Parlament: Bärbel Bas beklagt Verrohung im Bundestag

Die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hat die zunehmend gereizte Atmosphäre in Parlamentsdebatten beklagt. „Die gesellschaftlichen Gegensätze werden auch in den parlamentarischen Debatten deutlich sichtbar“, sagte Bas dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).Die Sprache ist härter geworden, vor allem diskriminierender. Das hat die Atmosphäre im Bundestag spürbar verändert.“ 

Einen Vorwurf an konkrete Abgeordnete oder Fraktionen erhob Bas nicht direkt. Allerdings lässt ein von ihr angeführtes Beispiel darauf schließen, dass vor allem die AfD-Fraktion Adressatin ihrer Kritik ist. „Das Bundestagspräsidium muss leider feststellen: Die von uns erteilten Ordnungsrufe werden teilweise als Trophäen gesammelt“, sagte sie.

Bei den Ordnungsrufen führt die AfD-Fraktion laut einer Zählung des RND die Liste der Fraktionen mit großem Abstand an. Von 110 dieser Ermahnungen seit Beginn der Legislaturperiode seien 72 an Abgeordnete der AfD gegangen. 

„Das Ziel ist es, die Demokratie lächerlich zu machen“

Bas warf den betreffenden Abgeordneten somit vor, es mit ihrer Wortwahl oder anderweitigem Verhalten absichtlich darauf abzusehen. „Es ist aber nicht hinnehmbar und dem Ansehen des Hauses abträglich“, kritisierte die Parlamentspräsidentin, „wenn die Abgeordneten sich in der Plenardebatte, in der es um die Sache gehen soll, persönlich beleidigen und diffamieren.“

Konkretere Vorwürfe als die Bundestagspräsidentin erhob ihre Stellvertreterin Petra Pau (Linke). „Die AfD spricht nicht, um Argumente mit den Mitgliedern anderer Fraktionen zu tauschen oder um die beste Lösung zu streiten, sondern versucht immer wieder, die Grenze des Sagbaren zu verschieben“, sagte Pau. „Das Ziel ist es, die Demokratie lächerlich zu machen.“ 

Das habe auch Auswirkungen auf Abgeordnete anderer Fraktionen. „Der harsche Umgangston der AfD-Fraktion verleitet zunehmend auch andere Parlamentarier, sich im Ton zu vergreifen“, kritisierte Pau – ein Verhalten, das sie offenbar ebenfalls verurteilt: „Manch einer gefällt sich darin, genauso scharf zu reagieren und gegebenenfalls Abgeordnete anzugreifen, was wiederum zu weiteren Ordnungsrufen führt.“

AfD wolle den Parlamentarismus an sich bekämpfen

Ein ähnliches Motiv wie Pau warf der AfD auch Andreas Schulz vor, der Generalsekretär der Kommission des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Das Verhalten der AfD „zielt offenkundig auf eine Delegitimierung des Parlamentarismus und eine Verächtlichmachung der parlamentarischen Praxis“, sagte Schulz dem RND. In seiner Kritik ging er über die Äußerungen Bas‘ und Paus‘ deutlich hinaus – und verglich das Verhalten der AfD etwa mit der NSDAP.

„Nach dem Vorbild der NSDAP im Reichstag der 1920/30er-Jahre nutzt die AfD alle Möglichkeiten zur Obstruktion“, sagte Schulz. „Durch Zwischenrufe, lautstarke Unruhe, Beleidigungen von Rednern“ würden Debatten gestört, während eigene Debattenbeiträge dazu dienten, „das parlamentarische System und die ‚Altparteien‘ systematisch öffentlich zu diskreditieren.“ Anders als die NSDAP, räumte Schulz ein, drohe die AfD allerdings nicht damit, den „Systemparteien“ im Fall einer eigenen Regierungsführung „ein Ende zu bereiten“.

Verstärkt, mutmaßte Schulz, werde die Einstellung der AfD dadurch, dass die anderen Parteien Bündnisse mit ihr ablehnten. „Aus Sicht der AfD haben sich die im Parlament vertretenen ‚Altparteien‘ gegen die neu parlamentarische Kraft verbündet„, sagte er. „Diese aus Sicht der AfD ‚undemokratische Allianz‘ verfälsche den Wählerwillen und rechtfertigt es in der Wahrnehmung der AfD, den Parlamentarismus auch im Bundestag selbst zu bekämpfen.“

Anfang Juli hatten die Fraktionen der Ampelkoalition einen Antrag vorgelegt, der härtere Strafen für Beleidigungen und Störungen im Parlament vorsieht. So solle die Höhe des Ordnungsgeldes, das in solchen Fällen verhängt werden kann, verdoppelt werden. Ausschussvorsitzende sollten zudem die Befugnis erhalten, erhebliche Störungen zu ahnden. Der Antrag der Ampel wurde bislang aber noch nicht angenommen.