Intel: Ohne Subvention keine europäischen Chips

Wer eine Wette eingeht, kann verlieren. Gut ist, wenn der Einsatz niedrig war und damit der Verlust gering. Noch viel besser, wenn der Einsatz bislang nicht gezahlt wurde und damit kein Verlust entstanden ist. Ungefähr so verhält es sich mit den fast zehn Milliarden Euro Subventionen, die Deutschland an das US-Unternehmen Intel zahlen wollte, damit dieses in Magdeburg eine Chipfabrik errichtet. Intel hat nun verkündet, dass es den Fabrikbau um zwei Jahre verschieben will, womit grundsätzlich infrage steht, ob die Ansiedlung überhaupt irgendwann kommt.

Gut an dieser Nachricht ist, dass Deutschland zunächst kein substanzieller Schaden entstanden ist, weil die fast zehn Milliarden Euro an Beihilfen, die dem US-Konzern zugesagt wurden, noch nicht geflossen sind. Schlecht ist, dass damit ein für die deutsche Industriepolitik wichtiges Projekt womöglich ganz scheitert: mitten in Europa ein Ökosystem für eine Halbleiterfertigung zu etablieren, um die heimische Industrie, um die Autohersteller und Maschinenbauer mit Chips zu versorgen und dadurch ein bisschen weniger abhängig zu sein von den Herstellern in Asien. Wie gefährlich diese Abhängigkeit ist, hat die durch Corona verursachte Chipkrise allen Industrienationen schmerzhaft vor Augen geführt.

Wer aber schon immer gewusst hat, dass Subventionen für Intel nur Mist sein können und die Nachricht jetzt dafür der Beleg ist, darf sich kurz freuen. Trotzdem aber liegen die Kritiker in diesem Fall falsch. Gerne argumentieren sie nämlich grundsätzlich. Es geht meist um die Frage, wie weit sich der Staat in die Gestaltung seiner Unternehmenslandschaft durch finanzielle Anreize einmischen darf. Das ist der Hintergrund, wenn in Deutschland über Subventionen für einzelne Branchen oder Firmen diskutiert wird, ob bei Intel, Thyssenkrupp oder der Meyer-Werft. Und hier scheint es entweder nur Befürworter oder Gegner zu geben. Wichtig ist aber, um welche Branche es hier im Speziellen geht. Denn die Halbleiterindustrie ist ein besonderer Fall. 

Existenzielle Bedrohung

„Subventionen in der Chipindustrie sind die Regel – nicht die Ausnahme“, sagt der Wirtschaftshistoriker Chris Miller. Er hat mit seinem Buch Der Chip-Krieg ein Standardwerk über die Entwicklung der Halbleiterbranche geschrieben. Verlangt wird die staatliche Unterstützung von den Unternehmen, weil ein Fabrikneubau sehr hohe Investitionen erfordert, meist geht es im Milliardenbereich los für solche Fabriken, auch Intel wollte 30 Milliarden in Magdeburg investieren. Die mit Abstand höchsten Subventionen aber kämen seit längerer Zeit aus China, sagt Miller. Daher sei es auch kein Wunder, weshalb die meisten Unternehmen gerade dort neue Fabriken eröffnen. Will man als Staat aber in diesem Wettlauf um Subventionen mitmachen? Und wenn ja, wozu?

Die Bundesregierung und auch die US-Regierung haben dies für sich mit einem Ja beantwortet, wenn auch die USA deutlich beherzter als Deutschland. Der Grund dafür ist die existenzielle Bedrohung, die man in der Abhängigkeit von China sieht. Und es ist damit nicht nur die ökonomische Abhängigkeit gemeint, die sich aus der Versorgung mit Halbleitern ergibt. Man will nicht länger einem geopolitischen Kontrahenten die Kontrolle über die industrielle Basis seines Landes und damit auch der eigenen Rüstungsindustrie überlassen. Um nichts Geringeres geht es dabei.

Wer das noch nicht verstanden hat, der sorgt sich weiterhin kleinkrämerisch um das Risiko, das eine Subventionspolitik immer mit sich bringt. Unternehmen sind marktwirtschaftliche Akteure, sie können erfolgreich sein oder auch scheitern. Einige Kritiker haben auch von vornherein gewusst, dass es mit Intel nur so ausgehen könne, wie wir es jetzt erleben. Der Pionier der Chipindustrie habe längst den Anschluss verloren, die Branche werde inzwischen von anderen Akteuren bestimmt. Das mag zum Teil stimmen, dennoch ist Intel weiterhin ein globaler Monolith der Chipindustrie, der viele Auf und Abs erlebt hat. Man sollte den Konzern nicht einfach so abschreiben.   

Sicherlich muss man sich als Staat gut überlegen, in welches Unternehmen man investieren möchte. Schließlich bleiben Subventionen immer eine Wette in die Zukunft. Nur sollte man sich dabei auch fragen, wie hoch das Risiko langfristig ist, wenn man diese Investitionen nicht aufbringt. Für die Bundesregierung ist jetzt wichtig, dass sie an ihrer Chipstrategie festhält, selbst wenn Intel in Magdeburg zunächst seine Fabrik nicht baut. Womöglich findet sich ein Mitbewerber, der die Gelegenheit nutzen möchte. Deshalb sollte das Geld, das dafür reserviert wurde, nicht voreilig für andere Zwecke verplant werden.