Greenwashing in den USA: Wie die Mächtigen den Klima-Technischer Überwachungsverein vortäuschen
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Im September 2022 trifft sich in New York City auf Wunsch der US-Regierung und der Rockefeller-Stiftung eine ungewöhnliche Gruppe. Der damalige Klimabeauftragte der Regierung, John Kerry, hat in den Yale Club geladen, einen der exklusivsten Privatclubs von Manhattan. Unter den Teilnehmern sind hochrangige Manager etwa von General Motors und Goldman Sachs sowie einflussreiche Klimastiftungen wie die von Jeff Bezos. Kerry will über etwas sprechen, von dem die Öffentlichkeit noch nichts erfahren soll: Er will, dass Unternehmen in den USA künftig einen Teil ihrer CO₂-Emissionen im Ausland kompensieren.
Der frühere US-Außenminister plant ein Programm, das Unternehmen ermutigt, im Ausland Klimaprojekte zu fördern, die Kohlekraftwerke stilllegen oder Windenergie fördern. So kann man es einem Protokoll aus der Runde entnehmen, das der ZEIT vorliegt. Die Emissionen, die dort eingespart werden, sollen sich die US-Unternehmen als eigene Reduktion anrechnen, um klimaneutral zu werden. Das geht schneller und ist oft günstiger, als die eigene Wertschöpfungskette zu transformieren. Für Kerry ein möglicher Coup: Die USA bekämen eine progressive Klimapolitik, ohne dafür viel Geld auftreiben oder neue Regulierungen durchsetzen zu müssen.
Es gibt nur ein Problem: Zahlreiche Wissenschaftler bewerten CO₂-Kompensation als Greenwashing. Denn ihre Wirkung lässt sich kaum messen, ihre Zuverlässigkeit ist hochumstritten. Studien zeigen, dass ihr Klimanutzen über Jahre systematisch überschätzt wurde. Zudem gilt sie oft als ein Freifahrtschein: Sie erlaubt Industrienationen, die Verantwortung für Einsparungen in Entwicklungsländer zu verlagern, statt die komplizierte Transformation bei sich selbst anzugehen. Die UN kritisieren die Methode. Die EU lehnt sie ab.
Kerry aber verfolgt seinen Plan. Unter den Teilnehmern des Meetings im Yale Club ist auch eine renommierte Klimaorganisation, die Science Based Targets initiative, kurz SBTi. Die Organisation mit Sitz in London ist eine Art globale Regulierungsbehörde für freiwillige Klimaziele, gegründet unter anderem von der Naturschutzorganisation WWF. Sie legt wissenschaftliche Regeln fest, nach denen Unternehmen ihren Weg in die Klimaneutralität bestimmen. Die Organisation ist renommiert, ihr Regelwerk gilt als streng. Es lässt Kompensation damals als Methode nicht zu.
Man muss sich die Organisation wie einen TÜV vorstellen. Sie entscheidet: Wie berechnet man die Emissionen einer Bank? Wie könnte ein Bankbetrieb klimaneutral werden? In Zeiten von Greenwashing und unseriösen Klimaneutral-Labels wollen Konzerne wie Siemens, Mercedes-Benz, RWE, Bertelsmann oder die Deutsche Bahn den Stempel der Organisation tragen, um zu zeigen: Unser Weg in die Klimaneutralität ist wissenschaftlich geprüft. Die Frage ist allerdings, ob diese Organisation tatsächlich immun ist gegen den Druck von mächtigen Staaten, Unternehmen und Stiftungen. Oder ob am Ende auch sie anfällig ist, deren Wünschen nachzugeben.
Wer prüft wen?
Geldgeber
Seit 2021:
Bezos Earth Fund, Ikea Stiftung
Science
Based
Targets
initiative
Entwickelt Methoden und Regeln, wie Unternehmen ihre
Klimaziele durch CO₂-Reduktion erreichen können
Unternehmen
Über tausend Unternehmen weltweit lassen ihre Klimapläne
von der Organisation prüfen, darunter etwa Aldi, Beiersdorf,
Bertelsmann, Deutsche Telekom, Mercedes-Benz,
RWE, Siemens
©ZEIT-GRAFIK
Wer prüft wen?
