Klimageld, Rente, Sparpolitik: Diese Bundesregierung ist eine Zumutung

Gegen die Ampel-Koalition ist jede Ehekrise ein friedlicher Waldspaziergang. Doch die Regierung passt zur Stimmung im Land. Der defekte Regierungsflieger von Annalena Baerbock auf dem Weg in den Indopazifik war das perfekte Symbol für Krise made in Germany. Seien wir ehrlich: An Stammtischen war eine gewisse Schadenfreude spürbar – darüber, dass die Mächtigen, die Verzicht predigen, mal Linie fliegen müssen. Und das kommt nicht von Ungefähr: Denn die Koalition aus SPD, Grünen und FDP spricht gerne über Zumutungen, die unvermeidbar seien. Drei aktuelle Beispiele, die das Sommerloch beherrschten:

Erstens: Die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken führte im ARD-Sommerinterview aus, dass das versprochene Klimageld erst im Jahr 2025 kommen soll. Dabei hatte die Ampel-Koalition im Frühjahr 2022 die Zumutbarkeit steigender CO₂-Preise noch damit begründet, dass man bis Ende des Jahres auch das Klimageld auf den Weg bringen werde. Nun soll das Klimageld also Jahre später kommen. Das muss das neue Deutschland-Tempo sein!

Höhere CO₂-Preise, aber kein Klimageld

Die Koalition rechnet mit 2,3 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Jahr 2024 aufgrund höherer CO₂-Preise. Denn Tanken und Heizen soll vom 1. Januar 2024 an teurer werden. Ohne Klimageld ist dies also eine gigantische Umverteilung von der Bevölkerung mit überwiegend kleinen und mittleren Einkommen hin zu Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP).

Dabei haben höhere Preise allein noch keinen Lenkungseffekt. Denn wer etwa auf das Auto verzichten soll, braucht zuverlässige Alternativen. Ohne ein Mega-Investitionsprogramm in die öffentliche Verkehrsinfrastruktur werden daher viele Menschen, die sich die Mieten in den Innenstädten nicht mehr leisten können und zur Arbeit pendeln müssen, trotzdem weiter ins Auto steigen und ihre Ausgaben anderweitig einschränken müssen. Schließlich wurden in den vergangenen Jahren im Schienennetz tausende Bahnkilometer abgebaut.

Die reichsten Haushalte mit dem höchsten CO₂-Verbrauch kratzen höhere Preise hingegen kaum. Auf diesen Widerspruch hatte sogar ein Grundschüler die heutige Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) in einer Fernsehsendung vor der Bundestagswahl 2021 hingewiesen. Wir wissen auch, wie in Frankreich die Gelbwesten-Bewegung aus Protest gegen die soziale Schieflage in der Energiepolitik entstand.

Das Klimageld zur Kompensation höherer CO₂-Preise wird jedoch bis mindestens 2025 – dem Endjahr der Koalition – nicht ausgezahlt, weil es an der Dateninfrastruktur zu Direktüberweisungen durch den Bund fehlt, genauer: ein zentrales Verzeichnis der Wohnbevölkerung Deutschlands mit Steuer-Identifikationsnummer, Name, Adresse und Bankverbindung. Ein kafkaeskes Problem, das seit Jahren bekannt ist und etwa in der Corona-Krise hoch und runter diskutiert wurde. Zudem hat Robert Habeck kürzlich im Podcast Lage der Nation erkennen lassen, dass er das Klimageld nur sehr eingeschränkt befürwortet. Auch beim Gaspreisdeckel hatte sich Habeck quergestellt. Damit tut die Koalition selbst alles, um die Unterstützung für den ökologischen Umbau zu sabotieren.

Die Lüge von der unsicheren Rente

Zweitens mehren sich alle Jahre wieder Rufe nach einer Erhöhung des Renteneintrittsalters. Etwa von unternehmensnahen Lobbyverbänden, wirtschaftsliberalen Professoren wie der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm und Politikern der Regierungsparteien wie dem grünen Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz. Grimm hatte sich im Frühjahr vergangenen Jahres auch für einen kalten Entzug beim russischen Gas ausgesprochen und diesen als verkraftbar bezeichnet. Die Bundesregierung entschied sich schließlich für eine weniger brutale und riskante Variante der Umstellung der Energieversorgung, die dennoch mit erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden ist.

Landesfinanzminister Bayaz fordert ebenso ein höheres Renteneintrittsalter und spricht von notwendigen Zumutungen für die Bevölkerung. Obwohl wir als Land, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), über die Jahre immer reicher werden, sollen wir nach der Meinung mancher Unternehmerlobbyisten und ihrer Freunde in der Politik, die meistens selbst nie eine körperliche Arbeit geleistet haben, also am besten schuften, bis der Sargdeckel über uns zufällt. Dabei schaffen es viele Menschen, die körperlich arbeiten müssen, schon heute nicht mehr bis zum Regelalter von 67 Jahren.

Dabei zeigt Österreich, wie es anders geht: Mit einem Rentensystem, in das alle einzahlen. Die Renten liegen dort im Durchschnitt höher als in Deutschland. Denn entgegen der Rentenlüge in Teilen der Politik werden wir nicht nur älter, sondern auch produktiver, wie etwa der Statistik-Professor Gerd Bosbach immer wieder betont. Wenn die Löhne daher mit der wirtschaftlichen Entwicklung mitwachsen und ein hoher Beschäftigungsstand erreicht wird, auch Politiker und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen (mit den Beamten ist es etwas komplizierter), gibt es keine fundamentalen Probleme für unser Rentensystem. Eine Rente, die den Lebensstandard sichert, wäre finanzierbar. Beitragserhöhungen fielen allenfalls moderat aus.

