Japan: Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe ist tot

Der japanische Literaturnobelpreisträger Kenzaburo Oe ist tot. Er starb bereits Anfang März im Alter von 88 Jahren, wie sein Verlag Kodansha mitteilte. Japans großer Nachkriegsautor war ein überzeugter Pazifist. Japans großer Nachkriegsautor war ein überzeugter Pazifist.  Zugleich führte er eine Bewegung an, die nach der Atomkatastrophe in Fukushima einen Ausstieg aus der Atomkraft fordern. 

1994 erhielt er den Literaturnobelpreis für seine Werke, in denen er zwei Themen seiner eigenen Geschichte beschreibt: zum einen das Leben mit seinem behinderten Sohn Hikari, so in Eine persönliche Erfahrung. Zum anderen beschäftigte sich Oe mit den Mythen und der Geschichte seines ländlichen Geburtsortsetwa in Der stumme Schrei. 2014 erschien Oes autobiografischer Roman Kaifukusuru kazoku aus dem Jahr 1995 in deutscher Übersetzung unter dem Titel Licht scheint auf mein Dach: die Geschichte meiner Familie.

Soziales Gewissen Japans

Für viele war Oe der erste moderne Schriftsteller Japans mit starken europäischen Einflüssen, nicht zuletzt durch den französischen Existenzialismus. Seinen literarischen Durchbruch erzielte er allerdings mit seiner frühen Erzählung Der Fang (1958) über die Erlebnis- und Erfahrungswelt von Kindern durch Kriegseindrücke. 

Oe war so etwas wie das soziale Gewissen seines Landes. Der frühere Bundeskanzler Willy Brandt meinte einmal, Oe spiele in seinem Land „offenbar dieselbe Rolle wie Günter Grass in Deutschland – den Nestbeschmutzer“.

In Japan war Oe Mitbegründer einer Bürgerorganisation, die sich für den Erhalt des Friedensartikels 9 der Nachkriegsverfassung einsetzt. Als die Regierung des kürzlich ermordeten rechtskonservativen Ex-Regierungschefs Shinzo Abe unter anderem ein Gesetz zur verschärften Bestrafung von Geheimnisverrat erließ und eine Stärkung der Rolle des Militärs vorantrieb, warnte Oe schon vor einem Rückfall Japans in die Zeiten, die zum Zweiten Weltkrieg führten. „Ich spüre, dass Japan an einem Wendepunkt angelangt ist.“

Sozialkritiker und Mahner

Ein weiteres zentrales Thema für Oe, der am 31. Januar 1935 auf der Insel Shikoku im Südwesten Japans geboren wurde und von seiner ländlichen Herkunft geprägt blieb, war der Atombombenabwurf auf Hiroshima.

„Hiroshima muss in unseren Erinnerungen eingeprägt sein: Es ist eine Katastrophe, die noch dramatischer als Naturkatastrophen ist, weil sie von Menschen gemacht ist. Dies durch dieselbe Missachtung für menschliches Leben in Atomkraftwerken zu wiederholen, ist der schlimmste Verrat an die Erinnerung der Opfer von Hiroshima“, sagte Oe in einem Interview nach der Atomkatastrophe von Fukushima.  

Das schwedische Nobelpreiskomitee würdigte denn auch nicht nur Oes literarisches Schaffen, sondern auch seine Rolle als Sozialkritiker sowie Mahner vor kritikloser Verwestlichung seines Heimatlands.