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Seit 2021:
Bezos Earth Fund,
Ikea Stiftung
Science
Based
Targets
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Entwickelt
Methoden und
Regeln, wie
Unternehmen ihre
Klimaziele durch
CO₂-Reduktion
erreichen können
Unternehmen
Über tausend
Unternehmen
weltweit lassen ihre
Klimapläne von der
Organisation prüfen,
darunter etwa Aldi,
Beiersdorf, Bertelsmann,
Deutsche Telekom,
Mercedes-Benz,
RWE, Siemens
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Seit 2021:
Bezos Earth Fund,
Ikea Stiftung
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Entwickelt
Methoden und
Regeln, wie
Unternehmen ihre
Klimaziele durch
CO₂-Reduktion
erreichen können
Unternehmen
Über tausend
Unternehmen
weltweit lassen ihre
Klimapläne von der
Organisation prüfen,
darunter etwa Aldi,
Beiersdorf, Bertelsmann,
Deutsche Telekom,
Mercedes-Benz,
RWE, Siemens
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Geldgeber
Seit 2021:
Bezos Earth Fund, Ikea Stiftung
Science
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Entwickelt Methoden und Regeln, wie Unternehmen ihre
Klimaziele durch CO₂-Reduktion erreichen können
Unternehmen
Über tausend Unternehmen weltweit lassen ihre Klimapläne
von der Organisation prüfen, darunter etwa Aldi, Beiersdorf,
Bertelsmann, Deutsche Telekom, Mercedes-Benz,
RWE, Siemens
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Seit 2021:
Bezos Earth Fund,
Ikea Stiftung
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Entwickelt
Methoden und
Regeln, wie
Unternehmen ihre
Klimaziele durch
CO₂-Reduktion
erreichen können
Unternehmen
Über tausend
Unternehmen
weltweit lassen ihre
Klimapläne von der
Organisation prüfen,
darunter etwa Aldi,
Beiersdorf, Bertelsmann,
Deutsche Telekom,
Mercedes-Benz,
RWE, Siemens
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Seit 2021:
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Methoden und
Regeln, wie
Unternehmen ihre
Klimaziele durch
CO₂-Reduktion
erreichen können
Unternehmen
Über tausend
Unternehmen
weltweit lassen ihre
Klimapläne von der
Organisation prüfen,
darunter etwa Aldi,
Beiersdorf, Bertelsmann,
Deutsche Telekom,
Mercedes-Benz,
RWE, Siemens
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Einen Stempel wie den von der SBTi wünscht sich jedenfalls auch die US-Regierung für die Unternehmen, die an ihrem Klimaprogramm teilnehmen, so kann man es einer Präsentation entnehmen, die Kerrys Team an dem Tag im September im Yale Club zeigt; der ZEIT liegen davon Fotos und weitere Dokumente vor. Aus der Präsentation spricht die Erwartung, dass die SBTi dafür, entgegen ihrer Haltung, Kompensation als legitime Methode zur Reduktion von Emissionen anerkennen müsste. Im Yale Club treffen zwei Interessen aufeinander: das der Politik, einen schnellen und günstigen Weg in die Klimaneutralität zu finden. Und das der Wissenschaft, bei diesen Bemühungen auf glaubwürdige Lösungen zu setzen.
In den Monaten nach dem Treffen werden die Erwartungen an die Organisation weiter steigen. Es werden Interessenkonflikte hervortreten, die lange schwelen, bis in das Frühjahr 2024. Streit wird ausbrechen zwischen der Führung der SBTi und ihren Experten. Es geht um die Frage, ob die führende Regulierungsorganisation für Klimaziele eine Politik grün stempelt, an die sie selbst nicht glaubt, weil mächtige Institutionen es so wollen.
Es beginnt gleich nach dem Treffen im Yale Club, im Herbst 2022, mit einer internen E-Mail des damaligen SBTi-Chefs Luiz Amaral: Er wägt darin die Risiken und Chancen einer Beteiligung an Kerrys Programm ab. Und gibt zu bedenken, dass eine Nichtbeteiligung den Einfluss der SBTi in den USA weiter einschränken würde. Die Organisation ist vor allem für europäische Unternehmen eine Anlaufstelle. Nicht viele US-Konzerne tragen zu diesem Zeitpunkt ihren Stempel, Netflix etwa oder der Amazon-Konzern.
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Im September 2022 trifft sich in New York City auf Wunsch der US-Regierung und der Rockefeller-Stiftung eine ungewöhnliche Gruppe. Der damalige Klimabeauftragte der Regierung, John Kerry, hat in den Yale Club geladen, einen der exklusivsten Privatclubs von Manhattan. Unter den Teilnehmern sind hochrangige Manager etwa von General Motors und Goldman Sachs sowie einflussreiche Klimastiftungen wie die von Jeff Bezos. Kerry will über etwas sprechen, von dem die Öffentlichkeit noch nichts erfahren soll: Er will, dass Unternehmen in den USA künftig einen Teil ihrer CO₂-Emissionen im Ausland kompensieren.