Krieg in Nahost: Kein Ende in Sicht und untergeordnet kein Plan z. Hd. im Folgenden

Der Gazastreifen kollabiert: Mehrere Zehntausend Menschen wurden getötet, fast die gesamte Bevölkerung ist vertrieben worden und obdachlos. Trinkwasser ist knapp, Müll kann nicht entsorgt werden. Diese Woche meldete die Weltgesundheitsorganisation den ersten Fall von Polio seit 25 Jahren, nachdem seit Monaten Neugeborene nicht mehr geimpft worden waren. Im Juli soll das Virus im Abwasser an sechs verschiedenen Orten nachgewiesen worden sein. 

Der Gazastreifen ist einer der am dicht besiedelten Landstreifen der Welt, nur etwa 40 Kilometer lang, maximal 14 Kilometer breit und seit fast elf Monaten Ziel von Kriegsangriffen. Israels Armee kämpft gegen die Hamas, die weiterhin mehr als hundert israelische Geiseln gefangen hält. Mehr als 12.000 Terroristen will Israel getötet, Waffenlager und Raketenwerfer zerstört und damit die Terroristen militärisch massiv geschwächt haben. Trotzdem aber fallen weiterhin israelische Soldaten, gruppieren sich die Hamas-Kämpfer regelmäßig neu.

Während dem Küstenstreifen ein endloser Krieg droht, diskutieren Expertinnen und Experten in Israel, vor allem aber in den USA, Pläne für den Wiederaufbau. Wer sie liest, stellt fest, dass es selbst bei einem Waffenstillstand keine wirklich realistischen Optionen gibt. „Wenn das Schießen aufhört, wird der Gazastreifen ein politisches und wirtschaftliches Ödland bleiben“, schrieb Daniel Byman, Professor an der Georgetown-Universität in Washington, D. C., und führender Terrorismusexperte, in der Juliausgabe des Magazins Foreign Affairs.

Byman hat mehrere Szenarien ausgearbeitet, wie es weitergehen könnte, allein: „Keine davon ist gut.“ Im schlimmsten Fall würde die Hamas weiter an der Macht bleiben, könnte diese eventuell sogar ausbauen im vom Israel besetzten Westjordanland. Byman skizziert auch, wie eine israelische Besatzung aussehen könnte und wie realistisch der von den USA bevorzugte Plan eines Wiederaufbaus unter internationaler Aufsicht und Hilfe ist. Kurzfristig würden die Palästinenser demnach die internationale Hilfe zwar begrüßen.

Im Westjordanland spitzt sich die Lage zu

Trotzdem sei der Plan weitgehend ein Wunschtraum: „Die Hamas ist so tief in den Gazastreifen verstrickt, dass es schwer sein dürfte, dort angesehene Beamte zu finden, die von der Gruppe unabhängig und stark genug sind, um sich ihrem Einfluss zu widersetzen.“ Die „beste schlechte Lösung“ wäre es, wenn die im Westjordanland regierende Palästinensische Autonomiebehörde (PA) die Verwaltung des Gazastreifens übernähme.

Allerdings, auch bei dieser Lösung fällt es im Moment leichter, die Herausforderungen zu benennen, als Chancen aufzuzeigen. „Während sich der Gazakrieg hinzieht, wird die Lage im Westjordanland von Tag zu Tag brisanter, und weder Israel noch die regionale und internationale Gemeinschaft unternehmen die notwendigen Schritte, um eine zusätzliche Verschlechterung zu verhindern“, schreibt Neomi Neumann, israelische Gastwissenschaftlerin am Washington-Institut für Nahoststudien, in einer aktuellen Analyse über den Zustand der PA.

Konkret untersucht Neumann, was passieren würde, wenn Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas die Macht einbüßen und seine Behörde zusammenbrechen würde, bevor in Gaza überhaupt der Tag danach beginnt. Die Bevölkerung im Westjordanland verliere zunehmend die Hemmungen, sich dem gewalttätigen Kampf der Hamas anzuschließen, schreibt die ehemalige wissenschaftliche Leiterin bei Israels Inlandsgeheimdienst Shin Bet dazu.