Künstliche Intelligenz: KI-Apps verhelfen Kenias Farmern zu höheren Erträgen

Schädlinge, Pflanzenkrankheiten und schlechtes Know-how sorgen für kolossale Ernteausfälle in Kenia. Der Gebrauch von KI-Apps ändert das, weshalb sie bei den Landwirten vor Ort auf wachsende Beliebtheit stoßen


Krank oder gesund? Kenias Landwirte nutzen Apps, um Schädlinge und Krankheiten ihrer Pflanzen zu identifizieren

Foto: Yasuyoshi Chiba/AFP/Getty Images


Sammy Selim läuft durch die dichten, glänzend grünen Büsche seiner Kaffeefarm an den Berghängen in der Nähe des Ortes Sorwot in Kericho County. Begleitet wird er von Kennedy Kirui, einem jüngeren Landwirt, der Sammy dabei behilflich ist, Koordinaten seines Betriebs in eine Whatsapp-Konversation einfließen zu lassen. Das Gespräch findet mit Virtual Agronomist statt, einem Tool, das Künstliche Intelligenz (KI) nutzt, um den Gebrauch von Düngemitteln zu lenken. Der Chatbot, ein textbasiertes Dialogsystem, stellt einige Fragen, bevor die Antwort gegeben wird, dass drei Arten von Düngemitteln in bestimmten Mengen verwendet werden sollten. So lasse sich der Ertrag der Plantage steigern.

Der Landwirt plante, viel mehr Dünger zu verwenden

Nach Erhalt der Daten ist Sammy Selim erstaunt, er plante, viel mehr Dünger zu verwenden, als Virtual Agronomist empfohlen hat. „Ich hätte Geld verschwendet.“ In Kericho County und anderen Regionen des Landes erfreuen sich die KI-gestützten Hilfen für Kleinbauern immer größerer Beliebtheit.

Schädlinge, Pflanzenkrankheiten und mangelndes technisches Know-how haben dazu geführt, dass sich Farmer an Ernteausfälle in großem Maßstab gewöhnt haben. Früher verließen sie sich auf den Rat von „Beratungsbeauftragten“. Das waren Fachleute, die von den lokalen Verwaltungen eingesetzt wurden, um ihre Dienstleistungen anzubieten. Doch ging die Zahl dieser Helfer immer mehr zurück, weil ihr Einsatz kaum noch finanziert werden konnte. In Kenia gibt es siebeneinhalb Millionen Kleinbauern, sodass zuletzt auf einen Berater 1.093 Agrarhaushalte kamen, während die UN-Welternährungsorganisation FAO das Verhältnis von 1 : 400 empfiehlt.

Sammy Selim begann 2022, unterstützt von einem Kollegen, der ein Smartphone besaß, Virtual Agronomist für seine einen Hektar große Farm in Anspruch zu nehmen. Den Empfehlungen folgend, produzierte sein Betrieb seither pro Jahr im Schnitt sieben Tonnen Kaffee und damit den höchsten je erreichten Ertrag. Selim hielt sich bei Dünger nicht mehr an „allgemeines Bauernwissen“, wie er es nennt, indem er verschiedene Arten zu unterschiedlichen Zeiten nutzte, ohne genug über die Bodengesundheit zu wissen. Die Ausbeute auf seiner Plantage war so gering, dass er bis dahin lediglich 2,3 Tonnen Kaffee jährlich erntete. Er entnahm zwar Bodenproben, um sie in weit entfernten Laboren testen zu lassen, aber es dauerte Monate, bis ihn die Ergebnisse erreichten, manchmal ging er leer aus und erfuhr überhaupt nichts.

Die App erkennt den Herbst-Heerwurm

„Eine große Herausforderung für Landwirte besteht darin, nicht genau zu wissen, was ihr Boden tatsächlich braucht“, meint Florah Maritim, Direktorin der Sorwot Coffee Farmers Cooperative Society, die Kaffee von örtlichen Bauern aufkauft. Ähnlich verhalte es sich mit Bauern, die herausfinden wollen, welche Schädlinge ihre Pflanzungen befallen haben.

Musau Mutisya aus dem Dorf Kwa Mwaura im Kreis Machakos (Zentralkenia) erzählt, er habe sich einst auf eigenes Wissen verlassen, um einem Schädlingsbefall auf den Grund zu gehen, allerdings habe er sich zu sehr auf Erfahrungen verlassen. An einem sonnigen Morgen steht er nun auf seiner Farm neben einer Maispflanze und richtet die Kamera seines Telefons auf ein zerrissenes Blatt, um PlantVillage zu nutzen, eine KI-gestützte App zur Diagnose der erkennbaren Pflanzenkrankheit. Ein Sprachassistent erklärt ihm, wie er das Telefon halten sollte, identifiziert den Schädling als den Herbst-Heerwurm und gibt Ratschläge, wie man den bekämpfen könne. Die Tools kommen anhand von Bildern und Daten zu ihren KI-Modellen. Die Forscher von PlantVillage etwa füttern ihre Datenbasis mit Tausenden von Bildern gesunder und kranker Pflanzen, damit sie lernt, wie man Schädlinge identifiziert. Die Gestalter von Virtual Agronomist kreierten ein System, um den pH-Wert und andere Bodeneigenschaften mit Hilfe den gesamten Kontinent erfassender Satellitendaten vorherzusagen.

Landwirte brauchen Informationen, um erfolgreich zu sein, findet Enock Chikava, Direktor für agrarische Liefersysteme bei der Gates Foundation, von der die gemeinnützige Organisation iSDA unterstützt wird, die Virtual Agronomist begründete. „Wir glauben an die Kraft des Digitalen“, sagte Chikava. „Es kann die Dinge wirklich voranbringen.“ Auch Boniface Nzivo im Dorf Mua, Kreis Machakos, hat sich davon überzeugt. Er nutzt ein System namens FarmShield, um Temperatur, Luft- und Bodenfeuchtigkeit zu überwachen und sich beim Gemüseanbau beraten zu lassen. „So verschwende ich keine Zeit damit, herauszufinden, wie viel Wasser ich verbrauchen sollte“, sagt er und führt durch ein Gewächshaus, für das eine konstante Wasserversorgung benötigt wird.

Carlos Mureithi ist der Ostafrika-Korrespondent des Guardian