Haschem Safi al-Din: Israel meldet Tötung des aussichtsreichsten Nasrallah-Nachfolgers

Israels Militär hat nach eigenen Angaben den ranghohen Hisbollah-Funktionär Haschem Safi al-Din im Libanon getötet. Safi al-Din sei vor rund drei Wochen bei einem Angriff in der Hauptstadt Beirut
„eliminiert“ worden, teilte das israelische Militär am Abend auf der
Plattform X mit.

Safi al-Din galt als aussichtsreichster Nachfolger für den bereits zuvor getöteten Chefs der proiranischen Schiiten-Miliz, Hassan Nasrallah. Weiter teilte die israelische Armee mit, dass auch der Befehlshaber des Geheimdienstes der Hisbollah getötet worden sei, Ali Hussein Hasima. Er sei für die Leitung zahlreicher Angriffe auf israelische Soldaten verantwortlich gewesen.

Die Hisbollah, die unter anderem von den USA als Terrrororganisation eingestuft wird, bestätigte den Tod der beiden Männer zunächst nicht. Safi al-Din wurde dem israelischen Militär zufolge bei einem Angriff auf das Hauptquartier des Hisbollah-Geheimdiensts in einem Vorort von Beirut getötet. Er sei Mitglied im sogenannten Schura-Rat gewesen, dem ranghöchsten militärisch-politischen Gremium der Hisbollah. Dieses sei für die Entscheidungsfindung und die politische Gestaltung der Terrororganisation zuständig.

Laut Israel eine der wichtigsten Führungsfiguren der Hisbollah

„Wir haben Nasrallah, seinen Nachfolger und den Großteil der Führungsspitze der Hisbollah erreicht“, sagte der israelische Armeechef Herzi Halevi nach der Bestätigung von Safi al-Dins Tod.

Safi al-Din gehörte als Chef des Exekutivrats schon lang zu einer der wichtigsten Figuren innerhalb der Hisbollah-Führung. Er war ein Cousin des verstorbenen Nasrallah und laut der Zeitung Asharq al-Awsat Vater vom Schwiegersohn des mächtigen iranischen Generals Ghassem Soleimani, der 2020 im Irak durch einen US-Drohnenangriff getötet wurde. In den Zeiten, in denen Nasrallah nicht im Libanon gewesen sei, habe Safi al-Din die Funktion des Generalsekretärs der Hisbollah übernommen, erklärte das israelische Militär. Er habe Terroranschläge gegen Israel geleitet.

Safi al-Din war etwa 60 Jahre alt – sein genaues Alter ist nicht bekannt – und stammt aus dem Ort Dair Kanun al-Nahr im Südlibanon. In den 1980er Jahren soll er im Iran ausgebildet worden sein. 2008 wurde er Chef des Exekutivrats, der die Hisbollah in politischen, organisatorischen und sozialen Bereichen leitet.

Im Unterschied zu dem getöteten Anführer Nasrallah, der zurückgezogen lebte und dessen Aufenthaltsort geheim gehalten wurde, zeigte Safi al-Din sich bis zuletzt öffentlich bei Veranstaltungen der Hisbollah. Anfang August hatte er bei der Beerdigung eines Hisbollah-Kommandeurs gesprochen. Nach der Explosion Tausender Kommunikationsgeräte der Hisbollah vor rund einem Monat drohte er Israel in einer Rede mit einer „blutigen, einzigartigen Rache“.

USA betrachteten Safi al-Din als Terroristen

Israels Militär tötete abgesehen von Nasrallah bisher vor allem Militärkommandeure, nicht aber Angehörige der oberen politischen Ränge innerhalb der Organisation. Israel hatte 1992 auch den damaligen Anführer Abbas al-Mussawi getötet, auf den Nasrallah folgte.

Die USA erklärten Safi al-Din 2017 zusammen mit Saudi-Arabien zum Terroristen. Sie machen ihn unter anderem für ein verheerendes Selbstmordattentat 1983 auf das Hauptquartier der US-Marineinfanterie in Beirut 1983 verantwortlich, bei dem 241 US-Soldaten getötet wurden.

Die Miliz mag die schwersten Schläge seit Jahrzehnten erlitten haben, den Konflikt mit Israel sollte sie aber nach Safi al-Dins Willen – wenn auch geschwächt – fortsetzen. Im vergangenen Jahr sagte Safi al-Din: „Es mag einen Krieg, zwei Kriege, drei Kriege“ dauern und mehrfache Konfrontationen erfordern, aber letztlich müsse Israel vernichtet werden.

Unmittelbar nach dem Beginn des Gazakriegs vor mehr als einem Jahr infolge des beispiellosen Überfalls von Hamas-Terroristen auf den Süden Israels hatte die Hisbollah im Libanon mit permanenten Raketenangriffen auf den Norden Israels eine zweite Front gegen Israel eröffnet. Als Reaktion beschoss Israel Ziele im Nachbarland.

Israelische Bodeneinsätze im Südlibanon

Seit einigen Wochen hat die israelische Armee ihre Luftangriffe auf Hisbollah-Ziele im Libanon deutlich verstärkt und zudem vor rund drei Wochen auch Bodeneinsätze gegen Hisbollah-Stellungen im Südlibanon begonnen. Bei ihren Angriffen nimmt die israelische Armee vor allem Ziele in Rückzugsorten der Hisbollah im Südlibanon sowie in südlichen Vororten der Hauptstadt Beirut ins Visier. Dabei wurden Ende September Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und andere hochrangige Kommandeure der Schiitenmiliz getötet.

Weitere israelische Luftangriffe eine Woche nach dem Tod Nasrallahs galten Medienberichten zufolge dessen voraussichtlichem Nachfolger Safi al-Din. Die israelische Armee bestätigte diese Berichte jedoch nicht. Ein hochrangiger Hisbollah-Vertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP am Tag nach den mutmaßlichen Angriffen auf Safi al-Din, dass die Verbindung zu ihm seit dem 4. Oktober „verloren“ gegangen sei.

Netanjahu: „Nasrallah und seine Stellvertreter ausgeschaltet“

Am 8. Oktober sagte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu, dass die israelische Armee Safi al-Din „ausgeschaltet“ habe, ohne ihn allerdings namentlich zu nennen. In einer Ansprache an die libanesische Bevölkerung sagte Netanjahu, die israelischen Streitkräfte hätten „Tausende von Terroristen ausgeschaltet, darunter Nasrallah selbst sowie Nasrallahs Stellvertreter und den Stellvertreter seines Stellvertreters“.

Als Reaktion unter anderem auf die Tötung von Nasrallah hatte der Iran Israel am 1. Oktober mit rund 200 Raketen angegriffen – es war der zweite direkte iranische Angriff auf das Land binnen sechs Monaten. Israel kündigte seinerseits eine Antwort auf den iranischen Angriff an.

Nach israelischen Armeeangaben feuerte die Hisbollah am Dienstag weiter Raketen und Flugkörper auf Israel ab. Bis zum späten Dienstagabend seien etwa 140 Geschosse aus dem Libanon nach Israel gelangt, hieß es in einer Erklärung der Armee. Unterdessen rief die israelische Armee die Bewohner der südlichen Beiruter Vororte am Dienstagabend erneut zur Evakuierung auf und warnte vor bevorstehenden Angriffen.