Parlamentswahl in Frankreich: „Mobilisiert euch, damit das Volk gewinnt“

Die Vorsitzende des rechtsextremen Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, hat nach dem starken Abschneiden ihrer Partei in der ersten Wahlrunde der Parlamentswahl in Frankreich darum geworben, der rechtsnationalen Partei bei den kommenden Stichwahlen
zu einer absoluten Mehrheit zu verhelfen. „Ich rufe Sie auf, sich der
Koalition der Freiheit, der Sicherheit und der Brüderlichkeit
anzuschließen“, sagte Le Pen. „Mobilisiert euch, damit das Volk gewinnt.“

In der Politik sei nichts gewöhnlicher als ein Machtwechsel, sagte Le Pen. Sie warnte vor falscher Angstmache gegen ihre Partei. Um von der kommenden Woche an den Wiederaufbau Frankreichs einzuleiten, müssten die Wähler dem RN zur absoluten Mehrheit verhelfen. „Wir bedanken uns herzlich bei den Wählern
und begrüßen dieses Ergebnis als eine erste Etappe zu einem
Politikwechsel und als ein Zeichen des Vertrauens, das uns ehrt und
verpflichtet“, sagte Le Pen. „Nichts ist gewonnen, die zweite Runde ist entscheidend.“

Nun gehe es darum, „ein neues Kapitel aufzuschlagen nach sieben geringschätzigen und zerstörerischen Jahren“ unter Präsident Emmanuel Macron. Dessen Partei „wurde quasi ausradiert“, sagte Le Pen. Die Politikerin, die bereits im ersten Wahlgang gewählt wurde, sagte in ihrem Wahlkreis im Pas-de-Calais, das Land dürfe bei der Stichwahl nicht in die Hände der „antisemitischen Linken“ fallen. Ihre Partei mit dem Spitzenkandidaten Jordan Bardella müsse die absolute Mehrheit der Sitze erhalten, „um die Einheit und Einigkeit des Landes“
wiederherzustellen.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat
angesichts des Wahlsiegs der Rechtspopulisten zu einem breiten Bündnis
aufgerufen. „Angesichts des Rassemblement National ist es nötig, ein
breites, demokratisches und republikanisches Bündnis für die zweite
Wahlrunde zu bilden“, hieß es in einer Erklärung des Élysée-Palasts. Die
hohe Wahlbeteiligung in der ersten Runde zeuge von der „Bedeutung
dieser Wahl für alle unsere Landsleute und von dem Willen, die
politische Situation zu klären“, wird der Präsident darin zitiert. „Ihre
demokratische Wahl verpflichtet uns“, fügte er demnach hinzu.

Linke wollen drittplatzierte Kandidaturen zurückziehen

„Ein massives Votum hat die Falle vereitelt, die dem Land gestellt wurde“, sagte wiederum Jean-Luc Mélenchon, einer der Chefs des Linksbündnisses Neue Volksfront. Macron habe gedacht, er könne das Land vor eine Wahl stellen, „die niemand mehr will: er oder der RN“. Nun aber sei die Wahl: „Entweder die Neue Volksfront oder der RN“, sagte
Mélenchon. „Wir gehen auf einen zweiten Wahlgang von außergewöhnlicher
Intensität zu. Wir müssen der neuen Volksfront eine absolute Mehrheit
geben, denn sie ist die einzige Alternative“, forderte er. Der Anführer von La France insoumise lobte außerdem die Wahlbeteiligung, insbesondere das „Engagement der Jugend und der Arbeiterviertel“.

Yannick Jadot von den Grünen kündigte an, dass seine Partei alle
Kandidaten zurückziehen werde, die auf dem dritten Platz gelandet sind, um jene
Kandidaten von Macrons Parteienbündnis zu unterstützen, die in der Stichwahl gegen
den Rassemblement National antreten. Ähnlich äußerten sich Raphaël Glucksmann von der linken Partei Place publique sowie Jean-Luc Mélenchon. Das Linksbündnis Neue Volksfront müsse eine absolute Mehrheit bekommen, es sei „die einzige Kraft, die sich gegen den RN stellen kann. Nirgendwo werden wir zulassen, dass der RN gewinnt. Jeder
muss Position beziehen. Es geht um die Republik und um die Idee, die wir von
einem gemeinsamen Leben haben.“

Uneinigkeit bei den Republikanern setzt sich fort

Die französischen Republikaner wollen sich in der zweiten Runde der
Parlamentswahl am 7. Juli nicht wie die Linkspopulisten in bestimmten
Wahlkreisen zurückziehen. Ihre Führung teilte mit, man werde auch keine Wahlempfehlung in Wahlkreisen
geben, in denen die Partei nicht im zweiten Wahlgang vertreten sei.
„Wir überlassen es den Franzosen, sich nach ihrem Gewissen zu äußern“,
hieß es. Der Macronismus sei tot.

Der umstrittene Vorsitzende der Republikaner, Éric Ciotti, rief hingegen alle Konservativen auf, sich
seinem viel kritisierten Schulterschluss mit dem Rassemblement National
anzuschließen. „Heute Abend ist der Sieg in
Sicht“, sagte Ciotti nach dem starken Abschneiden des RN und jener Republikaner-Kandidaten, die sich mit Ciotti für eine Unterstützung des
RN entschieden hatten. „Die historische Union, die wir mit
Jordan Bardella aufgebaut haben, hat langen Jahren der Unbeweglichkeit
der Rechten ein Ende gesetzt“, sagte Ciotti.