Joe Biden so tardiv zu ersetzen birgt Risiken, ist hinwieder alternativlos

Tritt Joe Biden zurück, wird er zum Abtritt gedrängt oder bleibt er stur? In den USA wird derzeit vor allem spekuliert, wie man Biden noch davon abbringen kann, den Demokraten den Wahlsieg zu kosten. Eigentlich sollten die Demokraten in der Lage sein, eine zweite Trump-Regierung zu verhindern: Aber nur, wenn sie noch rechtzeitig den Neuanfang wagen.

Schon lange tolerieren die Größen der Demokraten Bidens „Aussetzer“. Der kritische Bericht von Sonderermittler Robert Hur im Februar, ob Biden unautorisiert Geheimdokumente aufbewahrt hat, wurde als politisch motiviert abgetan. Hur charakterisierte Biden als „wohlmeinenden älteren Mann mit einem schlechten Gedächtnis“. Stand heute kann man hinzufügen: der an seinem Amt klammert.

Es ist ein trauriger Zustand, dass das mögliche Abdriften der Nation zur Autokratie abhängt von einem sich selbst überschätzenden alten Mann, der lediglich einräumt, er brauche mehr Schlaf. Erinnerungen werden wach an Ronald Reagan (1981 – 89), den vor Biden ältesten Präsidenten, der auch viele Ruhepausen brauchte. 1994 machte Reagan seine Alzheimer-Diagnose publik. Sohn Ron Reagan schrieb in einem liebevollen Buch über seinen Vater, dass es schon gegen Ende der zweiten Amtsperiode Anzeichen dafür gegeben habe.

Natürlich ist es nicht fair, dass Bidens vorhandene Erfolge in der Klima- und Sozialpolitik in der Welt von TV und TikTok weniger zählen sollen als sein horrender Auftritt beim Fernsehduell und seine wenig überzeugende Vorstellung seitdem. Doch Bidens Kommunikationsdesaster hat den Schwerpunkt verlagert von Trumps Wählbarkeit hin zur Frage, ob man Biden noch mal vier Jahre zutraut.

Historische Parallelen: Watergate und Johnsons Verzicht auf eine zweite Amtszeit

Vor 50 Jahren lief eine ähnliche Debatte. Republikaner Richard Nixon, im Amt seit 1969, hatte im Kongress seine politische Basis verloren. Es ging um „Watergate“: schmutzige Tricks, Abhöraktionen und Behinderung der Justiz. Am 7. August 1974 besuchten die konservative Ikone Barry Goldwater und zwei führende Republikaner Nixon und klärten ihn über die kollabierenden Machtverhältnisse im Kongress auf. Die Lage sei „düster“. Goldwater gab sich zuversichtlich, Nixon werde tun, was das Beste sei für die Nation. Am 8. August 1974 gab Nixon dann seinen Rücktritt bekannt.

Was manche Demokraten jetzt nervös macht: Ein demokratischer Präsident ist schon einmal nicht zur Wiederwahl angetreten, mit komplexen bis katastrophalen Folgen, Lyndon B. Johnson (1963 – 69). Der Demokrat schockierte bei einer Ansprache im März 1968: Er trete nicht mehr an. Johnson war angeschlagen. Vor dem Weißen Haus demonstrierten Kriegsgegner, eine halbe Million US-Soldaten kämpften in Vietnam.

Bei der „Tet-Offensive“ im Februar 1968 stürmten Einheiten der „Vietcong“ 36 der 44 Provinzhauptstädte. Fernsehzuschauer sahen mit eigenen Augen: Die USA waren nicht auf der Siegerstraße. Bei den demokratischen Vorwahlen traten Kriegsgegner Eugene McCarthy und Robert Kennedy an. Kennedy wurde am 6. Juni nach seinem Sieg bei den Vorwahlen in Kalifornien ermordet, die demokratischen Vorwähler entschieden sich im August bei einer chaotischen Parteiversammlung für Johnsons Vizepräsidenten Hubert Humphrey. Dieser verlor gegen Richard Nixon.

Haben die Demokraten den Mut, die Entscheidung bei der Parteiversammlung vom 19. bis 22. August den Delegierten zu überlassen? Und die Republikaner? Sie hoffen offenbar, dass Biden bleibt.