Prime-Serie „The Agency“: Der Spion, jener es satt hat
Hollywood wagt sich an das gefeierte „Le bureau des légendes“: „The Agency“ bietet große Stars und wenig Magie. Kann das Remake den Esprit des Originals einfangen – oder bleibt es blass?
Vielleicht hat es etwas mit alteuropäischem Dünkel gegenüber den transatlantischen Emporkömmlingen zu tun. Jedenfalls schaut man hierzulande einem „Remake“ weniger mit Erwartung als mit gerunzelter Stirn entgegen. Das Urteil steht in 99 Prozent der Fälle ungesehen fest: Nichts kommt an das Original heran. Nun kann man entlegene cinephile Beispiele anführen wie Billy Wilders Manche mögen’s heiß, von dem niemand glauben will, dass es sich um das Remake eines französischen Films namens Fanfare d’amour von 1935 handelt. Oder im aktuellen Kontext auf die gelungene Neuverfilmung von Dune hinweisen, dessen Original von David Lynch als gescheitert galt. Oder, wieder ein anderer Fall, die diesjährige, mit Preisen überschüttete HBO-Neuadaption des 70er-Jahre-Abenteuerromans Shogun, wo schon die Miniserienfassung mit Richard Chamberlain 1980 ein weltweiter Fernseherfolg gewesen war.
Letzteres war der französischen Agentenserie Le bureau des légendes (Das Büro der Legenden) leider nicht beschert, was mehr an der weit verbreiteten (wenn auch im Abnehmen begriffenen!) Abneigung des englischsprachigen Publikums gegen das Untertitel-Lesen liegt als an der Qualität der Serie. In fünf Staffeln, die in Frankreich von April 2015 bis Mai 2020 ausgestrahlt wurden, erzählte Le bureau aus dem Leben von französischen Spionen, mit großer Realitätsnähe, was die Berufspraxis und die politischen wie moralischen Konflikte angeht. Gleichzeitig war sie von einer mitreißenden Romantik durchzogen, die einem einerseits sehr französisch vorkommen konnte, andererseits aber bei der Stange hielt. Alles in allem verfügte die Serie über jenes „Je ne sais quoi“, das sich der Beschreibung entzieht, weshalb man jedes Remake schon beim Versuch für irregeleitet hält.
Aber da es in der Welt von Film und Serien der letzten Jahre kein besseres Erfolgskonzept gibt als das „mining of pre-exististing IP“, war ein englischsprachiges Remake wahrscheinlich unausweichlich. Genauso wie die Kritik, die es an den bislang erschienenen Folgen gab.
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Die Klagen beginnen schon beim Titelsong: Jack Whites Cover-Version von Love is Blindness haut einem eines der subtileren Elemente der Originalserie regelrecht um die Ohren. Mit Mathieu Kassovitz in der Hauptrolle und Schauspielern wie Jean-Pierre Darroussin und Mathieu Amalric war auch Le bureau prominent besetzt. Mit Michael Fassbender, Jeffrey Wright, Richard Gere, Katherine Waterston und John Magaro setzt The Agency dem noch etwas drauf, was sich aber in den Charakteren noch nicht recht widerspiegelt. Als Drehbuchverantwortliche zeichnen die britischen Brüder Jez und John-Henry Butterworth verantwortlich, produziert haben keine Geringeren als George Clooney, Grant Heslov und Joe Wright. Und dennoch: Die ersten Folgen erscheinen frei von jeder Verzauberungskraft, die das Original besaß. Mittelpunkt der Handlung, das Büro, in dem die Agenten mit ihren Betreuern und Vorgesetzten zusammenkommen, liegt nicht mehr in Paris – logischerweise, denn wir haben es ja mit der CIA zu tun –, sondern in … London! Worüber man sich doch ein wenig wundert, nicht zuletzt, weil man es aus Homeland (übrigens das Remake der israelischen Serie Prisoners Of War) doch ganz anders kennt. Das spannunsgreiche Hin und Her mit der Exekutive in Washington D.C. – wird das alles über Zoom ausgetragen? Noch schlimmer ist allerdings, dass bislang keine Kantine zu sehen war, einer der Orte der Originalserie, die den modernen französischen Arbeitsalltag so wunderbar realistisch auf den Punkt brachte.
An amerikanische – und an heutige – Verhältnisse angepasst wurden natürlich auch die politischen Konflikte, in die man die fiktionalen US-Spione schickt. So kehrt Fassbender in der Kassovitz-Rolle von einer jahrelangen Undercover-Mission in Äthiopien zurück, während das plötzliche Verschwinden eines Agenten diesmal zur Gefährdung von Quellen in Belarus und der Ukraine führt.
Zwei (von zehn) Folgen sind zu wenig, um abschließend zu urteilen, aber noch kann man sich beim Schauen kaum entscheiden, was mehr nervt: die kraftlose Wiederholung der Konstellationen aus dem Vorbild, oder eben deren bislang an keiner Stelle wirklich überzeugende Veränderung. Dafür taugt Michael Fassbender bestens als Identifikationsfigur: Er spielt seinen Spion mit einem geradezu störrischen Überdruss an allem und jedem.