Nvidia-Zahlen: Hier zeigt sich, wie nervös die Anleger sind, wenn es um KI geht

Dem amerikanischen Chip-Hersteller Nvidia geht es glänzend. Das Unternehmen verdiente in den zurückliegenden drei Monaten beinahe 17 Milliarden Dollar – das sind fast 170 Prozent mehr gewesen als während derselben Zeit vor einem Jahr. Und diese Zahl misst sich zudem an einem Umsatz von 30 Milliarden Dollar, was verdeutlicht, wie unglaublich profitabel das Geschäft ist. Ein vergleichbares Unternehmen in dieser Größenordnung gibt es gegenwärtig schlicht und einfach nicht. Nicht in Europa. Und auch nicht in Amerika. Und dann kündigt der Konzern auch noch ein milliardenschweres Aktienrückkaufprogramm an.

Sehr erstaunlich mutet da auf den ersten Blick an, wie die Anleger auf diese betriebswirtschaftlich prächtigen Ergebnisse reagiert haben: Nachbörslich verminderte sich der Nvidia-Aktienkurs um mehr als 8 Prozent. Nvidia bleibt damit das nach Apple und vor Microsoft zweitwertvollste an der Börse notierte Unternehmen der Welt. Gleichwohl wirft der Kursrutsch Fragen auf. Wie kann das sein?

Die Microsoft-Aktie tritt auf der Stelle

Einerseits liegt er womöglich daran, dass der schillernde Unternehmensgründer und Vorstandsvorsitzende Jensen Huang offenbar für die nahe Zukunft nicht so viel weiteres Wachstum versprochen hat, wie das manche professionellen Marktakteure erwartet – oder besser: erhofft – hatten im Vorfeld. Anscheinend war er während seiner Präsentation auch nicht über jeden Zweifel erhaben, wann und wie sich der kommerzielle Erfolg der neuen Blackwell-Prozessorenarchitektur einstellen wird. Gleichwohl überbrachte Huang de facto keine schlechten Nachrichten; weder als es um die Geschäftsentwicklung ging noch um die konkrete Technologie. Im Gegenteil.

Die ernüchternde Börsenreaktion ist denn auch vornehmlich ein sehr sichtbares Signal dafür, wie übertrieben die Erwartungen der Anleger nach wie vor sind, wenn es um Künstliche Intelligenz geht. Ja, diese Schlüsseltechnologie besitzt ein gewaltiges Potential. Ja, sie wird viele Arbeitsprozesse und Produkte verändern. Ja, sie wird weitere Tätigkeiten von Menschen auf Computer übertragen. Ja, sie betrifft jede Branche, die öffentliche Verwaltung und letztlich auch jeden Einzelnen. Ja, Nvidia ist der momentan führende Ausrüster der KI: Die speziell auf die den modernen Lernalgorithmen zugrunde liegenden Berechnungen zugeschnittenen Nvidia-Prozessoren sind heiß begehrt; sie schlagen alle konkurrierenden Produkte. Und ja, zu den Kunden Nvidias zählen alle, die in der Tech-Branche Rang und Namen haben, damit betreiben zahlungskräftige Internetkonzerne wie Alphabet (Google) oder Meta ihre Rechenzentren.

Der zugrunde liegende Technologie-Trend ist nicht gebrochen. Aber ganz so schnell, wie das die extreme Kursentwicklung gerade von Nvidia lange suggerierte, geht es mutmaßlich doch nicht. Zur Erinnerung: Die Aktie verteuerte sich im vergangenen Jahr um 240 Prozent, und sie liegt seit Jahresbeginn um weitere ungefähr 150 Prozent im Plus. Bewährte Bewertungskennzahlen wie das Verhältnis des Börsenkurses zu den erzielten Gewinnen (KGV) liegen im Falle Nvidias weit oberhalb der entsprechenden Werte anderer finanzkräftiger Unternehmen oder beispielsweise auch des Nasdaq-Technologieindexes.

Ökonomisch plausible Gründe für solche Bewertungsaufschläge gibt es durchaus, wenn etwa das Geschäft des betreffenden Unternehmens besonders stark wächst, seine Konkurrenz schwach und seine Markt- und Preissetzungsmacht infolgedessen groß sind. Auf Dauer durchhalten lassen sie sich indes häufig nicht. Im Juni korrigierte der Nvidia-Aktienkurs schon einmal merklich – aus ganz ähnlichen Gründen wie jetzt auch.

Nvidia ist für die Anleger längst mehr als nur ein erfolgreiches KI-Unternehmen. Wie sich der Konzern weiterentwickelt, ist zu einem Gradmesser für die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der KI geworden. Nvidia-Geschäftszahlen haben inzwischen mitunter einen ähnlichen Stellenwert wie neue Arbeitslosen- oder Inflationszahlen – deshalb tobt schon kurz vorher eine breite Debatte, wie sie ausfallen, deshalb schauen eben gegenwärtig alle Anleger darauf.

Sie haben übrigens auch etwas anderes registriert: Der Aktienkurs des Internetkonzerns Microsoft hat sich seit Juni merklich vermindert, verglichen mit dem Jahresbeginn liegt er gerade einmal mit 9 Prozent im Plus. Microsoft profitierte lange vom Erfolg des KI-Dialogsystems ChatGPT, dessen Hersteller OpenAI die gegenwärtige KI-Euphorie auslöste und mit dem Microsoft stark verbandelt ist. Auch diese Kursenzwicklung signalisiert indes, dass langsam augenscheinlich eine gewisse KI-Ernüchterung eintritt. Schlecht ist dieses Rendezvous mit der Realität bestimmt nicht.