Neues Postgesetz: Wenn dieser Postmann später klingelt

Die Deutsche Post bekommt mehr Zeit, normale Briefe zuzustellen. Und für Paketzusteller greifen bald härtere Regeln zum Arbeitsschutz. Zum Beispiel müssen sie für schwere Pakete eine offiziell zugelassene Tragehilfe haben, falls sie allein unterwegs sind. Ein Verbot von Subunternehmen, wie es die Gewerkschaft Verdi und mit ihr SPD und Grüne gefordert hatten, ist aber vom Tisch.

Auf dieses Kompromisspaket zum neuen Postgesetz haben sich die Fachpolitiker von SPD, Grünen und FDP zu Wochenbeginn im Schatten der Debatten über die Europawahl verständigt. Auf Grundlage der geräuscharm erzielten Einigung soll das Gesetz nun nach ihren Plänen noch vor der Sommerpause von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Eine Verabschiedung im Bundestag wurde für diese Woche vereinbart. Es ist die erste große Reform des Postgesetzes seit der Liberalisierung des Brief- und Paketwesens vor mehr als 25 Jahren.

Die Grünen stellten dies umgehend in direkten Kontrast zur Kritik an der Ampelkoalition nach der Europawahl. „Die rot-grün-gelbe Koalition beweist ein weiteres Mal: Wir packen schwierige Themen an und machen dieses Land fit für die Zukunft“, erklärte ihre wirtschaftspolitische Sprecherin San­dra Detzer. Ihr SPD-Kollege Sebastian Roloff stellte die Schritte zu einem strengeren Arbeitnehmerschutz heraus. Und Reinhard Houben, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP, hob hervor, dass damit der Wettbewerb gesichert werde. Dies nütze den Ver­brau­chern. „Zudem bleibt der niedrigschwellige Eintritt in den Arbeitsmarkt in der Paket- und Logistikbranche möglich“, sagte er.

Briefe dürfen länger brauchen

Die Lockerung der Laufzeitvorgaben für Sendungen im Bereich des einstigen Briefmonopols der Deutschen Post war schon im Ende 2023 beschlossenen Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen. Bisher musste die Post sicherstellen, dass mindestens 80 Prozent der Briefe am folgenden Werktag ankommen und bis zum zweiten Werktag 95 Prozent am Ziel sind. Künftig müssen Standardbriefe zu 95 Prozent am dritten Werktag und zu 99 Prozent am vierten Werktag beim Empfänger sein.

Die Einhaltung solcher Vorgaben ist Bedingung dafür, dass die Post im Kernbereich der sogenannten Universaldienste keinen offenen Wettbewerb dulden muss und im Gegenzug eine verlässliche Zustellung auch in abgelegenen Regionen garantiert. Dies ist erst durch die Querfinanzierung zwischen Stadt und Land rentabel möglich. Da aber im digitalen Zeitalter insgesamt weniger Briefe verschickt werden, geht die Rechnung nicht mehr so auf wie früher. Längere Laufzeiten bringen nun Entspannung auf der Kostenseite.

Aus Sicht der Ampelkoalition und insbesondere der Grünen bringt es aber auch ökologische Vorteile, da für den Transport normaler Sendungen künftig auf Nachtflüge verzichtet werden könne. Wer sehr eilige Sendungen hat, muss künftig mehr dafür bezahlen. Der Eilbrief fällt dann aber auch nicht mehr unter die Universaldienste, auch Wettbewerber dürfen mitmischen.

Die Post ist zufrieden – aber nicht rundum

Die Deutsche Post wartet schon lange sehnsüchtig auf eine Einigung beim Postgesetz. „Der Gesetzentwurf erkennt wesentliche Realitäten der sich verändernden Postmärkte und einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft an“, teilte das Unternehmen mit. Der Entwurf stelle eine „überfällige Überarbeitung“ dar, die Post hoffe auf eine zügige Verabschiedung. Rundum zufrieden zeigte sie sich aber nicht.

