Lieferkettengesetz: Eine Pause belohnt nur die Planlosen

Wenn es um die Wirtschaft geht, gibt es einen Begriff, der in den vergangenen Jahren recht unbemerkt eine große Karriere hingelegt hat, er ist nicht besonders schön, aber besonders deutsch. Im Jahr 2023 tauchte er in Tausenden Zeitungsartikeln auf und fiel in fast jeder Bundestagssitzung, er findet sich im Koalitionsvertrag der Ampel genauso wie im neuen Grundsatzprogramm der CDU. Das Zauberwort lautet: Planungssicherheit.

Ob Verbraucherinnen, Schweinehalter, Handwerker, Spediteure oder Ärztinnen – sie alle wollen sicher planen können, womit und wie sie in Zukunft Geld verdienen können und wofür sie es ausgeben müssen. Man kann das verstehen, denn in den letzten Jahren haben viele Schocks unzählige Pläne durchkreuzt: die Pandemie, der Angriff Russlands auf die Ukraine, die Energiekrise. Dazu kam der Ärger um das Heizungsgesetz, das erst so und dann so aussehen sollte und am Ende noch mal anders aussah – was erst zu vielen Bestellungen von Wärmepumpen führte und dann dazu, dass sie gerade kaum noch wer haben will. Für die Wirtschaft ist so etwas schädlich, egal wie man über Wärmepumpen denkt.

Jetzt hat Robert Habeck einen weiteren Angriff auf die Planungssicherheit unternommen. Der grüne Wirtschaftsminister und Vizekanzler war bei einer Veranstaltung von Familienunternehmern zu Gast. Es ging um das deutsche Lieferkettengesetz, das der Bundestag Mitte 2021 verabschiedet hatte. Damals lobten Vertreter der großen Koalition natürlich auch die Planungssicherheit, die es biete. Es verpflichtet Unternehmen, auf saubere Lieferketten zu achten, also nicht bei Lieferanten einzukaufen, die beispielsweise Kinder als Arbeitskräfte einsetzen oder Trinkwasser verunreinigen.

Anfangs galt das Gesetz für Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten, seit Januar dieses Jahres müssen es auch Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten umsetzen. Die damit verbundene Bürokratie wurde oft beklagt, aber sie dient einem guten Zweck: den Menschenrechten. Und sie kam nicht überraschend, man konnte mit ihr planen. Nun aber hat Habeck vorgeschlagen, das Gesetz auszusetzen, bis „in zwei Jahren ungefähr“ die europäische Lieferkettenrichtlinie in deutsches Recht umgesetzt werde.

Die Ampel schafft einmal mehr neue Unsicherheiten

Es gibt Fälle, in denen es richtig ist, eine Regel pausieren zu lassen. Während der Corona-Pandemie setzte die Bundesregierung zum Beispiel die Insolvenzantragspflicht aus, um zu verhindern, dass die Lockdowns Firmen in die Pleite treiben. Diese Pause bedrohte die Planungssicherheit nicht, sondern stellte sie für viele Unternehmerinnen und Unternehmer erst wieder her. Sie konnten so weiter Löhne zahlen, investieren und – planen.

Nun ist es umgekehrt, und das ist ein Problem. Nicht nur weil eine Pause schlecht ist für die Menschenrechte und die Umwelt. Sie schadet auch jenen Unternehmen, die ihre neuen Pflichten erfüllt haben – in der Erwartung, dass ihnen sonst Strafen drohen. Und sie begünstigt jene Firmen, die sich darum erst spät gekümmert haben und bei einer Aussetzung für ihre Planlosigkeit belohnt würden. Die Ampel hat zudem einmal mehr neue Unsicherheiten geschaffen, denn SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat Habeck sofort widersprochen (was die Unternehmerin Marie-Christine Ostermann vom Familienunternehmer-Verband zu Recht sogleich als „planlos“ kritisiert hat).

Besser wäre es, die europäischen Regeln konsequent umzusetzen, die deutschen daran anzupassen und das auch den Unternehmen klar zu signalisieren. Damit die – genau – Planungssicherheit bekommen.