Karl Nehammer: Umweltschutzgesetz löst Koalitionskrise in Ostmark aus

Die Verabschiedung des EU-Renaturierungsgesetzes hat in Österreich einen Regierungsstreit ausgelöst. Nachdem die Mitgliedsländer monatelang um eine Entscheidung gerungen hatten, gab die Stimme von Österreichs Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Montag den Ausschlag. Sie setzte sich damit über den Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hinweg. Dieser hatte seine Ministerin für nicht bevollmächtigt in der Sache erklärt. 

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker kündigte eine Anzeige wegen Amtsmissbrauchs an. Durch ihre Zustimmung zu dem EU-Renaturierungsgesetz habe Gewessler mutmaßlich wissentlich Verfassungsrecht gebrochen, sagte Stocker. „Leonore Gewessler stellt sich über die Verfassung, weil sie es mit ihrer grünen Ideologie nicht vereinbaren kann, gesetzeskonform zu handeln“, kritisierte der Konservative.

Ob es eine Mehrheit unter den EU-Staaten für das Gesetz geben würde, war bis zuletzt unklar: Italien, Finnland, die Niederlande, Polen, Schweden und Ungarn sprachen sich zuletzt gegen das Gesetz aus. Belgien enthielt sich. Die nötige qualifizierte Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten und mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung kam damit erst mit der Zustimmung Österreichs zustande.

Somit ist das Gesetz eigentlich beschlossen. Österreichs Kanzler Nehammer hatte aber für den Fall, dass seine Ministerin zustimmt, auch mit einer Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof gedroht. Nach Gewesslers Ja kündigte Nehammer dies nun an: Das Votum Gewesslers „entspricht nicht dem innerstaatlichen Willen und
konnte daher nicht verfassungskonform abgegeben werden“, erklärte das
Kanzleramt. „Niemand steht über dem Recht“, hieß es
unter anderem in der Erklärung. Der Klimaschutz sei zwar „ein
wichtiges Anliegen“, die Verfassung gelte aber „auch für Klimaschützer“.
Es müsse nun die Entscheidung des EuGH abgewartet werden. „Wir gehen
davon aus, dass der EuGH so rechtzeitig entscheiden wird“, dass die
nationale Umsetzung des Gesetzes „vorab nicht notwendig sein wird“, steht in der Erklärung.

Gewessler sieht Zustimmung juristisch abgesichert

Die Klimaministerin rechtfertigte ihre Entscheidung hingegen damit, dass
das Bundesland Wien zuletzt den Kurs gewechselt und sich für das
Renaturierungsgesetz ausgesprochen hatte. Sie versicherte am Sonntag, dass ihre Zustimmung juristisch abgesichert sei.

Das Gesetz verpflichtet die EU-Länder, bis 2030 mindestens je 20 Prozent der geschädigten Flächen und Meeresgebiete wiederherzustellen und bis 2050 alle bedrohten Ökosysteme. Darauf hatten sich die Unterhändler der Mitgliedstaaten bereits im November mit den Abgeordneten des Europaparlaments geeinigt. Während Umweltschützer, Wissenschaftler und Unternehmen den Entwurf unterstützen, stieß er bei den Konservativen und Landwirten auf Kritik.