Konflikt mit China: Zollstreit spaltet dasjenige Kabinett – und die Grünen

Deutschland stimmt gegen EU-Strafzölle auf E-Autos aus China, obwohl das Kabinett in dieser Frage gespalten ist und die Regierung in Berlin davon ausgehen musste, dass ihr Votum nichts an der Entscheidung in Brüssel ändern wird. Das ist ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnlicher Vorgang. Selbst langjährige Beobachter des politischen Betriebs in Berlin und Brüssel können sich auf Anhieb nicht an einen vergleichbaren Fall erinnern. Im Gegenteil, in Brüssel spricht man schon seit längerem vom „German Vote“. Damit ist die Enthaltung gemeint, die es aus Berlin in den vergangenen Jahren oft in Europa gegeben hat, weil sich die diversen Koalitionen in der jeweiligen Frage nicht einig waren.

Der Konflikt zu den E-Autozöllen kulminierte Mitte dieser Woche in der Kabinettsitzung. Finanzminister Christian Lindner FDP) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gerieten dem Vernehmen nach aneinander. Sie vertreten in der Frage EU-Strafzölle schon lange gegensätzliche Positionen. Der FDP-Vorsitzende warnte früh vor den Folgen möglicher Gegenmaßnahmen Pekings.

Die Grünen-Politikerin nahm die Gegenposition ein, sie warb für ein hartes Auftreten Europas. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) positionierte sich dazwischen. Er warb für eine Enthaltung. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte gehofft, dass sich das Thema in den europäisch-chinesischen Verhandlungen noch abräumen lässt, bevor es zum Schwur kommt. Lindner soll Baerbock in der Kabinettsitzung aufgefordert haben, gemeinsam eine BMW-Betriebsversammlung zu gehen, um zu erleben, wie die Beschäftigten die Politik der Grünen bewerteten.

Die grüne Fraktion ist auf Baerbocks Seite

Scholz entschied nun mit einem Machtwort den Streit. Gestützt auf seine Richtlinienkompetenz sorgte er dafür, dass Deutschland am Ende mit nein abstimmte. Der Vergleich mit dem Vorgänger-Machtwort von Scholz, die drei verblieben Kernkraftwerke in der Energiekrise drei Monate länger laufen zu lassen, obwohl die Grünen das ablehnten, führt in die Irre. Damals gab es das Gerücht, der Rückgriff auf die Richtlinienkompetenz sei letztlich abgesprochen gewesen, um den Grünen eine gesichtswahrende Lösung in dem Konflikt zu ermöglichen.

Dieses Mal sieht das anders aus. Baerbock legte nämlich am Freitag nach. „Wer den Industriestandort Deutschland schützen will, muss die EU Kommission stärken und darf Anti-Dumping-Zölle nicht vom Tisch nehmen“, hieß es in ihrem Ministerium. „Wenn China mit zwölf Leuten auf dem Spielfeld steht und wir mit elf, muss Europa was ändern.“

Die grüne Fraktion ist auf Baerbocks Seite. „Der EU-Entschluss ist richtig, die Zölle dienen der Sicherung des fairen und freien Wettbewerbs zwischen Europa und China gemäß den Richtlinien der Welthandelsorganisation WTO“, sagte Sandra Detzer, wirtschaftspolitische Sprecherin Fraktion. Detzer fand harte Worte gegen Scholz. „Das Votum des Bundeskanzlers ist kontraproduktiv“, sagte sie. „Europa muss seine Interessen geeint vertreten, das ist schwierig, wenn der deutsche Kanzler als Solotänzer unterwegs ist.“

Weiter Konfliktpotential in der Koalition

Bei dem anderen Koalitionspartner fällt die Reaktion erwartungsgemäß anders aus. „Wichtig war, dass Deutschland eine klare Position hat und der Bundeskanzler von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht hat“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr der F.A.Z. Teile der Grünen würden offensichtlich einen Handelskrieg akzeptieren. „Diejenigen, die das tun, sollten ihre Position sofort ändern“, mahnte er. „Ein Handelskrieg schadet allen Beteiligten, der Autoindustrie, aber auch Europa insgesamt. Daher müsse die Chance auf eine Verhandlungslösung genutzt werden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen müsse ihren Kurs radikal ändern.

So knirscht es weiter im Gebälk der Koalition – nur bedeutet das nicht, dass sie zusammenstürzt. Aufhorchen lassen die Unstimmigkeiten innerhalb der Grünen. Hier Außenministerin Baerbock, die Strafzölle unterstützt, dort Wirtschaftsminister Habeck, der für eine Enthaltung stand. Die beiden Minister äußerten sich später gemeinsam in dem Sinne, dass Europa im Zangengriff zwischen China und den USA nur etwas erreichen könne, wenn es Geschlossenheit zeige. Diese Erkenntnis steht freilich im Gegensatz dazu, dass weder die Ampelkoalition in der Zollfrage mit einer Stimme spricht noch das grüne Lager. Zwar wird versichert, beide wollten die EU-Kommission mit mehr Verhandlungsmacht ausstatten. Aber natürlich sendet Baerbocks Zustimmung zu den Zöllen ein anderes Signal aus als Habecks Enthaltung.

Früher gab es eine solche Kluft zwischen den beiden Grünen-Politikern nicht. Bei der Formulierung der Chinastrategie der Bundesregierung und im koalitionsinternen Ringen um die Beteiligung eines chinesischen Staatsunternehmens am Hamburger Containerterminal Tollerort zogen sie gegen den chinafreundlichen Kanzler an einem Strang. In Berlin wird nun daran erinnert, dass Habeck im kommenden Jahr Kanzler werden will. Daher müsse er industrie- und arbeitsplatzfreundlich auftreten und dürfe es sich nicht von vornherein mit Deutschlands wichtigstem Handelspartner China verderben.