Israel und Libanon: Hisbollah-Chef spricht nachdem Pager-Explosionen von „Kriegserklärung“

Der Chef der libanesischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat Israel mit Rache für die koordinierten Funkgerät-Explosionen der vergangenen Tage gedroht. Israel habe mit den Angriffen „alle roten Linien überschritten“, sagte Nasrallah in einer vom Fernsehen übertragenen Rede. „Dieser kriminelle Akt kommt einer Kriegserklärung gleich.“ Während der Chef der Miliz sprach, war Medienberichten zufolge zu hören, wie israelische Militärflugzeuge über Beirut die Schallmauer durchbrachen.

Über die Art der geplanten Vergeltung äußerte sich Nasrallah in seiner Rede nicht. „Sie werden herausfinden, wann es passiert. Diese Abrechnung wird geschehen. Die Einzelheiten werden wir jetzt nicht verraten, weil wir uns jetzt in einer sehr sensiblen Phase des Kampfes befinden“, sagte er.

Durch die Explosionen der Funkgeräte habe die Hisbollah einen schweren Schlag erlitten, räumte Nasrallah ein. Dieser sei „in der Geschichte unseres Widerstands und vielleicht in der Geschichte des Konflikts mit dem Feind beispiellos“, sagte er. Die Befehlsstrukturen der Hisbollah seien durch die Explosionen jedoch nicht beschädigt worden. Auch die Infrastruktur der Organisation sei intakt.

Hisbollah-Chef spricht von „Massaker“

Nasrallah warf Israel ein „Massaker“ und einen „Völkermord“ vor. „Innerhalb von zwei Tagen und binnen einer Minute pro Tag hat Israel darauf abgezielt, mehr als 5.000 Menschen zu töten.“ Vorwürfe erhob der Hisbollah-Chef auch gegen die USA. „Israel hat einen
klaren technologischen Vorteil, weil es nicht nur Israel ist, sondern von den Vereinigten Staaten unterstützt wird.“

Eine Deeskalation des Konflikts mit Israel knüpfte der Hisbollah-Chef erneut an ein Ende des Gazakriegs. „Der Widerstand im Libanon wird nicht aufhören, die Menschen in Gaza und dem Westjordanland zu unterstützen“, sagte er. Die „libanesische Front“ bleibe bestehen, solange „die Aggression in Gaza“ nicht aufhöre.

Während Nasrallahs Rede gingen die Gefechte zwischen der israelischen Armee und der Hisbollah
weiter. Das israelische Militär teilte mit, die Luftwaffe führe
Angriffe auf Hisbollah-Ziele im Libanon aus. Zugleich setzte die
Hisbollah ihre Angriffe auf Israel fort. Nach Armeeangaben wurden dabei
zwei israelische Soldaten getötet.

US-Außenminister Antony Blinken forderte Zurückhaltung von allen Konfliktparteien. Er wolle von keiner Partei eine Eskalation sehen, die die Einigung auf eine Waffenruhe im Gazakrieg erschweren würde, teilte er mit. Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rief „alle Parteien“ dazu auf, einen Krieg zu verhindern. Nach Angaben des Präsidialamts in Paris telefonierte Macron mit Vertretern von Politik und Militär im Libanon sowie mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

37 Tote durch Explosionen

Im Libanon waren am Mittwoch Hunderte Walkie-Talkies explodiert, nachdem bereits am Tag zuvor Hunderte Funkempfänger, sogenannte Pager, von Hisbollah-Mitgliedern detoniert waren. Durch die Explosionen wurden nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums mindestens 37 Menschen getötet und mehr als 2.900 weitere verletzt. Viele von ihnen waren Hisbollah-Kämpfer. 

Die Hisbollah und das hinter ihr stehende iranische Regime beschuldigten umgehend Israel, hinter den Attacken zu stehen. Auch Experten gehen von einer koordinierten Aktion der israelischen Geheimdienste aus. Israels Regierung und Militär haben sich bisher nicht dazu geäußert.

Israels Regierung hatte ihre Rhetorik gegenüber der Hisbollah in den vergangenen Tagen deutlich verschärft. Regierungschef Netanjahu sagte zu Wochenbeginn, das Sicherheitskabinett habe die Rückkehr der Bewohner aus dem Gebiet an der israelisch-libanesischen Grenze in ihre Häuser zu einem weiteren Kriegsziel erklärt. Verteidigungsminister Joaw Galant warnte ungefähr zur selben Zeit, die Zeit für eine diplomatische Lösung laufe ab. Kurz darauf sprach Galant von einer neuen Kriegsphase. Eine Eliteeinheit der israelischen Armee wurde vom Gazastreifen an die Nordgrenze verlegt.

Nasrallah machte in seiner Rede deutlich, die Rückkehr der israelischen Grenzbewohner nicht zulassen zu wollen. „Ihr habt uns herausgefordert und wir stellen uns erneut dieser Herausforderung. Ich sage zu Netanjahu und Galant: Ihr werdet dieses Ziel nicht erreichen. Es wird euch nicht gelingen, diese Menschen zurück in den Norden zu bringen.“ Die vor den Angriffen seiner Terrormiliz geflüchteten Menschen bezeichnete Nasrallah als „Siedler und Besatzer im besetzten Palästina“.

Er hoffe, Israel werde versuchen, in den Süden des Libanon einzudringen, fügte Nasrallah hinzu. Er sprach für diesen Fall von einer „historischen Chance“ für die Hisbollah. Die Miliz befinde sich in erhöhter Kampfbereitschaft.

Die Hisbollah hatte nach Beginn des Gazakriegs im vergangenen Oktober ihre Angriffe auf den Norden Israels verstärkt. Etwa 60.000 Menschen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet mussten seither ihre Heimatorte verlassen.