Peking prüft offenbar Verkauf des US-Geschäfts von Tiktok an Musk
In der chinesischen Regierung wird laut Medienberichten ein Verkauf des vom Aus bedrohten US-Geschäfts von Tiktok an Tech-Milliardär Elon Musk erwogen. So sei in Peking die Option diskutiert worden, dass Musks Online-Plattform X die Kontrolle über Tiktok US übernehmen und die Dienste zusammen betreiben könnte, schrieb der Finanzdienst Bloomberg unter Berufung auf unterrichtete Personen. Wenig später berichtete auch das „Wall Street Journal“, für die Zeit nach dem Einzug von Donald Trump ins Weiße Haus sei die Bereitschaft zu einem Deal mit Musk ausgelotet worden.
Ein Tiktok-Sprecher sagte dem britischen Sender BBC zu dem Bloomberg-Bericht, man könne nicht erwarten, dass das Unternehmen „reine Fiktion“ kommentiere. Bloomberg hatte zugleich eingeschränkt, es sei unklar geblieben, ob Tiktok in die Überlegungen eingeweiht gewesen sei. Das Verhältnis zwischen den USA und China wird unter anderem durch Spionagevorwürfe und Strafzölle belastet – und Tiktok könnte Verhandlungsmaterial werden.
Tiktok muss derzeit um seine Existenz in den USA fürchten: Die Richter des Obersten Gerichtshofs in Washington signalisierten bei einer Anhörung am Freitag, 10. Januar mehrheitlich Unterstützung für ein Gesetz, das zu einem Verbot der Video-App führen könnte. Dieses Gesetz wurde im vergangenen April vom Präsidenten Joe Biden unterzeichnet, es hatte breite Unterstützung aus beiden Parteien. Es sieht vor, dass der chinesische Mutterkonzern Bytedance die App bis zum 19. Januar dieses Gesetz verkaufen muss, andernfalls droht ihr die Schließung.
Tiktok reichte gegen das Gesetz Klage ein. Die Auseinandersetzung hat nun den Weg bis zum Obersten Gerichtshof gefunden. Weil die Zeit drängt und die Frist am kommenden Sonntag abläuft, wird eine Entscheidung der Richter im Lauf der nächsten Tage erwartet. Eine zusätzliche Komplikation für den Fall ist, dass am Tag nach dem Ende der Frist ein Regierungswechsel stattfindet und Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt.
Trump will „politische Lösung“ aushandeln
Trump wollte in seiner ersten Amtszeit noch selbst einen Verkauf oder ein Verbot der App erzwingen, hat aber mittlerweile seine Meinung geändert. Er hat sich vor seinem Amtsantritt in die Auseinandersetzung eingemischt und den Supreme Court Ende Dezember aufgefordert, die im Gesetz vorgesehene Frist zunächst einmal auszusetzen. Dies solle ihm erlauben, eine „politische Lösung“ auszuhandeln, sobald er wieder Präsident sei.
Das Gesetz, das nun zum Verbot von Tiktok führen könnte, wurde mit Sorgen um die nationale Sicherheit begründet. Es wurde argumentiert, die chinesische Regierung könnte versuchen, über die Video-App an amerikanische Nutzerdaten heranzukommen. Sie könnte außerdem den Algorithmus manipulieren und auf diese Weise beeinflussen, was Amerikaner auf dem Dienst zu sehen bekommen. Tiktok wertet das Gesetz als Verstoß gegen die im ersten Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung festgeschriebene Redefreiheit.
In der Anhörung ließen nun die meisten Richter durchblicken, dass sie die Bedenken rund um nationale Sicherheit für gerechtfertigt halten, gerade mit Blick darauf, dass China Daten amerikanischer Nutzer sammeln könnte. John Roberts, der Chief Justice im Supreme Court, sagte: „Sollen wir die Tatsache ignorieren, dass die ultimative Muttergesellschaft von der chinesischen Regierung dazu gebracht werden kann, Geheimdienstarbeit zu erledigen?“ Brett Kavanaugh wies auf mögliche längerfristige Risiken hin und suggerierte, China könnte Daten von Amerikanern sammeln, die heute noch jung seien, aber eines Tages für die US-Regierung arbeiten. Damit könne dann versucht werden, sie zu erpressen oder zu Spionen zu machen. Elena Kagan fragte, ob das Gesetz überhaupt Redefreiheit berühre oder ob es hier nur um die Frage der Eigentümerstruktur gehe.
