Migrationsdebatte: Die aufgeheizte Stimmung spielt den Rechten in die Hände

Inhaltlich läge man nah beieinander. Das wurden die Teilnehmer*innen des Spitzentreffens zur Migrationspolitik in der vergangenen Woche im Bundeskanzleramt nicht müde zu betonen. Am 6. November sollen konkrete Beschlüsse gefasst werden, wie man Migration begrenzen oder vielmehr am besten verhindern kann. In den vergangenen Wochen ist die Sprache der Debatte auf den Kern des Anliegens verkommen. Vielleicht ist das gut, weil sich nun eine recht klare Übersetzungsleistung anbietet, was eigentlich wirklich gemeint und gewollt ist.

Zuvor: Ein Dank an Bremen, dessen Regierung sich gegen „diskriminierende Maßnahmen, wie etwa weitere, über die gegenwärtige Rechtslage hinausgehende Arbeitspflichten oder Bezahlkarten, die keine Bargeldabhebungen ermöglichen“, stemmt. Und: Es ist unstrittig, dass Länder und Kommunen für menschenwürdige Unterbringung und ermutigende Integrationsangebote für Geflüchtete mehr Geld brauchen. Viel mehr Geld.

Niemand versucht mehr zu bemänteln, dass die Migrationsdebatte der vermeintlich flächendeckend identifizierten Stimmung in der Bevölkerung folgt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD): „Wir sind fest entschlossen, alle miteinander das Vertrauen der Bevölkerung wiederzugewinnen.“ Da kann man schon Angst kriegen. Denn die vertrauensbildenden Maßnahmen werden auf Kosten jener Menschen gehen, die aus schlimmster Not kommen.

Was nun folgt und schon begonnen hat, ist klar: CDU, CSU und AfD werden die Daumenschrauben weiter anziehen. Reicht noch nicht, haben sie ja alle schon bekundet. Welch fürchterliche Einigkeit. Integrationsobergrenze, mögliche Grundgesetzänderung, damit dieser Verfassungsbruch Legitimität erhält, noch mehr angeblich sichere Drittstaaten, noch viel mehr dreckige Deals mit Ländern, deren Unterschrift unter die Deals sie plötzlich zu lupenreinen Demokratien mutieren lässt. Kollateralschäden wie ein paar tote Kinder und Erwachsene bei der Jagd auf mutmaßliche Schleuser werden eingepreist. Die Union tönt, die Möglichkeit zur schnelleren Arbeitsaufnahme werde einen zusätzlichen Anreiz bieten, nach Deutschland zu kommen. Das sagt unter anderem auch Friedrich Merz, der noch vor Kurzem polemisierte, dass die in unsere kostbaren Sozialsysteme einwandernden Schmarotzer nur herkämen, um sich die Zähne sanieren zu lassen. Also mitnichten, um es mit ehrlicher Arbeit zu versuchen.

Eines der schlimmsten Wörter in diesem Zusammenhang ist das „Rückführungspaket“. Damit werden Geflüchtete zu Stückgut erklärt, und es wird so getan, als sei es nur eine Frage der richtigen Abkommen, des sicheren Zauns und der finanziellen Anreize für Länder an den EU-Außengrenzen, ob man den Ausschuss, der hier ankommt, wieder loswird. Annahme verweigern, zurück an Absender.

Das „Rückführungspaket“ schickt Menschen in die Todeszonen, die Politik nennt es einen „wesentlichen Schritt zur Begrenzung irregulärer Migration“. Was irregulär ist, bestimmen wir. Menschen sind ebenso in der Sprache getilgt, wenn von einem „Bündel von Maßnahmen“ die Rede ist, die eine konsequentere Durchsetzung der Ausreisepflicht vorsehen. Psychologisch funktioniert das. Die „flächendeckend identifizierte Stimmung der Bevölkerung“ beweist, wie gut. Rechts hat’s gesagt, die sogenannte Mitte hat was draus gemacht. Der Schulterschluss der einen wird der anderen Elend sein.