Nach welcher Europawahl: Der Verbrenner ist nicht totzukriegen

Das EU-weite Verbot von Verbrennermotoren im Straßenverkehr ist noch in weiter Ferne, aber schon jetzt gerät es unter Druck. Jüngstes Beispiel: Die Unionsfraktion im Bundestag hat sich vorgenommen, das im Jahr 2035 greifende Verbot zu kippen und will dazu einen Antrag zu „technologieoffenem Klimaschutz“ in das Parlament einbringen. Darin schlagen CDU und CSU einen Maßnahmenkatalog für „klimafreundliche Mobilität“ vor, der darauf zielt, Autos mit herkömmlichen Verbrennermotoren auch nach 2035 zuzulassen, wenn sie mit klimaneutralen synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, betrieben werden.

Bestärkt sehen sich die Konservativen durch den Ausgang der Europawahl, der in Deutschland insbesondere den Grünen ein herben Rückschlag versetzt hat. Die Europawahl habe gezeigt: „Die Bürger wollen kein Verbot des Verbrennungsmotors!“, sagt der CDU-Verkehrspolitiker und Initiator des Antrags, Christoph Ploß. Statt einseitig auf Elektroautos zu setzen, solle sich der Staat darauf beschränken, die Klimaziele vorzugeben, aber die Umsetzung Verbrauchern und Unternehmen überlassen.

Außerdem brauche es eine Strategie für den Markhochlauf von E-Fuels und Energiepartnerschaften mit anderen Staaten, heißt es in dem Antrag. Und schließlich müsse es eine „vorurteilsfreie Berechnung“ der Klimabilanz von batteriebetriebenen Fahrzeugen und Verbrennern geben, die beispielsweise auch den CO2-Ausstoß beim Strommix und bei der Herstellung berücksichtigt.

Auf Ebene der EU ist die Lage komplizierter

Das Unterfangen, das beschlossene Verbrennerverbot auf EU-Ebene zu kippen, ist nicht trivial. Das hat auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) erfahren, der seit fast zwei Jahren für den Erhalt der Verbrenner-Technologie kämpft, um sie künftig mit E-Fuels betreiben zu können. Diese Möglichkeit sieht das Verbot ab 2035 nur für Bestandsfahrzeuge vor, für Neuwagen lässt die Regulierung dann faktisch nur noch E-Antriebe zu. Innenpolitisch sind sich Union und FDP in diesem Punkt also durchaus nahe, auf europäischer Ebene ist die Lage komplizierter.

Neben der inoffiziellen schwarz-gelben Koalition in Deutschland gibt es auch in Italien starke Kräfte, die das Verbrenner-Verbot noch verhindern wollen. Ein Hebel, um das Verbrennerverbot 2035 infrage zu stellen: Das Gesetz zu den CO2-Flottengrenzwerten für Neuwagen sieht ohnehin für 2026 eine Überprüfung vor. Die könnte die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) theoretisch auf das kommende Jahr vorziehen. So haben es EU-Abgeordnete von CDU/CSU nach dem Parteikongress der christdemokratischen EVP im März verbreitet.

Das Ergebnis dieser Überprüfung könnte ein Vorschlag sein, das Verbrenner-Aus aufzuheben oder wahrscheinlicher zu verschieben. Letzteres wird auch aus den Reihen der europäischen Autoindustrie immer wieder ins Spiel gebracht. Allerdings müssen dem auch eine Mehrheit im Ministerrat und Europaparlament dafür stimmen – und die ist alles andere als gewiss.

Frankreichs Präsident Macron befürwortet das Aus

Der französische Präsident Emmanuel Macron ist Befürworter des Verbrenner-Aus, auch wenn er nach der Europawahl geschwächt ist. Im Europaparlament wiederum hat sich nicht einmal die Mehrheit der EVP-Fraktion hinter die Forderung gestellt. Das Ende des Verbrenner-Aus war vor allem ein Thema der deutschen Union.

Und die Hersteller selbst? Die europäische Automobilindustrie spricht sich bisher stets offiziell für das Verbrenner-Verbot aus, aber das Bild innerhalb der Branche ist durchaus gespalten und stark vom jeweiligen Geschäftsinteresse geprägt. Europas größter Autokonzern Volkswagen zählt zu den unbeirrten Anhängern. Nur die Zwischenziele auf dem Weg dorthin will VW entschärft sehen, um die Industrie zu entlasten.

