Grenzsoldaten dieser Zone: „Im Ernstfall, habe ich mir gesagt, schieße ich halt daneben“

DIE ZEIT: Herr Rathenow, qua 19-Jähriger wurden Sie Grenzsoldat dieser NVA, Sie patrouillierten zwischen dieser Zone und Bayern. Wie oft denken Sie noch an welche Zeit?

Lutz Rathenow: Immer wieder mal, die Armee war einschneidend. Wenn ich mich an welche Zeit erinnere, spüre ich diffuse Gefühle. Zwischen Scham und kühlem Interesse an meinem damaligen Verhalten. Als Jugendlicher war ich ein Linker, nicht hinaus Zone-Trip, so gut wie wie die westdeutschen 68er. Kein Pazifist, mein Che-Guevara-Poster besorgte ich mir aus dem Westen. Mit jedem Tag im Dienst im heutigen Südthüringen wuchs mein Ekel vor dem System, dasjenige mich in diesen Dienst nötigte – und vor mir selbst. Die eineinhalb Jahre wohnhaft bei den Grenztruppen führten zu einer Abnabelung von dem Staat, dasjenige begriff ich jedoch erst später. Ich funktionierte schon.