Gigi D’Agostinos Alptraum: Kann man „L’amour toujours“ zensieren? – WELT
Ein Musikstück, komponiert von Gigi D’Agostino aus Italien, französisch mit „L’amour toujours“ betitelt und gesungen von Ola Onabulé, der aus Nigeria stammt, auf Englisch. Deutsche feiern es bei Saufgelagen und auf Volksfesten zwischen Passau und Sylt mit dem Kampfruf „Deutschland der Deutschen, Ausländer raus!“
Liegt es am Lied? Die schrille, einprägsame Synthesizermelodie folgt einem Marschtakt, in dem sich solche Parolen skandieren lassen. So entstehen Schlachtgesänge. Irgendjemandem muss aufgefallen sein, dass der uralte, ultrarechte Slogan rhythmisch zur uralten, unschuldigen Partyhymne passt. Nicht erst im Pony-Club auf Sylt und nicht erst, seit es TikTok gibt.
Wer Kirchweihen und Schützenfeste kennt, kennt auch „L’amour toujours“/„Ausländer raus!“ schon länger. Instagram und TikTok haben es pandemisch aus den Bierzelten überallhin verbreitet, wo entgrenzt gefeiert wird. Wie im vergangenen Herbst beim Tanz unter der Erntekrone in Bergholz, Vorpommern, mit dem Sohn des Bürgermeisters. Wie in Greding, Mittelfranken, bei der Nachfeier zu einem AfD-Parteitag. Und wie nun auch an gehobenen Privatschulen wie Louisenlund.
Dabei kommt einiges zusammen: TikTok, Bierlaune, Provokation, politische Verwahrlosung und wieder TikTok, wenn „L’amour toujours“ zum Meme der Metapolitik organisierter Rechtsextremer wird, zum Sample für die Videos identitärer Aktivisten. Wie löst man das wieder auf?
„Deutschland den Deutschen!“ ist so alt wie das Erstaunen darüber, dass Pop auch offen ist für rechte Inhalte. Als Diedrich Diederichsen als Nestor der deutschen Popkritik den Ruf vor 32 Jahren vor dem brennenden Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen hörte, wunderte er sich über die Baseballkappen auf den Köpfen junger Neonazis. Rechte Rapper gab es damals schon – wie es im TikTok-Zeitalter mit Lento-Violento-Melodien im Stil von Gigi D’Agostino unterlegte neonbunte Memes gibt, sogenannte Fashwaves.
D’Agostino erlebt gerade einen Albtraum. Angeblich meidet er die sozialen Medien und wurde erst auf den Missbrauch seiner Hymne aufmerksam, als man ihm die Debatte übersetzte, die in Deutschland um „L’amour toujours“ tobt. „Mein Lied handelt von der Liebe“, ließ er ausrichten, da war der Staatsschutz schon damit beauftragt, wegen Volksverhetzung zu ermitteln, wenn jemand zu seinem Song „Deutschland den Deutschen“ bellt.
Personen wurden durch Beweisvideos bei Instagram und TikTok überführt, geächtet und gekündigt. Von der Wiesn und vom Wasen soll „L’amour tourours“ verbannt werden wie von den Fanmeilen zur EM. Was einerseits, wie schon beim Ballermann-Hit „Layla“ im vergangenen Jahr, zum guten Recht jedes Veranstalters gehört, andererseits aber auch eine Farce ist, weil „L’amour toujours“ das Stumpfe nicht, wie „Layla“, bereits in sich trägt. Eine Beschwerde gegen die Zensur hat der Berufsverband der deutschen DJs eingereicht.
Dafür steht D’Agistonos Klassiker bei iTunes auf Platz eins im populären Small Mix von 2001 und auf Platz drei im Original von 1999. Spotify verbietet seinem Algorithmus „Ausländer“ als Suchwort für „L’amour toujours“. Ansonsten bleibt allein der Glaube daran, dass jetzt alle wieder wissen, was sich nicht gehört bei einem Lied für Globalisten.
Source: welt.de