Gleichzeitig bemühen sich die Wolfsburger, flexibel zu bleiben. Etwa ein Drittel der geplanten Investitionen für die nächsten fünf Jahre von 180 Milliarden Euro sind weiter für Verbrennertechnologie reserviert, die VW wettbewerbsfähig halten will.

Am Stammsitz in Niedersachsen stößt dieses Taktieren nicht nur auf Gegenliebe. Vor allem kleinere Zulieferer sehen sich in ihrer Existenz gefährdet und fordern eine Kehrtwende der EU. „Mit dem Verbrennerverbot ist die europäische Politik falsch abgebogen, die Entscheidung muss dringend korrigiert werden“, sagt Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Niedersachsenmetall, der vor allem die Interessen der Zulieferer vertritt. Der Verbrenner sei „nicht das Problem, sondern Teil der Lösung“, um die Mobilität zu dekarbonisieren, etwa durch den Einsatz klimaneutraler E-Fuels.

China bietet subventionierte günstige Autos in Europa an

Teil des Kalküls ist, dass sich Hersteller und Zulieferer auf einen schnellen Hochlauf der Elektromobilität eingestellt haben. Doch diese Erwartung wurde enttäuscht: Während bei den Herstellern die Verkaufszahlen von elektrischen Autos stagnieren, bleiben bei den Zulieferern die eingeplanten Abrufe von Komponenten für Elektroautos aus.

Schwierig wird die Lage auch dadurch, dass chinesische Hersteller viele hoch subventionierte günstige E-Autos im europäischen Markt anbieten. Das bringt die europäischen Hersteller in Bedrängnis, die sich bisher noch schwer tun damit, den Kunden auch günstige Einsteigerfahrzeuge zur Verfügung zu stellen.

Die Kommission setzt deshalb darauf, die europäischen Hersteller durch Strafzölle auf die Einfuhr von Elektrofahrzeugen zu schützen. Das soll ihnen ermöglichen, den technischen Rückstand gegenüber der Konkurrenz aus China aufzuholen. Eine Entscheidung wird in Kürze, wahrscheinlich sogar schon an diesem Mittwoch erwartet.

Grundlage für die Zölle ist der Vorwurf, dass China seinen Herstellern durch hohe Subventionen einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschafft hat. Das könnte aber den Umstieg weiter erschweren: Teure E-Autos gelten als wichtiger Grund für die Zurückhaltung der Verbraucher.

Mercedes hält zwar am Umstieg auf elektrische Antriebe fest, revidiert aber den Anspruch, vom Jahr 2030 an möglichst nur noch vollelektrische Fahrzeug zu verkaufen. Vielmehr bereitet sich der Konzern darauf vor, dass Autos mit Verbrennungsmotoren noch viel länger am Markt ihren festen Platz haben werden. „Taktisch flexibel bleiben“ lautet deshalb die Devise. Das betrifft Werke, in denen das Unternehmen noch auf längere Zeit sowohl Elektroautos als auch Fahrzeuge mit konventionellen Antrieben produziert. Der Chef des Automobilzulieferers Mahle, Arnd Franz, betont, dass nur mit elektrischen Fahrzeugen die Klimaziele zu erreichen sind – allerdings im Zusammenspiel mit anderen Techniken wie synthetischen Kraftstoffen. Vor diesem Hintergrund lehnt Franz das Verbrenner-Verbot ab.

Anders sieht das die französische Autoindustrie, allen voran Renault und der stark aus Frankreich geführte Multimarkenkonzern Stellantis. Sie beide wollen sogar schon Ende dieses Jahrzehnts in Europa zu 100 Prozent batterieelektrische Fahrzeuge verkaufen. Weil mit der Vollelektrifizierung die Karten in der Autoindustrie neu gemischt werden, wird sie aus französischer Sicht auch als Chance gesehen, die Wettbewerbsposition gegenüber der jahrzehntelang dominierenden deutschen Konkurrenz zu verbessern. Politisch fügt sie sich zudem ein in Macrons Autonomie- und Souveränitätskonzepte. Die Produktion von Elektroautos in Frankreich soll das Land unabhängig machen und zugleich gut bezahlte Industriejobs in einer Zukunftstechnik in die Regionen bringen.