KI-Aktien: Nvidia und welcher nächste Hype

Was für eine Woche. Eben war Nvidia noch die Kursrakete und mit mehr als 3,3 Billionen Dollar das wertvollste Unternehmen der Welt. Inzwischen hat es eine so ordentliche Kurskorrektur gegeben, dass Microsoft wieder an dem Chip-Entwickler vorbeigezogen ist. Ist der Hype um Nvidia vorbei? Vermutlich nicht: „Die Aktie von Nvidia könnte bis zum Jahresende eine beeindruckende Rallye hinlegen und eine Bewertung von 6 Billionen US-Dollar erreichen,“ sagte der Tech-Investor Eric Jackson von EMJ Capital vor ein paar Tagen.

Nach dem Kursrutsch liegt die Marktkapitalisierung bei gut 3 Billionen Dollar. Ob man Jackson glauben mag, ist jedem selbst überlassen. Er gehörte jedenfalls zu den frühen Investoren in die späteren Internetgiganten Yahoo und Viacom.

Die versammelte Gemeinde ist sich ziemlich einig, dass es sich mit dem Kursrutsch von über 10 Prozent in der zurückliegenden Woche vor allem um Gewinnmitnahmen gehandelt haben dürfte. Inzwischen hat sich der Nvidia-Aktienkurs wieder etwas erholt. Wer schon vor Jahrzehnten in Nvidia investiert hat, kann sich über ein zigfaches Kursplus freuen – aber eben auch nur auf dem Papier. Wer Gewinne nicht realisiert, hat schließlich noch nichts gewonnen.

Veräußerungsgewinne mit Aktien sind steuerpflichtig

Wer die Nvidia-Aktien nun aber doch mit einem satten Gewinn verkauft hat, darf nicht vergessen: Aktiengewinne sind steuerpflichtig – mit Freibeträgen. Die liegen bei 1000 Euro für Singles und 2000 Euro für Paare. Über den Freistellungsauftrag, der bei einer Bank hinterlegt ist, werden die Freibeträge dann direkt aktiviert. Aber keine Panik, das lässt sich auch im Nachhinein über die Steuererklärung wieder reinholen.

Anleger könnten auf die Idee kommen, hohe Gewinne von Aktienkursen mitzunehmen und im Fall gesunkener Kurse gegebenenfalls wieder in den gleichen Wert einzusteigen. Das lässt sich machen, doch die Frage ist, ob es sich nicht mehr lohnen würde, die Füße still zu halten und in dem Wert einfach weiter investiert zu bleiben. Denn klar ist: Auf den Veräußerungsgewinn der Aktien sind zwangsläufig Steuern zu zahlen.

Auch am Ende dieser Woche fragen sich Anleger, wie es mit dem amerikanischen Unternehmen weitergeht. War der Kurssturz das Signal zum Einstieg? Muss der Anleger die Volatilität aushalten lernen? Oder ist es irgendwann einfach wirklich Zeit zu gehen, ist die Aktie am Ende längst überbewertet?

Warnsignal Partythema

„Nvidia – investieren, ja oder nein?“ ist längst ein Partythema geworden, sagt auch Christian Kahler, geschäftsführender Gesellschafter von Kahler & Kurz Capital. Freunde und Bekannte aus dem privaten Umfeld, die sonst nicht viel mit Aktien am Hut hätten, seien längst investiert oder fragten immer wieder nach den aktuellen Einschätzungen. „Das ist ein klares Warnsignal“, sagt Kahler. Diejenigen, die schon investiert sind, sollten auf der Welle der Kursgewinne „weitersurfen“ und vielleicht von Zeit zu Zeit Positionen absichern oder auch mal Gewinne realisieren und umschichten.

Kurskorrekturen sind immer auch Si­gnale zum Einstieg. Zu groß sei der Schmerz, in diesem Jahr nicht investiert gewesen zu sein und damit unterdurchschnittlich abgeschnitten zu haben. Es gebe derzeit eine Hausse am Aktienmarkt mit nur sehr wenigen liquiden Marktführern, die die Märkte ankurbeln. „Ich denke, dass wir dieses Jahr im vierten Quartal etwas Ähnliches erleben werden.“ Ein starker Anstieg nach einer Konsolidierung ist in der zweiten Jahreshälfte denkbar.