„Erhebliche Schwächen“ sieht das Unternehmen zum Beispiel, weil weitere Netzzugänge für Wettbewerber geschaffen würden. So können künftig laut Aussage der Post Briefdienstleister mit eigener Infrastruktur auch einen Netzzugang für „warentragende Sendungen“ – also Pakete oder Päckchen – beantragen. Die Postkonkurrenten können dann größere Mengen solcher Sendungen sammeln und der Post übergeben, die sie dann dem Endkunden zustellt. Paketdienstleister wie Hermes oder DPD sind davon allerdings zunächst nicht erfasst. Für sie würde das erst gelten, wenn sie auch eine Brieflizenz hätten, die sie theoretisch aber beantragen könnten. Auch bemängelt die Deutsche Post, dass „Bürokratie ausgeweitet“ werde.

Postkonkurrenten hingegen lobten „Verbesserungen für den Wettbewerb im Briefmarkt“. Sie freuen sich etwa darüber, dass die Bundesnetzagentur schärfere Instrumente an die Hand bekomme. Der Vorsitzende des Bundesverbandes Briefdienste, Walther Otremba sagte, Wettbewerb sei auch in schrumpfenden Branchen wichtig, „denn er sichert Qualität und leistungsgerechte Preise“. Der Briefmarkt dürfe nicht zur „Milchkuh“ des internationalen Logistikkonzerns DHL werden, „in dem leicht verdientes Geld zum Ausbau der Expansion in anderen Bereichen genutzt wird“.

Viel Wirbel um die Subunternehmen

Große politische Aufmerksamkeit hatte zudem das Thema Arbeitsschutz. Die Gewerkschaft Verdi hatte mit Rückendeckung der Deutschen Post ein Verbot von Subunternehmen in der Paketzustellung gefordert – mit der Begründung, dass nur dies Paketfahrer vor schlechten Arbeitsbedingungen schützen könne.

Neben privaten Paketdiensten, die darin einen Schachzug des Ex-Staatskonzerns gegen Konkurrenz sahen, hatte auch die Monopol­kom­mission davor gewarnt. Gerade in länd­li­chen Regionen mit kleinem Paket­auf­kom­men drohe eine starke Einschränkung des Angebots, falls bundesweit tätige Paketdienste dort die Option verlören, Zustellaufträge bei regionalen Subunternehmen zu bündeln.

Die Regierung hatte im Gesetzentwurf zwar kein Subunternehmerverbot vorgesehen. SPD und Grüne hatten aber in Aussicht gestellt, dies im parlamentarischen Verfahren noch einzufügen. Houben betonte, dass auch die FDP entschieden für ein „Aussortieren schwarzer Schafe“ unter den Zustelldiensten eintrete. Tatsächlich aber seien diese eine Minderheit, für deren Verhalten man nicht eine ganze Branche mit einem solchen Verbot belegen könne.

Schärfere Regeln für schwere Pakete

In zwei anderen Punkten gibt es aber nun Verschärfungen. Das gilt zum einen für Pakete von mehr als 20 Kilogramm: Zwar soll für deren Zustellung, anders als von Verdi gefordert, nicht ausnahmslos ein Anliefern durch zwei Personen vorgegeben werden. Aber die Zustellung durch eine Person soll nur noch zulässig sein, falls sie ein Transportgerät hat, das einen vom Arbeitsministerium festzulegenden Kriterienkatalog erfüllt.

Unzufrieden damit zeigte sich die Fachgewerkschaft DPVKOM. „Viele Zustellerinnen und Zusteller ächzen unter den hohen Paketgewichten von bis zu 31,5 Kilogramm. Die Zustellung von schweren Paketen macht sie auf Dauer krank. Wir fordern, dass Pakete über 20 Kilogramm generell durch zwei Personen zugestellt werden“, sagte die DPVKOM-Bundesvorsitzende Christina Dahlhaus.

Überdies sollen die Arbeitsschutzbehörden künftig zur Kontrolle von Höchstarbeitszeiten mehr Da­ten heranziehen können: Sie sollen die reguläre Arbeitszeitdokumentation auch mithilfe jener Uhrzeiten prüfen können, die Kunden bei der Anlieferung der Pakete durch den Zusteller bestätigen.