Kürzen statt investieren

Drittens werden die Staatsausgaben im Bundeshaushalt gekürzt, ausgenommen die Verteidigung, wo ohne mit der Wimper zu zucken, trotz Filz im Beschaffungswesen, Milliarden obendrauf gepackt werden und Rüstungsaktien Kurssprünge vollziehen. Dass eine Koalition unter Führung der SPD und Beteiligung der Grünen mitten in einem Krieg, einem Energiepreisschock und einer Wirtschaftskrise die außergewöhnliche Notlage im Rahmen der Schuldenbremse außer Kraft setzt und im zukünftigen Haushalt auf Kredite zur Finanzierung von öffentlichen Investitionen weitgehend verzichtet, ist völlig verrückt. Gleichwohl trickst man bei der Schuldenbremse, indem man über Sondervermögen und Fonds doch Kredite aufnimmt.

Nun kommt es erneut zum Streit um das Wachstumschancengesetz von Finanzminister Lindner und Erleichterungen für Unternehmen, etwa bei den Abschreibungen. Die Ampel regiert das Land wie die Vereinskasse eines Taubenzüchtervereins, aber ein Gesetz im Umfang von sechs Milliarden Euro oder weniger als 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes soll nun über das Schicksal des Landes entscheiden. Wir brauchen dringend eine Schwachsinnsbremse, keine Schuldenbremse.

Die internen Konflikte der Grünen

Der Konflikt um das Veto der grünen Familienministerin Lisa Paus gegen das Wachstumschancengesetz offenbart dabei, dass die Verschwörungstheorie, die SPD und Grüne zuweilen streuen, wonach die Ampel-Koalition Opfer der fiesen Erpressung durch den kleinsten Koalitionspartner und Finanzminister Lindner sei, nicht stimmt. Nicht nur unterstützt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Lindners Finanzpolitik ausdrücklich. Auch Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Habeck, der die grünen Minister in der Koalition koordiniert, hatte dem Gesetz intern bereits zugestimmt. Im Frühjahr 2022 hatten SPD und Grüne die Eckwerte des Bundeshaushaltes klaglos durchgewinkt. Bereits vor Wochen ließen sich grüne Abgeordnete anonym zitieren: Lisa Paus solle sich bei der Kindergrundsicherung nicht verkämpfen. Schließlich sei Bekämpfung von Kinderarmut nicht das Wichtigste für grüne Besserverdiener. Die Konflikte in der Ampel sind daher auch interne Konflikte der Grünen.

Auch nicht vergessen werden sollte: In der Vergangenheit forderten wesentliche grüne Finanzpolitiker wie Anja Hajduk, heute Staatssekretärin von Wirtschaftsminister Habeck, gar noch eine Verschärfung der Schuldenbremse und permanente Haushaltsüberschüsse Deutschlands. Und Habeck schrieb vor der Bundestagswahl Gastbeiträge in der FAZ gegen eine Vermögensabgabe für Milliardäre. Auch beim faulen Kompromiss für die Erbschaftssteuer im Bundesrat, die aufgrund großzügiger Privilegien für Firmenerben immer wieder vom Verfassungsgericht bemängelt wurde, stimmten der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, sowie der damalige Landwirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, Robert Habeck, ohne Not zu. Christian Lindner ist ein beliebter Buhmann, um von den eigenen Widersprüchen abzulenken.

Dabei trägt Deutschland heute bereits die rote Laterne bei den öffentlichen Investitionen in der EU. Die Investitionsquote in Deutschland – öffentliche Investitionen im Verhältnis zum BIP – liegt seit Jahren so niedrig, dass wir als einstiges Land der Ingenieure, Dichter und Denker nicht einmal den Wertverlust des öffentlichen Kapitalstocks durch Verschleiß ausgleichen. Der Zustand der Deutschen Bahn oder der Regierungsflieger ist ein Symbol für Deutschland. Während wir uns zum Gespött der Welt machen, wird in den USA mit dem „Inflation Reduction Act“ in Zukunftstechnologien investiert; China baut derweil die Solarkapazität im Rekordtempo aus.

Konjunkturprogramm für die AfD

Die größte Zumutung für die Bevölkerung in Deutschland ist daher diese Regierung. Sie tut aktuell alles dafür, die grundsätzliche Unterstützung der Bevölkerung für den ökologischen Umbau der Wirtschaft, den sie zu ihrem zentralen Regierungsprojekt erkoren hat, erfolgreich zu sabotieren.

Die Ampel-Koalition hat sich von weiten Teilen der Bevölkerung völlig entkoppelt. Dies ist ein Konjunkturprogramm für die AfD. Das ist auch von daher verheerend, weil die Erfahrungen mit der ultrarechten Ministerpräsidentin Italiens zeigen, dass die Lautsprecher am rechten Rand im Zweifel bei den Konzernen auf dem Schoß säßen und den kleinen Leuten tief ins Portemonnaie greifen würden.

Fabio De Masi war Mitglied des Deutschen Bundestages (2017-2021) und des Europäischen Parlaments (2014-2017). Der Finanzexperte gehörte bis vergangenes Jahr der Partei Die Linke an und ist seither parteilos sowie als Autor tätig.