Martin Winterkorn weist Vorwürfe in Volkswagen-Dieselprozess zurück

Im Strafverfahren wegen des Volkswagen-Dieselskandals hat der frühere Konzernchef Martin Winterkorn die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Weder sei er der „Hauptangeklagte“ noch der „Hauptverantwortliche“ des Themas „Diesel“ bei Volkswagen, erklärte Winterkorn am Dienstag über seinen Anwalt vor Prozessbeginn in Braunschweig. Allein seine Stellung als damaliger Vorstandsvorsitzender des Wolfsburger Autokonzerns rechtfertige nicht, ihn für das Thema Dieselmotoren in allen seinen Facetten verantwortlich zu machen. „Unser Mandant hat nicht betrogen und niemanden geschädigt, er hat den Kapitalmarkt nicht gezielt im Unklaren gelassen, so dass Anleger geschädigt würden, und er hat auch gegenüber dem Untersuchungsausschuss nicht die Unwahrheit gesagt.“

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 77-Jährigen unter anderem gewerbsmäßigen Betrug, Marktmanipulation und uneidliche Falschaussage vor. Zudem soll er 2015 den Kapitalmarkt nicht rechtzeitig über massenhafte Abgasmanipulationen bei Dieselmotoren informiert haben. Bei einer Verurteilung droht Winterkorn eine Geld- oder Freiheitsstrafe. Eigentlich sollte sich Winterkorn zusammen mit vier anderen VW-Managern schon 2021 vor Gericht verantworten. Das Verfahren gegen ihn wurde jedoch aus gesundheitlichen Gründen zurückgestellt.

Volkswagen hatte 2015 auf Druck der US-Umweltbehörde EPA zugegeben, Diesel-Abgaswerte durch eine Software manipuliert zu haben. Diese sorgte dafür, dass die Motoren die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand zwar einhielten, auf der Straße aber ein Vielfaches dieser giftigen Abgase ausstießen. Der Skandal löste eine Vielzahl von Prozessen aus. Im Juni 2023 wurde der frühere Chef der Volkswagen-Tochter Audi, Rupert Stadler, vom Landgericht München zu einer Bewährungsstrafe und einer millionenschweren Geldauflage verurteilt.

Winterkorn wenig gesprächig

Winterkorn war wenig gesprächig, als er sich eine halbe Stunde vor Prozessbeginn kurz der Presse stellte. „Heute nicht“, sagte er auf die Frage, ob er sich zur Sache einlassen werde. Gefragt, wie er auf sein Lebenswerk schaue, antwortete Winterkorn: „Wenn ich die vielen schönen Autos sehe, ganz gern“.

Der Prozess gegen Winterkorn startet just am Tag nach einem Beben bei Volkswagen: Die Jobgarantie, die den VW-Beschäftigten bisher die Sicherheit gab, noch auf Jahre einen sicheren Arbeitsplatz zu haben, steht plötzlich zur Disposition. Werkschließungen in Deutschland sind nicht mehr ausgeschlossen. Der Konzern befinde sich in einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage, hatte Konzernchef Oliver Blume in einer Führungskräfteveranstaltung erklärt. Dafür gibt es zahlreiche Ursachen. Eine davon wird durchaus im Vertrauensverlust in den Verbrennermotor gesehen, der durch den Dieselskandal fraglos befeuert wurde.

Die Autoindustrie hatte die Tragweite des Themas sofort erkannt, nachdem im September 2015 der Verdacht von Abgasmanipulationen publik geworden war, die amerikanische Wissenschaftler und Umweltbehörden recherchiert hatten. „Wir sollten Maßnahmen vermeiden, die die Wettbewerbsfähigkeit unserer Branche untergraben“, erklärte der Präsident des europäischen Autoverbandes ACEA, der damalige Renault-Chef Carlos Ghosn, in einem Brief an den EU-Industrieministerrat zehn Tage nachdem die Vorwürfe öffentlich wurden. Schließlich stehe die Autoindustrie für gut zwölf Millionen Arbeitsplätze in Europa. Die Anleger hatten in der Zeit ihre Aktien schon reihenweise abgestoßen, der VW-Kurs war binnen zehn Tagen um mehr als 40 Prozent abgestürzt, obwohl es auch Analysten gab, die mit einem geringen Schaden für Volkswagen rechneten. Allein Volkswagen hat der Dieselskandal bisher 33 Milliarden Euro gekostet.