Ostdeutschland: Ostdeutsche Länder fordern mehr Einfluss in dieser Bundespolitik
Die Ministerpräsidenten der ostdeutschen Bundesländer fordern künftig mehr Repräsentation auf Bundesebene. Notwendig sei eine „angemessene Vertretung Ostdeutschlands in der neuen Bundesregierung“, heißt es in einem Beschluss der Ministerpräsidenten Thüringens, Sachsen-Anhalts, Sachsens, Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns und Berlins. Die Regierungschefs fordern unter anderem einen Ostbeauftragten mit Kabinettsrang – und mindestens ein Fünftel der Ministerposten in der künftigen Regierung.
„Diese Zahl löst nicht alle Probleme, die wir mit der Unterrepräsentanz von Ostdeutschland in Führungspositionen haben“, sagte etwa Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). „Aber ist ein wichtiges Symbol und deswegen hoffe ich sehr, dass die Bundesspitzen der Parteien die Weisheit besitzen, die entsprechenden Menschen zu suchen. Und dann werden sie sie auch finden.“ Thüringens Regierungschef Mario Voigt (CDU) sagte nach dem Treffen mit seinen Amtskollegen in Berlin: „Ostdeutschland verdient nicht nur einen Platz am Tisch, sondern Einbindung auf Augenhöhe.“
Unterproportional in Firmen und Behörden, überrepräsentiert im Bundesrat
In Ostdeutschland lebt knapp ein Fünftel der deutschen Bevölkerung, in den Führungen zahlreicher Unternehmen und Behörden sind Ostdeutsche aber unterrepräsentiert. Anders ist es, zumindest teilweise, in der Politik: So gehören dem neuen Bundestag 98 Abgeordnete aus Ostdeutschland an, was 15 Prozent und damit knapp einem Sechstel der Sitze entspricht. Dem Präsidium des neuen Parlaments gehören allerdings keine Ostdeutschen an.
Im Bundesrat wiederum sind Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin überdurchschnittlich vertreten: Dort kommen sie auf 23 von 69 und damit ein Drittel der Sitze. Grund dafür ist allerdings keine Sonderregelung für den Osten, sondern der Umstand, dass Länder mit geringer Bevölkerungszahl in der Länderkammer generell überrepräsentiert sind.
Die von den Ministerpräsidenten geforderte Quote für das Bundeskabinett würde wiederum bedeuten, dass mindestens drei Ministerinnen und Minister aus dem Osten stammen sollen. Das solle strukturelle Unterschiede zwischen Ost und West sichtbar machen und neue wirtschaftliche Impulse anstoßen, sagte Voigt. Dem bisherigen Kabinett gehörten mit Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zwei Ostdeutsche an.
Thüringens Regierungschef sieht darin nach eigenen Angaben nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine Chance für das gesamte Land. Bei anstehenden Reformen „können viele Erfahrungen, die wir im Osten gemacht haben, bei der Transformation, bei der Veränderung, in den letzten 35 Jahren eine große Rolle spielen“, sagte er. So habe der Osten viele Erfahrungen etwa in der Planungsbeschleunigung von Verkehrswegen.
Ähnlich drückte sich auch der Präsident der IHK Ostthüringen, Ralf-Uwe Bauer aus, der mit anderen Vertretern der Wirtschaft zu der Konferenz geladen war: In Ostdeutschland habe es seit der Wiedervereinigung eine „extrem positive wirtschaftliche Entwicklung“ gegeben, sagte er. Ostdeutsche Firmen seien besonders innovationsstark.
Ost-Regierungschefs fassen Sondervermögen ins Auge
Neben einer symbolischen Repräsentation fordern die Ost-Regierungschefs auch Investitionen in ihre Länder. Sie sollen aus dem Infrastruktur-Sondervermögen von 500 Milliarden Euro stammen, das Bundestag und Bundesrat im März billigten. Die Mittel daraus müssten den Ländern „schnell und unbürokratisch“ zur Verfügung gestellt werden, forderte Voigt. „Und die Länder müssten nach ihren jeweiligen Schwerpunkten dann auch entscheiden können, wie sie es einsetzen.“ Darüber hinaus fordern die Regierungschefs eine Reform von Staat und Verwaltung mit dem Ziel, Bürokratie abzubauen.
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), forderte seinerseits eine stärkere Förderung strukturschwacher Regionen. „Wir müssen uns noch stärker dafür einsetzen, dass die Menschen überall in Deutschland gut leben können“, sagte Schneider dem Spiegel, wobei er sich auch auf Regionen im Westen bezog.
Nach der Konferenz der Ost-Regierungschefs, an der er ebenfalls teilnahm, kündigte Schneider zugleich den Abschied von seinem Amt an: Die Position des Ostbeauftragten solle weiterhin im Bundeskanzleramt angesiedelt sein, sagte der Sozialdemokrat. Weil für ihn das persönliche Vertrauen des noch amtierenden Kanzlers Olaf Scholz (SPD) besonders wichtig gewesen sei, und dieser nun abgelöst werde, sagte Schneider über sein Amt: „Das endet dann.“