Und Aktienkurse von Unternehmen hinter den liquiden Marktführern könnten ansteigen, dazu gehören ARM Holdings, SMCI oder auch Dell . Neue Themen zur Künstlichen Intelligenz (KI) dürften dann diskutiert werden. Dadurch werde es noch genügend Grund geben, die Aktie weiter zu kaufen. „Doch die Nvidia-Aktie ist inzwischen jedoch anspruchsvoll bewertet“, sagt Kahler. Nach seinen Berechnungen beträgt das geschätzte Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von Nvidia für 2025 nun 35 Einheiten.

Anleger, die nun jetzt erst investieren wollen, sollten sich zurückhalten. Viele, die jetzt noch kaufen, hätten die unausgesprochene Erwartung, noch mal eine Verfünffachung oder Verzehnfachung des Aktienkurses in den nächsten Jahren zu bekommen. „Das ist eine Erwartung, die sich nicht erfüllen dürfte.“ Generell sei der Treibstoff für KI-Aktien – und damit auch für Nvidia – und weitere Kursanstiege vorhanden: Die Unternehmen im Sektor erzielten ein konstant hohes Wachstum von deutlich über 30 Prozent im Jahr. Das Gewinnmomentum nehme auf Quartalsbasis zu. Die Unternehmen arbeiteten sehr profitabel, die Verschuldung sei gering. „Das ist ein erheblicher Unterschied zum Kursanstieg der Internetaktien 1997 bis 2000, wo mehr heiße Luft durch die Unternehmen produziert wurde statt nachhaltiger Unternehmensgewinne.“

Klar ist aber auch, dass das Wachstum der KI-Unternehmen nicht ewig und vor allem nicht ungebremst weitergehen wird. Schon jetzt seien Tech-Konzerne wie Google aus Sicht der Kartellwächter „Torwächter“ auf dem Weg der Verbraucher, sagte Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts, vergangene Woche. Es gebe für die Kunden aber aktuell noch die Möglichkeit, andere Browser in Anspruch zu nehmen als die der Großen.

In der Welt der Künstlichen Intelligenz werde es aber ein in sich geschlossenes System für die jeweiligen Nutzer geben. Es bestehe die Gefahr, dass einzelne Unternehmen die digitale Welt beherrschten und unter sich aufteilten – und die Verbraucher immer weniger Auswahl hätten, sagte Mundt. Es dürfe keine große Abhängigkeit von einzelnen Großkonzernen entstehen. „Zwei Drittel der Investitionen in KI auf der Welt kommen von Nvidia und Big Tech“, sagte Mundt. Europa sei in dem Bereich auf eine eigene Infrastruktur angewiesen. „KI ist aktuell das absolute Kernthema unter uns als Wettbewerbsbehörden auf der Welt“, sagte Mundt im Interview mit der F.A.Z.

Die Suche nach neuen Aktien vom Kaliber einer Nvidia ist längst im vollem Gange. „Wir haben alle Alternativen im Umfeld von Nvidia geprüft“, sagt auch Kahler. Unternehmen, die Infrastruktur und Strom für (KI-)Rechenzentren bereitstellen, dürften angesichts des Stromhungers der AI-Industrie weiterwachsen. Dazu gehören Dell und SMCI , bei den Stromversorgern gucke man sich Unternehmen wie Vertiv und Constellation Energy oder einige Stromanbieter aus den Bereichen Nu­klear- und Solartechnik an.

Die Aktie des US-Stromanbieters Vertiv hat sich seit Jahresbeginn auf gut 87 Dollar fast verdoppelt. Auch hier sind gerade Rückschläge zu sehen. Erst Ende Mai war Vertiv an der amerikanischen Börse NYSE noch gut 106 Dollar wert. Die Marktkapitalisierung beträgt derzeit rund 32 Milliarden Dollar. Noch vor einem Jahr stand der Aktienkurs bei gut 24 Dollar. Die Constellation-Energy-Aktie bringt derzeit rund 64 Milliarden Euro auf die Börsenwaage. Seit Jahresbeginn ist der Kurs von 116 auf inzwischen 203 Dollar gestiegen.

Source: faz.net