätische 50/50-Regelung ein und dokumentiert in regelmäßigen Abständen die Entwicklungen.

Anfang November wurde die bereits siebte große Studie zu Frauenanteilen in Führungspositionen im deutschen Journalismus präsentiert. Diesmal wurden nicht nur die neun sogenannten Leitmedien – Spiegel, Stern, Bild, Zeit, taz, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Welt und Focus – untersucht, sondern der Blick ausgeweitet auf Regional- und Rundfunkredaktionen sowie Onlinemedien. Was zeigt, wie unterschiedlich die Quotenverteilung in den Medien aktuell immer noch ist.

Lokalredaktionen bleiben Männerdomäne

Während sich die Situation in den Leitmedien sichtbar gebessert habe – im Jahr 2012 lag der Frauenanteil in Führungspositionen insgesamt noch bei 14,39 Prozent, im Jahr 2024 hat er sich mit 38,7 Prozent weit mehr als verdoppelt – wehe in vielen der Lokalredaktionen auch heute noch ein konservativerer Wind.

Von 109 Chefredakteur*innen seien in diesem Bereich nur 23 Frauen. Aber auch in den Leitmedien erreichten die „Frauenmachtanteile“ im Jahr 2023 ihren Peak – inzwischen geht die Tendenz wieder nach unten. Besonders schlecht schneiden Welt, Focus und FAZ ab, seit 2023 stagnieren zudem die Frauenmachtanteile bei Spiegel, Zeit und Stern. Unangefochtene Spitzenreiterin – und als einzige Quotensprengerin – bleibt die taz (65,1 Prozent im Jahr 2025), gefolgt von der SZ (45 Prozent). Prinzipiell verzeichneten Medien aus dem linksliberalen Spektrum einen höheren Frauenanteil.

Über konkrete Gründe für die im Gesamtbild nicht gerade beglückenden Zahlen spricht der Verein ProQuote allerdings weniger, und das, obwohl Prominenzmoderatorin Sandra Maischberger immer wieder nachhakt. Auch die gezeigten Fotos vom Beginn der Präsentation werden nur zaghaft als das benannt, was sie zeigen: Einen Backlash, der vom Kanzler und seiner reaktionären Politik wohl mitgefördert wird.

Wen und wie ProQuote zählt

Was deutlich gemacht wird, ist, dass politische Repräsentation mehr sei als nur physische Präsenz. Auch wird hinter die Kulissen der Zahlen geschaut: Wenn eine Frau beispielsweise zur Ressortleiterin aufsteige, werde sie zwar in der Statistik von ProQuote offiziell als Führungskraft gezählt. Gleichzeitig habe die Journalistin in ihrer neuen Position vielleicht weniger Kapazitäten zum Schreiben, was zur Folge hätte, dass weniger Artikel unter ihrem (weiblich gelesenen) Namen erschienen. Der Verein ProQuote verfolgt ein Gewichtungsprinzip, verschiedene Führungspositionen werden unterschiedlich gewichtet: Ein Posten als Chefredakteurin etwa zählt fünfmal mehr als andere leitende Positionen.

Die den Raum ausfüllende Frage, worauf denn nun der zu erkennende Rückgang seit 2023 zurückzuführen sei, wird nicht einstimmig beantwortet, vielleicht sei die Frage aber auch schlichtweg zu früh gestellt. Die Forderung der „50/50 in Führungsetagen“ wird auf der Website des Vereins mit dem Punkt „auch mit Führung in Teilzeit“ ergänzt – auf der Pressekonferenz fehlte das Thema. Dabei wäre es, so könnte man meinen, von Relevanz gewesen, darüber zu sprechen, dass vielen Frauen aufgrund der Entscheidung für ein Kind eine Vollzeit-Führungsposition im Journalismus faktisch unmöglich vorkommen dürfte.

Was im Gespräch ebenfalls fehlt, ist eine intersektionale Perspektive. Sogar wortwörtlich: Die letzte Folie des Vortrags steht unter dem Titel „Wer fehlt?“, darunter findet sich unter anderem der Begriff „Menschen mit Migrationsgeschichte“. Über mangelnde Diversität sowie Rassismus-, Klassismus- und Ableismuserfahrungen im Journalismus wird im nachfolgenden Panel von ProQuote ausführlich diskutiert, zahlentechnisch bleibt der Verein allerdings bei der allgemeinen Kategorie „Frau“.

Heißt die Lösung Ende der Vollzeit?

Nach der Vorstellung der Zahlen und dem Podiumsgespräch meldet sich das Publikum zu Wort. Ein NDR-Journalist will wissen, ob ProQuote der taz (65 Prozent Frauenmachtanteil) denn jetzt raten würde, mehr Männer einzustellen. Neben kollektivem Augenrollen erntet er ein „Wir trauen der taz zu, dass sie auch die Anliegen von Männern berücksichtigt“. Es gehe dem Verein eben darum, den Status marginalisierter Menschen zu dokumentieren, in diesem Fall Frauen.

Die nächste Fragende bezieht sich ebenfalls auf das Quotenprinzip als solches, sagt, auf „menschenverachtende“ Quotenfrauen wie zum Beispiel Katherina Reiche könne man doch auch verzichten. „Wir zählen keine halben Frauen“, lautet die Antwort, und Maischberger ergänzt pragmatisch: „Es sollte genauso viele Arschloch-Frauen wie Arschloch-Männer geben.“

Es folgt kurz der auf persönlichen Erfahrungen beruhende Austausch unter Redakteur*innen: Frauen wollten einfach seltener politische Kommentare schreiben als ihre männlichen Kollegen, heißt es. Ob das nun wirklich an mangelndem Selbstvertrauen liege oder eher an Kritik und Hetze im Netz, denen Frauen mehr ausgesetzt seien, wird erwidert. Erwähnt wird auch die angeblich geringe Bereitschaft der „jungen Generation“, Vollzeit zu arbeiten. Da gebe es dann auch keinen Geschlechterunterschied. Co-Gründerin Edith Heitkämper rät Männern und Frauen, „lauter zu werden“. Frauen könnten dabei aber „eine gewisse Coolness mitbringen“. „Weiter zählen!“ lautet der Ausblick.