Was passiert, wenn das Gesetz bestehen bleibt
Tiktoks Anwalt Noel Francisco sagte bei der Anhörung, sollte der Gerichtshof das Gesetz stehen lassen, würde die App schließen. Beobachtern zufolge würde das dann wohl heißen, dass sie gewissermaßen von einem Tag auf den nächsten aus den App-Stores von Apple und Google verschwinden würde. Sie würde zwar auf Handys bleiben, auf denen sie schon installiert ist, könnte dann aber nicht mehr per Softwareupdate aktualisiert werden. All das würde auch die vielen Influencer treffen, die auf Tiktok Inhalte produzieren und damit Geld verdienen. Neben Tiktok selbst hat auch eine Gruppe solcher Influencer Klage gegen das Gesetz eingereicht.
Der bevorstehende Regierungswechsel bringt zusätzliche Unsicherheit, was am Ende mit Tiktok geschehen wird. Sollte das Gesetz bestehen bleiben, würde die Umsetzung des Verbots in der Hand des Justizministeriums der Trump-Regierung liegen. Es gilt als denkbar, dass Trump entscheidet, das Verbot erst einmal nicht umzusetzen. Trump hat im vergangenen Wahlkampf seine einstige Position zu Tiktok geändert. Im September schrieb er auf seiner Plattform Truth Social: „All diejenigen, die Tiktok in Amerika retten wollen, wählt Trump!“ Mitte Dezember war Tiktok-Vorstandschef Shou Chew in Trumps Privatklub Mar-a-Lago in Florida. Knapp zwei Wochen später reichte er eine sogenannte „Amicus Curiae“-Stellungnahme zu dem Rechtsstreit beim Obersten Gerichtshof ein, in dem er sich für eine Aussetzung der Frist aussprach. Darin hieß es, Trump allein besitze „vollendete Expertise, Deals zu machen“, um eine Lösung auszuhandeln, die Tiktok rette und gleichzeitig nationale Sicherheitsbedenken nehme.
Die Regierung in Peking hat sich in der Vergangenheit zwar immer wieder kritisch über den angedrohten Bann geäußert und den USA vorgeworfen, sich wie ein Bandit zu verhalten. Im Vergleich zu anderen Konfliktfeldern hält sich China in dem Verfahren aber zumindest öffentlich zurück. Zuletzt verwiesen Sprecher der zuständigen Ministerien auf frühere Äußerungen zu dem Thema. Auf die Anhörung am Freitag gab es noch keine offiziellen Reaktionen aus Peking.
Tiktok betont zwar stets, dass Bytedance mehrheitlich internationalen Investoren gehöre – aber durch die Zentrale in Peking muss sich der Mutterkonzern auch Vorgaben der Behörden beugen. Außerdem kann die Regierung bei einem Verkauf mitbestimmen: Denn der Algorithmus, der die Videos für die Nutzer auswählt, wurde in China entwickelt. Und Peking verbot die Weitergabe solcher Software ohne spezielle Erlaubnis.
Vor knapp zwei Jahren hatte das Pekinger Handelsministerium noch deutlich gemacht, dass es keinen Verkauf akzeptieren werde. Als es unter Trumps erster Präsidentschaft erstmals Bestrebungen gab, die Plattform zu verbieten, reagierte Peking mit neuen Gesetzen, die einen Verkauf verhindern sollten. In der Volksrepublik sind soziale Medien aus dem Ausland blockiert. Tiktok selbst ist in China ebenfalls nicht verfügbar, sondern nur die chinesische Version Douyin.