„Made in Germany“: Ach, Deutschland

Als Coumba seufzend die elterliche Küche betritt, fragt ihre
Mutter, was los sei. Coumba antwortet: „Ach, Deutschland.“ Ja, was ist los in
Deutschland? Glaubt man der sechsteiligen Serienanthologie Made in Germany,
ist in Deutschland, oder spezifischer: in Berlin, das los, was immer los ist:
Partys bis frühmorgens, aussichtslose Wohnungssuchen, Grübeln über die Wahl des
richtigen Studiums. So weit unterscheidet sich die von Studio Zentral und Hyperbole für ARD Degeto produzierte Serie
nicht groß von anderen Coming-of-Age-Formaten.

Doch was in Deutschland eben los ist und weswegen Coumba sich
resigniert an die Mikrowelle lehnt, ist der alltägliche Rassismus. Als Coumba ihre
Nachbarin weinend im Treppenhaus vorfindet, berichtet das Mädchen von der
Schule, wo sie für ihren Berufswunsch – Pilotin – ausgelacht wurde. Sie werde
sowieso Hausfrau und zehn Kinder kriegen, hätten
ihr die Mitschüler gesagt. Mit solchen oder ähnlichen Erfahrungen werden
fast alle der insgesamt sechs Protagonistinnen und Protagonisten immer wieder
konfrontiert. Manchmal sind die Sprüche offen vorurteilsbehaftet, manchmal sind
die Erlebnisse subtiler.

Made in Germany zeigt den Alltag der sechs Freundinnen
und Freunde, die in zweiter Generation in Deutschland leben. Jede Episode folgt
einer anderen Person, was die Anthologie zu einer Art Kaleidoskop postmigrantischer
Erlebnisse macht. Alle Geschichten haben ihren eigenen Schwerpunkt und
ihre eigene Erzählweise. Ani (Maria Mai Rohmann) zieht
eher unfreiwillig bei ihrem vietnamesischen Vater ein, Mo (Mohamed Kanj
Khamis) will entgegen den Wünschen seiner Eltern auf eine Filmschule wechseln, Jamila
(Paula Pitsch) macht unangenehme Datingerfahrungen und
Coumba (Vanessa Yeboah) bekommt einen Modeljob für eine große Werbekampagne,
der für sie in einem Shitstorm endet. Nikkis (Daniil Kremkin) Leben wird durch
eine Sommerliebe mit seiner jüdischen Familiengeschichte konfrontiert, Zehras
(Beritan Balci) Familie lehnt ihre lesbische Beziehung ab, während sie das Sterben ihres Vaters verarbeiten muss.

Um die von der Degeto betonte Authentizität sicherzustellen,
hat die Produktion auf ein Ensemble aus Laien sowie erfahrenden Schauspielerinnen
und Schauspielern gesetzt. Neben den vier
Drehbuchautorinnen und -autoren (Ozan Mermer, Đức Ngô Ngọc, Anta Helena Recke
und Raquel Stern) führten noch vier weitere Personen Regie (Bahar Bektas, Duc-Thi
Bui, Naomi Bechert und Sharon Ryba-Kahn). Dieses Konzept zahlt sich aus, denn die einzelnen Episoden unterscheiden sich sowohl
in Dramaturgie als auch in der visuellen Gestaltung. Coumbas Episode endet beispielsweise
mit filmischen Porträts der Mädchen aus ihrer Nachbarschaft, die dabei in die
Kamera schauen und am Schluss für ein Gruppenbild posieren. Dieser individuell
gestaltete Schluss hebt auf subtile Art und Weise die Individualität der
einzelnen Mädchen hervor und rückt sie ins Zentrum, macht sie für uns bewusst sichtbar
– also das, was Coumba mit ihrer Arbeit als Model und Influencerin erreichen
will.

Indem der Fokus auf dem Alltäglichen liegt und es keine
durcherzählte Handlung gibt, wirkt die Serie ziemlich unspektakulär. Die
einzelnen Episoden werden lose dadurch zusammengehalten, dass die Figuren immer wieder kurz in den Episoden der anderen Protagonisten auftauchen. Das
Nichtspektakel ist gewollt, denn es unterstreicht: So sieht deutscher
Alltag auch aus. In der Gesellschaft dürfte dies schon länger angekommen sein,
doch hat es bislang an entsprechender Repräsentation in Film und Fernsehen
gefehlt. Verschiedene
Studien belegen
, dass Angehörige gesellschaftlicher Minderheiten dort
seltener, aber dafür oft negativer dargestellt werden als
solche, die der Mehrheitsgesellschaft angehören.