Pharmaindustrie: Profitables Gesetz für jedes Medikamentenhersteller

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) begleitete den Spatenstich im rheinland-pfälzischen Alzey im April mit reichlich Lob. Dort baut der US-amerikanische Arzneimittelkonzern Eli Lilly gerade seine 2,3 Milliarden Euro teure deutsche Produktionsstätte. „1.000 gute Arbeitsplätze“ schaffe das Unternehmen damit in der Region. Er sei hergekommen, führte Scholz aus, um zu versichern, dass der Bund alles tue, „um den Pharmastandort Deutschland zu stärken“, und er erinnere sich auch an das Telefonat mit dem „lieben Dave Ricks“ (dem Chef von Eli Lilly) und an die vielen Gespräche, die dieser mit dem Wirtschaftsminister Robert Habeck und dem Gesundheitsminister Karl Lauterbach geführt habe.

Mit dem vom Bundestag verabschiedeten Medizinforschungsgesetz, mit dem die Ampel die Rahmenbedingungen für die Pharmaindustrie in Deutschland verbessern will, hat sich die Bundesregierung nun für die Investition bedankt. Jedenfalls muss man das vermuten, wenn man die kontroverse Debatte im Bundestag verfolgt hat. Was Lauterbach (SPD) mit der Beschleunigung von Arzneimittelstudien und der verbesserten Überlebenschance vieler Patient:innen bewirbt, komme, so Stimmen aus der Opposition, vor allem großen Medikamentenherstellern zugute. Zu diesen gehört Eli Lilly – ein Marktriese im Bereich Diabetes und Produzent der sogenannten Abnehmspritze Zepbound, zu der geraunt wird, es könne zu einem der meistverkauften Medikamente der Welt werden.

Für Unmut bei Abgeordneten und „Fassungslosigkeit“ seitens der Krankenkassen-Vorstände sorgen vor allem die künftigen vertraulichen Erstattungspreise für neu eingeführte Arzneimittel. Bislang werden die zwischen Herstellern und Kassen ausgehandelten Preise transparent gemacht und dienen auch als Referenz für die Preisabschläge in anderen europäischen Ländern. Gleichzeitig verhindern Leitplanken, die 2022 ins Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) eingezogen wurden, dass neue teure Medikamente ohne relevanten Zusatznutzen den deutschen Markt überschwemmen. Beides wird sich nun ändern.

Keine billigeren Arzneimittel

Zwar sollen nach längeren parlamentarischen Verhandlungen die Hersteller den vertraulichen Erstattungspreis nun automatisch mit neun Prozent rabattieren, doch den, sagen Kritiker, werden sie vermutlich schon vorab einpreisen. Dass dabei niedrigere Herstellerpreise herauskommen, wie Lauterbach hofft, ist jedenfalls kaum zu erwarten. Die AMNOG-Regelungen wiederum werden für drei Jahre gelockert für diejenigen Produzenten, die nachweisen, dass an ihren klinischen Studien mindestens fünf Prozent Proband:innen in oder aus Deutschland teilgenommen haben.

Umstritten ist auch die neu zu schaffende Bundesethikkommission, die über die Studienanträge wacht und beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angesiedelt werden soll. Da es dem Gesundheitsministerium untersteht und dieses die Ethikmitglieder „in Einvernehmen mit den Ländern“ beruft, steht die Unabhängigkeit der Kommission infrage. Und ob in jedem Einzelfall 26 Bearbeitungstage genügen, um einen Studienantrag zu bewerten, darf bezweifelt werden.

Einen „faulen Kompromiss“ nennt AOK-Chefin Carola Reimann (SPD) das Gesetz ihres Parteifreundes Lauterbach. Mit Beitragsgeldern Pharma-Standortpolitik zu betreiben, gefährde die Finanzen der Krankenkassen. Ähnlich sieht es Linken-Politikerin Kathrin Vogler, die in der taz den Ablauf der Gespräche mit Eli Lilly aufgedeckt hat und die gezielte Förderung des Konzerns kritisiert. Sie vermutet, dem Hersteller gehe es darum, dass der Preis für ein neues Diabetesmedikament mit dem gleichen Wirkstoff wie in der Abnehmspritze geheim bleibt, um den Markt für die privat zu zahlende Spritze zu erhalten. Dass vertrauliche Erstattungspreise Arzneimittel billiger machten, hielt Vogler Lauterbach im Bundestag vor, sei „eine Lüge“.