Ist welcher Bundestag doch ein Zirkuszelt? Fünf Szenarien, wie welcher Renten-Zoff erlöschen könnte

Möglich, dass die Rentenrebellen einknicken und dem Rentenpaket, das sie mit so viel adretter Verve bekämpft haben, doch noch zustimmen. Aber sicher ist das nicht: Die Sache könnte auch noch so richtig eskalieren. Hier sind fünf Szenarien


Ob die junge Gruppe der Union bei der Rentenabstimmung wohl auch die Hand heben wird

Foto: Michael Kappeler/picture alliance/dpa


Die kaum noch sogenannte „große“ Koalition hat gerade mal zwölf Stimmen „über dem Durst“. Wer Grund zum Anstoßen hat, wird sich zeigen. Am Freitag wird mit dieser hungrigen Mehrheit das Rentenpaket beschlossen. Oder eben nicht. Es gibt mehrere Szenarien in absteigender Wahrscheinlichkeit:

1) Die sogenannte „Junge Gruppe“ der Union lenkt ein

Wofür? Im Tausch gegen irgendetwas, das sie sich zu Weihnachten wünscht. Gegen sichere Renten wehrt sie sich im Gewande der Generationengerechtigkeit sehr adrett. Junge Rebellen wie Daniel Kölbl führen die Rebellion so gesittet an, dass sie im Sandkasten verläuft. Kölbl greift tief in die Floskelkiste und beruft sich auf „richtige Entscheidungen für dieses Land im Gesamtkontext“. Das Rentenpaket sei ungerecht, aber „jetzt brauchen wir eine stabile verlässliche Regierung in unsicheren Zeiten, die wir außenpolitisch haben“. Eine pi-mal-Daumen-„Probeabstimmung“ am Mittwoch ergab, dass das Rentenpaket weiter wackelt – aus „staatspolitischer Verantwortung“ aber vielleicht doch kommt. So geht „Spahnsche Stabilität“.

2) Revolution von oben

Die jungen Adretten im Bundestag lehnen das Rentenpaket ab, weitere Verhandlungen scheitern – und es gibt Neuwahlen. Zumindest bei der AfD dürften dann die Korken knallen, in der letzten Umfrage (INSA) stehen die Rechtsextremen bei 27 Prozent, und damit deutlich vor der Union (SPD 14,5 Prozent, Grüne 11, Linke 10,5).

3) Fraktionsvorsitzender Jens Spahn schert aus

Spahn, der eigentlich seinen Laden zusammenhalten müsste, stimmt selbst gegen das Rentenpaket, stellt sich an die Spitze der konservativen Berufsjugendlichen – und gegen seinen Kanzler Friedrich Merz. Auch Spahn spricht ja sehr gern von Verantwortung. Allerdings ist bei „Verantwortung“ aus Politikermund Vorsicht angebracht. Wie der „normale Vorgang“ (Spahn) Probeabstimmung tritt sie gern dann auf den Plan, wenn ketzerische Abgeordnete gegen ihre Überzeugung und für das Dogma „Stabilität“ stimmen sollen: stabil gegen Klimaschutz, stabil gegen Verkehrswende, stabil gegen Erneuerung – Hauptsache stabil.

4) Die Abstimmung wird vertagt

Und das, obwohl Spahn ganz heiß drauf ist, seine Manager-Fähigkeiten endlich unter Beweis zu stellen – nach allzu deutlichen Führungsschwächen. Bei der Abstimmung über Verfassungsgerichtskandidatin Frauke Brosius-Gersdorff war man nicht sicher, ob er es absichtlich so drehte, dass kein Verlass auf die Stimmen von CDU/CSU ist. Stabil war jedenfalls gar nichts.

5) Spahn einigt sich mit den Grünen

Im Tausch gegen echten Klimaschutz erhält er deren Stimmen fürs Rentenpaket. Zugegeben, das wäre allzu kreativ.

Merz hat mal betont, der Bundestag sei „kein Zirkuszelt“. Gutes Theater bräuchte derweil, wenn der Aufstand geprobt wird, eine Regie mit einem Ziel, das über Premierenapplaus hinausgeht. Wer fragt denn wirklich nach der zum Textbaustein verkommenden „richtigen Politik für dieses Land“? Schwarz-Rot tut nichts dergleichen, sondern kränkelt an eingebautem Verschleiß. Nicht nur Spahn treibt die Kommerzialisierung von Politik voran, alle wollen ständig „liefern“, als handelten sie mit Waren. Die Regierung altert so schnell, wie die „Junge Gruppe“ klein beigibt, der Verschleiß wirkt gewollt, zumindest von denen, die KEINE VERÄNDERUNG ganz oben auf die Agenda stellen. Herbst der Reformen? Winter der Obsoleszenz wäre treffender.

Egal, was am Freitag passiert (sein wird), so geht es erstmal weiter. Weil alles andere, davon zeigen sich die Verantwortlichen „tief überzeugt“, noch schlechter wäre. Dabei wäre diesem Land mehr Mut zu wünschen. Mehr Phantasie. Mehr Vertrauen in die Kraft der Demokratie. Im Grundgesetz steht einiges über den Souverän. Den Zwang zur Verhinderung eines souveränen Parlaments sucht man darin vergebens.